Deutschland, Energie

Das Gebäudeenergiegesetz bietet laut Kritikern keine ausreichenden Anreize für eine Abkehr von fossilen Brennstoffen.

09.09.2023 - 06:01:14

Heizungsgesetz: Fachleute sehen Klimaziele in Gefahr. «So sind die Klimaziele nicht zu erreichen», sagt Kai Bergmann von Germanwatch.

Der Klimaforscher Gunnar Luderer hält das beschlossene Heizungsgesetz für unzureichend. «Damit ist es eigentlich ausgeschossen, dass wir unsere Klimaziele bis 2030 im Gebäudesektor erreichen», sagte der Leiter der Arbeitsgruppe Energiesysteme am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung der Deutschen Presse-Agentur.

Die Berechnungen des von ihm geleiteten Kopernikus-Projekts Ariadne ergäben, dass innerhalb der nächsten Jahre der Einbau von Öl- und Gasheizungen auf nahe Null gebracht werden müsse, um das Ziel der Klimaneutralität erschwinglich und erreichbar zu halten.

Das beschlossene Gesetz schaffe aber bis 2026 und 2028 noch keine ausreichenden Anreize für eine Abkehr von den Fossilen bei den Neuanschaffungen. «Wir haben ein sehr, sehr großes Problem, und es ist unwahrscheinlich, dass das Gebäudeenergiegesetz in der aktuellen Form das Problem löst.»

«Sanierungen sind aufwändig und teuer»

Auch Kai Bergmann von der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch streicht heraus, dass das Gesetz nicht ausreiche. «So sind die Klimaziele nicht zu erreichen.» Neben dem Heizungswechsel sei es auch unabdingbar, die Häuser besser zu dämmen, damit nicht so viel Energie nach außen abgegeben werde. «Dafür müsste der Staat aber mehr Geld aufbringen, denn Sanierungen sind aufwändig und teuer.»

Deutschland möchte bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden, also rechnerisch keine klimaschädlichen Gase mehr ausstoßen. «Für mich ist die allergrößte Sorge in Bezug auf die Klimaneutralität die Fehlentwicklungen bei Gebäuden», sagte Luderer, der auch Professor für Globale Energiesystemanalyse an der Technischen Universität Berlin ist. Denn noch immer würden jedes Jahr 600.000 neue Öl- und Gasheizungen eingebaut, derzeit sogar noch mehr.

Heizungen werden etwa 20 bis 30 Jahre genutzt. In dieser Zeit kämen bei fossilen Heizungen jede Menge CO2-Emissionen zusammen, sagt Luderer. «Das ist eine Menge, die wir uns nicht mehr leisten können.» Die derzeit eingebauten Heizungen drohten, Deutschland die Klimaneutralität zu verbauen.

Forderung nach CO2-Preis

Luderer glaubt nicht, dass die Lösung darin besteht, in großem Maßstab Bio-Kraftstoffe oder Wasserstoff zum Heizen in Häusern einzusetzen. «Die Brennstoffe werden bis mindestens 2040 oder 2045 begrenzt und teuer sein», erklärt er. «Nutzt man sie für Häuser, schafft man Lücken an anderer Stelle, wo man sie eigentlich dringender bräuchte, etwa in der Industrie.»

Um Verbraucherinnen und Verbraucher zum Umstieg auf klimafreundliche Heizsysteme zu bewegen, brauche es, so der Klimaforscher, zusätzlich zu Regulierung und Fördermaßnahmen auch einen CO2-Preis, der die ökologische Wahrheit spricht. Falls dieses Umsteuern nicht gelingt, werden bald sehr viele Heizungen vorzeitig wieder ausgebaut und ersetzt werden müssen - zu erheblichen Zusatzkosten für die Besitzer.

Ein anderes Szenario sei, dass die Politik und die Gesellschaft die eigenen Klimaziele aufweiche. «Dieses Risiko halte ich für sehr hoch», sagte er. Der Expertenrat für Klimafragen hat der Bundesregierung kürzlich mit Blick auf ihre Klimapolitik das Zeugnis «ungenügend» ausgestellt.

@ dpa.de

Weitere Meldungen

Studie: Gas-Export in EU beschert Putin Milliardeneinnahmen Welchen Anteil tragen Unternehmen aus der EU daran, dass Russland seinen Krieg gegen die Ukraine führen kann? Eine Studie analysiert LNG-Geschäfte - das Ergebnis ist auch für Deutschland unangenehm. (Wirtschaft, 30.09.2025 - 10:54) weiterlesen...

Verbraucher zahlen weniger für Strom und Gas. Doch im Vergleich zu den Zeiten vor dem Ukraine-Krieg bleiben immense Anstiege. Auch der Staat treibt die Kosten für Privathaushalte. Die Energiepreise für Verbraucher sind zuletzt gesunken. (Wirtschaft, 30.09.2025 - 08:40) weiterlesen...

Erneuerbare Energien decken 57 Prozent des Stromverbrauchs. Nun legen Branchenverbände neue Zahlen vor. Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien spielt eine Schlüsselrolle bei der Energiewende. (Wirtschaft, 30.09.2025 - 04:30) weiterlesen...

Radikale Reform des Heizungsgesetzes rechtlich heikel?. Wie das genau aussehen soll, ist aber offen. Die schwarz-rote Koalition will das Heizungsgesetz reformieren. (Wirtschaft, 29.09.2025 - 11:25) weiterlesen...

Verfassungsschutz: Bahn im Fokus von Linksextremisten Linksextremisten nehmen laut Verfassungsschutz bei Angriffen auf die Infrastruktur in Kauf, dass Unbeteiligte betroffen sind. (Politik, 26.09.2025 - 11:15) weiterlesen...

Investoren steigen mit Milliarden bei Tennet Deutschland ein. Die Bundesregierung wollte nicht einsteigen. Nun gibt es einen Deal. Seit Jahren klagt Den Haag über hohe Investitionen für das deutsche Stromnetz für den Netzbetreiber Tennet. (Wirtschaft, 24.09.2025 - 12:33) weiterlesen...