Vor allem unweit des Bodensees steigen die Pegelstände der Flüsse nach starkem Dauerregen in der Nacht an.
01.06.2024 - 08:52:11Das Hochwasser im Süden steigt. Viele Gemeinden sprechen Warnungen aus.
In vielen Gemeinden entlang der von Dauerregen belasteten Flüsse in Süddeutschland könnte es heute zu heftigen Überschwemmungen kommen. Auch wenn es in der Nacht zunächst keine großflächigen Überflutungen gab, wird vielerorts ein Jahrhunderthochwasser befürchtet.
In Oberschwaben und am Bodensee hat sich die Lage allerdings leicht entspannt. «Trotz anhaltenden Dauerregens sind die befürchteten Überflutungen durch Scherzach und Schussen in der Nacht ausgeblieben», teilte die Stadt Weingarten mit. Es gebe zwar leichte Entwarnung, aber die Lage sei weiter angespannt, sagte eine Sprecherin. Im Laufe des Vormittags wolle man sich mit der Feuerwehr weiter besprechen.
In Weingarten bei Ravensburg war Bewohnern am Abend geraten worden, bei Verwandten und Freunden außerhalb der von steigenden Pegelständen gefährdeten Gebiete zu übernachten und Kellerräume und Untergeschosse zu meiden.
Im wenige Kilometer entfernten Meckenbeuren im Bodenseekreis habe sich die Lage auch etwas entspannt, sagte ein Feuerwehrsprecher. «Ich denke, der Zenit ist nach Mitternacht überschritten gewesen.» Aktuell würden aber noch Einsätze laufen. Wegen akuter Überflutungsgefahr wurde rund 1300 Menschen geraten, ihr Zuhause zu verlassen.
Eine Schule sei mit Sandsäcken gesichert worden, weil noch nicht klar sei, ob die Schussen an der Stelle überlaufen werde, sagte der Sprecher. Generell gehe man aber davon aus, dass die Pegelstände wieder etwas sinken könnten, da viel Wasser schon abgeflossen sei, etwa in den Bodensee.
Landesgartenschau bleibt geschlossen
Die Landesgartenschau in Wangen im Allgäu bleibt aufgrund der aktuellen Lage heute geschlossen. «Es ist viel Wasser im Fluss, und es ist noch nicht klar, wie sich die Lage weiterentwickelt, denn es sind weitere Niederschläge in den nächsten Stunden angekündigt», teilte eine Sprecherin mit. Die Stadt an der Argen hatte am Abend Hochwasseralarm ausgelöst. Veranstaltungen auf dem Landesgartenschau-Gelände waren abgesagt worden.
Der Pegelstand der Argen werde genau beobachtet, hieß es. Der Oberbürgermeister der Stadt, Michael Lang (parteilos), hatte seine Bürger bis in den Abend hinein auf Instagram über die aktuelle Lage informiert.
Erdrutsch wegen Regen: Landstraße halbseitig gesperrt
Die Landstraße 383 bei Reutlingen in Baden-Württemberg ist wegen eines Erdrutsches halbseitig gesperrt worden. Die Sperrung zwischen Reutlingen und Gönningen dauere nach Angaben der Polizei bis in den Nachmittag an.
128 Liter Regen pro Quadratmeter binnen 24 Stunden
In Teilen Baden-Württembergs und Bayerns gilt laut Deutschem Wetterdienst (DWD) vielerorts die höchste Warnstufe. Die Niederschlagsmengen der vergangenen Nacht entsprachen weitgehend den Prognosen. Im schwäbischen Sigmarszell im Landkreis Lindau fielen innerhalb eines Tages rund 128 Liter Regen pro Quadratmeter. In Ottobeuren im Landkreis Unterallgäu sowie in Wangen im Allgäu (Landkreis Ravensburg) waren es rund 108 Liter. In Kißlegg fielen rund 105 Liter, in Weiler-Simmerberg im Landkreis Lindau circa 104 Liter.
Keller unter Wasser, Katastrophenfall in Günzburg
Die dadurch anschwellenden Wasserstände der Flüsse lösen auch Sorgen weiter nördlich aus, etwa an der Donau sowie an deren weiterer Zuflüsse. Hier wird teils mit Überflutungen gerechnet, wie sie statistisch nur alle 50 bis 100 Jahre vorkommen. Inzwischen sind die Pegelstände eines Jahrhunderthochwassers erreicht worden. Das teilte das zuständige Landratsamt mit.
Der Fluss Zusam im Landkreis Augsburg trat bereits über die Ufer, überspülte in der Marktgemeinde Fischach Straßen und flutete einige Keller. Es habe aber weder große Schäden noch Verletzte gegeben, teilte die Polizei mit. Die Zusam erreichte laut dem Hochwassernachrichtendienst Bayern am Pegel Fleinhausen in der Nacht die Meldestufe drei von vier.
Auch im Landkreis Aichach-Friedberg gilt der Katastrophenfall. Örtliche Überflutungen im Landkreis hätten über Nacht stark zugenommen, teilte das Landratsamt am Samstag mit. Um die Hilfeleistungen bestmöglich koordinieren und bewältigen zu können, habe Landrat Klaus Metzger (CSU) den Katastrophenfall ausgerufen.
Die Lage im Landkreis sei gebietsweise dramatisch, vor allem Dasing, Kissing und Ortsteile von Friedberg seien schwer betroffen. «Deshalb habe ich entschieden, den K-Fall auszurufen. Wir müssen alle Kräfte aktivieren und bündeln, um den Menschen bestmöglich zu helfen», schrieb Metzger. «Viel Kraft allen!»
