Das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit der deutschen Spitzenkandidatin Ursula von der Leyen hat nach einer ersten offiziellen Prognose des Europäischen Parlaments die Europawahl deutlich gewonnen.
09.06.2024 - 22:24:05Mitte-Rechts-Bündnis mit von der Leyen gewinnt Europawahl
Die CDU-Politikerin kann demnach auf eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission hoffen.
Rechtsaußen-Parteien wie die AfD erzielten im Vergleich zur letzten Wahl vor fünf Jahren deutliche Gewinne. Insgesamt bleibt das klar proeuropäische Lager aber weiter das mit Abstand größte. Selbst wenn sich alle rechten Parteien zusammenschließen würden, kämen sie voraussichtlich auf weniger als 200 Sitze und wären damit von einer Mehrheit weit entfernt. Diese liegt bei 361 Sitzen.
Sozialdemokraten bleiben zweitstärkste Kraft
Unter den 720 Abgeordneten des leicht vergrößerten künftigen Europaparlaments wird das Mitte-Rechts-Bündnis EVP mit den deutschen Parteien CDU und CSU nach dieser Prognose auf 186 Sitze kommen (zuletzt 176 von 705) und damit auf ein Viertel der 720 Sitze. Zweitstärkstes Lager bleiben die Sozialdemokraten. Sie kommen der Prognose zufolge auf 133 Mandate (zuletzt 139). Danach folgen die Liberalen, die auf 82 Sitze abrutschen (zuletzt 102), sowie die zwei bisherigen rechtspopulistischen Parteienbündnisse EKR und ID, die konstant bleiben beziehungsweise deutlich gewinnen: EKR kommt auf 70 (zuletzt 69) Sitze, ID auf 60 (zuletzt 49).
Nicht hineingerechnet sind dabei die AfD-Abgeordneten. Die AfD wird zu den fraktionslosen Parteien gezählt, da sie kurz vor der Europawahl aus der ID-Fraktion ausgeschlossen worden war. Hintergrund waren unter anderem umstrittene Äußerungen des AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zur SS und eine China-Spionageaffäre um einen Mitarbeiter Krahs.
Ein großer Verlierer der ersten Europawahl nach der verheerenden Corona-Pandemie und dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sind laut der Prognose die Grünen. Sie kommen demnach nur noch auf 53 Sitze (zuletzt 71).
Gespräche für den Machterhalt
Als wahrscheinlich gilt, dass das Mitte-Rechts-Bündnis EVP in den nächsten Tagen Gespräche mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen führen wird, um eine lose Zusammenarbeit zu vereinbaren, die dann auch eine Mehrheit für die Wahl von Ursula von der Leyen sichern könnte. Die EVP beanspruchte bereits den Kommissionsvorsitz: Der Gewinner der Wahl habe nun das Recht, den Kommissionspräsidenten zu stellen, sagte EVP-Chef Manfred Weber (CSU) am Sonntagabend in Brüssel. Theoretisch könnten zudem auch noch Kooperationsmöglichkeiten mit einzelnen rechten Parteien ausgelotet werden. So hat die EVP eine Zusammenarbeit mit der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vor der Wahl nicht ausgeschlossen. Ihre rechtspopulistische Partei Fratelli d'Italia gehörte bislang zu rechtskonservativen EKR-Fraktion.
Für die künftigen Machtverhältnisse im Parlament ist auch relevant, ob sich eventuell Parteien aus den bisherigen rechten Bündnissen EKR und ID zu einer neuen Allianz zusammentun. Die Französin Marine Le Pen hatte dafür zuletzt bei der italienischen Regierungschefin Meloni geworben. Le Pens rechtsnationale Partei Rassemblement National kam in Frankreich auf 31,5 bis 32,4 Prozent der Stimmen.
Ob die EU-Politik als Ganzes nun nach rechts rückt, hängt allerdings nicht nur von den Mehrheiten im neu gewählten Parlament ab. Entscheidend sind dabei auch die Kräfteverhältnisse im Rat der EU-Staaten. Eine wichtige Rolle dürfte dabei der Ausgang von den Präsidentschaftswahl 2027 in Frankreich spielen.
Mehrheitsfindung könnte schwieriger werden
Grundsätzlich könnte es so sein, dass die Mehrheitsfindung im Europäischen Parlament noch einmal schwieriger wird. Nach der Prognose wird es zum zweiten Mal nach 2019 so sein, dass das Mitte-Rechts-Bündnis EVP und der sozialdemokratische Verbund S&D zusammen nicht auf eine Mehrheit kommen. Nicht nur für Personalentscheidungen werden sie sich die beiden Lager deswegen mit anderen Parteien zusammentun müssen. Grundsätzlich ist das Parlament gemeinsam mit dem EU-Ministerrat dafür zuständig, EU-Gesetze und den EU-Haushalt zu beschließen.
Das Europäische Parlament ist dabei das einzige direkt gewählte Organ in der EU. Seine Abgeordneten werden seit 1979 von den Bürgerinnen und Bürgern der Mitgliedsländer gewählt.