ROUNDUP, Diskussion

Das Deutschlandticket für den Nah- und Regionalverkehr steht nur wenige Monate nach der gefeierten Einführung vor gleich mehreren großen Belastungsproben.

13.12.2023 - 14:08:05

Diskussion um 49-Euro-Ticket - Droht das Ende des Fahrscheins?

Die Finanzierung ist im Detail nicht langfristig geklärt, schon ab Mai könnte eine Preiserhöhung auf die Fahrgäste zukommen - und nun wackelt auch noch die bundesweite Gültigkeit. "Wenn mehrere Kommunen so reagieren wie der Landkreis Stendal, dann wäre das auf jeden Fall der Tod des Deutschlandtickets", warnte am Mittwoch Detlef Neuß, Bundesvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, im MDR-Fernsehen.

Der Stendaler Kreistag hatte in der vergangenen Woche einen Beschluss zur Anerkennung des Deutschlandtickets im Kreis nicht genehmigt. Damit gilt das Ticket in den Bussen dort ab dem 1. Januar nicht mehr. Der Landkreis hatte für die ersten vier Monate des Jahres mit zusätzlichen Kosten von 40 000 Euro gerechnet. Züge sind von der Entscheidung nicht betroffen. Das Infrastrukturministerium in Magdeburg sprach von einem Einzelfall.

Sorge vor Mehrkosten bei Bund, Ländern und Kommunen

"Wir müssen unbedingt einen Domino-Effekt verhindern", sagte dazu Dirk Flege, Geschäftsführer des Verbands Allianz Pro Schiene. "Wir dürfen nicht darauf warten, dass jetzt Landkreis um Landkreis diese Debatte führt und schlimmstenfalls aus dem Deutschlandticket aussteigt." Bund und Länder müssten auch über den Sommer 2024 hinaus Finanzierungssicherheit für die Mehrkosten schaffen.

Bund und Länder sind sich zwar darüber einig, dass es das Deutschlandticket auch im kommenden Jahr geben soll, aber nicht, wie mögliche Mehrkosten getragen werden. Laut einer Prognose des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) dürften die Verluste der Branche durch die Einführung des Deutschlandtickets dieses Jahr 2,3 Milliarden Euro betragen, nachdem das Ticket erst Anfang Mai eingeführt wurde. Im vollen Jahr 2024 dürften es 4,1 Milliarden Euro sein.

Bund und Länder haben bisher zugesagt, für 2023 und 2024 sechs Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen - es könnte also eine Lücke von 400 Millionen Euro entstehen. Die Verkehrsminister der Länder wurden Anfang November damit beauftragt, rechtzeitig vor dem 1. Mai 2024 ein Konzept für die weitere Finanzierung des Tickets vorzulegen. Mit zum Auftrag gehört dabei ein Mechanismus zur Fortschreibung des Ticketpreises, "der auch eine Erhöhung beinhalten kann".

Höherer Preis ab Mai?

Dass der Preis einmal über 49 Euro steigen kann, war prinzipiell immer klar, der Wert wurde als Einstiegspreis behandelt. Viele Experten gehen aber davon aus, dass die Verbraucher sehr sensibel auf eine solche Anpassung reagieren würden und auch schon eine leichte Erhöhung zu vielen Abo-Kündigungen führen könnte. Vielfach wird der aktuelle Preis schon als zu hoch bewertet.

Auch der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) geht davon aus, dass ein teureres Deutschlandticket die Akzeptanz bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern gefährden und den Nahverkehr insgesamt schwächen würde. Statt die Nutzerinnen und Nutzer stärker zu belasten, müssten Bund und Länder ihrer Verantwortung für das Deutschlandticket gerecht werden und ihre Mittel erhöhen, forderte Marion Jungbluth, Mobilitäts-Expertin beim vzbv. Derzeit nutzen etwa zehn Millionen Menschen in Deutschland das Ticket.

Forderungen nach rechtlicher Absicherung

Inwieweit das Beispiel aus Stendal Nachahmer finden wird, ist offen. Durch eine Anordnung des jeweiligen Bundeslandes oder die Mitgliedschaft in einem Verkehrsverbund dürften viele Kommunen und Verkehrsunternehmen bereits an das Deutschlandticket gebunden sein.

Das gilt aber offenbar nicht für alle Regionen. "Die Länder müssen die Landkreise und Städte zur Anwendung des Deutschlandtickets verpflichten und damit auch die Finanzierungsverantwortung übernehmen", forderte etwa der Deutsche Landkreistag am Dienstag. Ähnlich äußerte sich der VDV: Um das Ticket zu einem dauerhaften Erfolg zu machen, bedürfe es "auch der rechtlichen Absicherung des Tickets", sagte Verbandsgeschäftsführer Alexander Möller. Das sei "gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen".

@ dpa.de