«Wir nehmen die Situation sehr ernst»
Unweit davon rief der Landkreis Günzburg den Katastrophenfall aus - vorbeugend. In der Region gehe es darum, die potenziell betroffenen Städte und Gemeinden besser unterstützen zu können, teilte das Landratsamt mit. Dafür seien Einsatzkräfte aus dem gesamten Landkreis nötig.
Camping- und Freizeitplätze an den Flüssen Günz, Kammel und Mindel sollten geräumt werden - hier dürften während der Pfingstferien viele Gäste des Freizeitparks Legoland verweilen. «Wir nehmen die Situation sehr ernst», sagte Landrat Hans Reichhart (CSU). «Wir wollen, die Zeit, die wir jetzt noch haben, bis das Hochwasser den Landkreis Günzburg erreicht, optimal nutzen.»
Im baden-württembergischen Waldshut-Tiengen ist wegen der Hochwassergefahr ein Campingplatz geräumt worden. Am Freitagabend drohte der Rhein über das Ufer zu treten, wie die Polizei mitteilte. Demnach standen Wohnmobile direkt am Ufer und mussten deshalb vorsorglich weggefahren werden.
Im Landkreis Biberach wurden Menschen in betroffenen Gebieten dazu aufgerufen, auf ihre Sicherheit zu achten. Dort bestehe potenziell Lebensgefahr. Sie sollten Notfallgepäck vorbereiten und die NINA-Warnapp auf das Smartphone laden, um zeitnahe Informationen zu erhalten - so eingestellt, dass bei einer Evakuierungsmeldung ein Alarm ertönt. «Dazu muss das Handy angeschaltet sein und darf sich nicht im Flugmodus befinden», hieß es aus dem Landratsamt der besonders betroffenen Region Ravensburg.
Hochwasserrisiko auch in Hessen, Gefahr im Osten
Auch in anderen Regionen haben die Niederschläge die Wasserstände in Flüssen ansteigen lassen - und weitere Zuwächse werden erwartet. In Hessen ist laut dem regionalen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie ein statistisch nur alle 20 Jahre auftretendes Hochwasser an Rhein und Neckar möglich.
Im Osten Deutschlands müssen sich die Menschen laut DWD auf viel Regen, teils auch auf Gewitter einstellen. Allerdings treffe das Unwetter Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt voraussichtlich weniger stark als zunächst befürchtet.
Höchste Warnstufe für Teile Bayerns
Vor allem für Teile Bayerns warnt der Deutsche Wetterdienst vor Unwettern. Für das westliche Schwaben, das Oberallgäu und Oberbayern gelte die höchste Warnstufe 4, teilte der Deutsche Wetterdienst in Offenbach mit. Hier seien teils Niederschlagsmengen von bis 120 Liter pro Quadratmeter möglich. Für Mittel- und Oberfranken gelte die Warnstufe 3 mit Regenmengen von 40 bis 70 Liter. Ab dem Nachmittag könne es punktuell in Nordbayern starke Gewitter geben.
Unterallgäu: Rund 150 Menschen sollen Häuser verlassen
Wegen der sich zuspitzenden Hochwasserlage sind im schwäbischen Landkreis Unterallgäu rund 150 Menschen aufgerufen, freiwillig ihre Häuser zu verlassen. Allein in der Ortschaft Babenhausen seien rund 100 Menschen betroffen, sagte eine Sprecherin des Landratsamtes. Weitere 50 Anwohner sollen im Ortsteil Zell in Bad Grönenbach sowie in Dirlewang ihrer Häuser verlassen. Die Menschen sollten teils mit Booten geholt werden.
Die Behörden gingen davon aus, dass die Wasserstände eines Jahrhunderthochwassers erreicht werden. Die Dammbereiche würden überflutet, die Hochwasserrückhaltebecken seien größtenteils voll, sagte Landrat Alex Eder (FW). Es habe bis zum Morgen rund 225 Einsätze wegen vollgelaufener Keller und Straßenüberflutungen gegeben. «Wir raten dringend, nicht mehr in den Keller zu gehen und nicht in Autos steigen», mahnte der Landrat die Menschen in den betroffenen Gebieten.
Landkreis Augsburg ruft Katastrophenfall aus
Der schwäbische Landkreis Augsburg hat wegen der extremen Regenfälle und der steigenden Wasserstände den Katastrophenfall ausgerufen. Es sei damit zu rechnen, dass die Pegelstände in den kommenden Stunden weiter stark ansteigen, teilte das Landratsamt mit. Insbesondere die Gemeinden Fischach und Langenneufnach werden demnach betroffen sein.
Söder und Herrmann fahren ins Hochwassergebiet
Ministerpräsident Markus Söder und Innenminister Joachim Herrmann reisen in das schwäbische Hochwassergebiet. In Fischach im schwäbischen Landkreis Augsburg wollen sich die beiden CSU-Politiker am frühen Nachmittag selbst ein Bild von der Lage machen, wie das Innenministerium mitteilte. Aufgrund der ergiebigen Niederschläge spitzt sich die Hochwasserlage insbesondere auch im Bereich Schwaben zu.
Beruhigung zum Wochenstart
Laut Meteorologen stabilisiere sich die Wetterlage zum Wochenstart am Montag deutlich. Zwar regne es im äußersten Süden zeitweise weiter und auch Starkregen sei möglich. Größere Unwetter seien aber nicht mehr zu befürchten. Auch im Nordwesten sei es dicht bewölkt mit vereinzelt leichten Niederschlägen, sonst zeige sich aber häufiger die Sonne und es bleibe trocken. Die Temperaturen liegen zwischen 16 und 22 Grad.