Stiftung, Mallorca

Nicht wenige Deutsche ziehen nach der Pensionierung nach Mallorca.

06.03.2024 - 10:50:15

Stiftung auf Mallorca hilft ausgewanderten Rentnern. Der Traum vom ewigen Urlaub unter der Sonne endet jedoch leicht in Einsamkeit und Armut. Warum immer mehr Rentner in Not geraten.

Am Anfang hatte Roland Werner nur eine Art Kaffeeklatsch für deutsche Senioren geplant, die nach Mallorca ausgewandert sind. 2017 gründete der 62-Jährige aus Worms die Hilfsorganisation «Herztat». Mittlerweile ist der Verein mit der prominenten Schirmherrin, der TV-Moderatorin Birgit Schrowange, jedoch eine Hilfsorganisation, die deutschen Auswanderern beisteht - nicht nur, damit sie sich in der Fremde zurechtfinden, sondern um ihnen notfalls auch eine Rückkehr in die Heimat zu ermöglichen.  

Die Sonne strahlt am Himmel. 20 Grad zeigt das Thermometer auf Mallorca, auch wenn noch lange nicht Sommer ist. Zu warm, um im Pullover auf der Terrasse zu sitzen. Verständlich, dass viele Deutsche bei solchen Bedingungen davon träumen, der kalt grauen Tristesse in der Heimat zu entkommen und auf die Urlaubsinsel auszuwandern. Nicht wenige Rentnerinnen und Rentner erfüllen sich diesen Wunsch, viele begehen dabei aber folgenschwere Fehler.

«Ich schätze, dass es an die 2000 deutschsprachige Senioren auf Mallorca gibt, die einsam sind - Tendenz steigend», sagt Werner, der mit seiner «Herztat»-Stiftung Rentnern einen Ansprechpartner bietet. Aber das reicht oft schon nicht mehr. «Einige von ihnen befinden sich bereits in einer Notsituation und verwahrlosen regelrecht», erzählt er.  

Die Mieten auf Mallorca sind sehr hoch

Werner ist selbst aus gesundheitlichen Gründen bereits mit 52 Jahren in Rente gegangen. Nur auf der Couch liegen wollte er nicht. «Ich suchte eine neue Aufgabe», erzählt er und nahm Kontakt mit der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde auf Mallorca auf. Dort gab es bereits das Projekt «Wandern mit Leib und Seele». «Einmal im Monat einen Ausflug machen - das reichte mir nicht», sagt Werner. Er suchte eine Herausforderung, stiftete eine sechsstellige Summe und gründete «Herztat». «Ich habe keine Kinder. Das wird mein Erbe sein.»

Die Geschichte sei fast immer gleich, erzählt Werner: Ein älteres Ehepaar wandert kurz nach Rentenbeginn nach Mallorca aus. Sie brechen in Deutschland alle Zelte ab, kündigen Versicherungen und melden sich bei den Behörden ab. Auf eine Anmeldung in Spanien verzichten sie aber. Einerseits kostet das Geld, andererseits sprechen sie in der Regel kaum ein Wort Spanisch. «Je nach Alter betragen die Sozialabgaben an die 200 Euro im Monat. Die Rentner fühlen sich fit und denken, auch ohne Krankenversicherung über die Runden kommen zu können», erzählt der 62-Jährige. Ein oft folgenschwerer Fehler.

Denn mit zunehmendem Alter stellen sich dann bei den meisten doch immer mehr Gebrechen ein. Die Senioren erkranken und die Behandlungskosten verschlingen die wenigen Ersparnisse. Verstirbt schließlich einer der Eheleute, ist der Super-Gau da. «Eine Rente fällt weg. Die Mietkosten bleiben aber in gleicher Höhe bestehen», sagt Werner. Auf Mallorca ist die Wohnungsnot groß. «Viele Deutsche haben den Trugschluss, dass das Leben auf der Insel günstiger sei. Die Mieten sind aber höher als in den meisten deutschen Gebieten. Eine Einzimmerwohnung unter 900 Euro findet man auf Mallorca nicht.»

Es gibt auch richtige Notfälle

Ursprünglich war die «Herztat»-Stiftung nur als ein Treffpunkt vorgesehen. Dabei engagieren sich Paten ehrenamtlich, um mit vereinsamten Rentnern mal einen Kaffee zu trinken, ins Kino oder zu einem Konzert zu gehen. «Das gibt es zwar immer noch, zwei Drittel unserer betreuten Personen sind mittlerweile aber Notfälle», sagt der Initiator. Ein Problem ist auch, dass sich die Leute für ihre Lage schämen. Freundschaften und Kontakte brechen ab und die Bedürftigen sagen immer wieder Treffen aus Geldsorgen ab, da das Budget einfach keinen Kaffee oder Bier erlaubt. «Familie und Bekannte in Deutschland sind meist von Anfang an sauer, wenn der Senior sich aus dem Staub macht und nach Mallorca auswandert», sagt Werner. Von der Seite her ist deshalb kaum Hilfe zu erwarten. Zuletzt fällt es den Rentnern schwer, sich ihre missliche Lage einzugestehen. «Vielen Leuten könnten wir viel besser helfen, wenn sie sich eher gemeldet hätten.» 

Ohne Spendengelder könnten sie nicht helfen

Vor zwei Jahren wurde Schrowange auf die Stiftung aufmerksam. Sie drehte eine Dokumentation über Armut auf der Insel. Man verstand sich gut und der Projektleiter fragte, ob sich die 65-Jährige nicht vorstellen könne, für «Herztat» als Schirmherrin zu werben. Schließlich ist die Organisation auch auf Spendengelder angewiesen, die zuletzt immer weniger wurden. «Ich bin gesund und fit, und das Leben hat es sehr gut mit mir gemeint. Daher möchte ich einfach etwas zurückgeben», sagte Schrowange in einem Interview mit dem «Mallorca Magazin». Der «Mallorca Zeitung» erzählte sie, dass sie schon als 17-Jährige angefangen habe, sich um ihre Altersvorsorge zu kümmern. 

40 Paten betreuen heute die Notfälle. «Das sind meist Rentner, die aus Deutschland und der Schweiz stammen», sagt Werner. Im Laufe der Zeit sind aus den Ehrenamtlichen wahre Experten im Umgang mit der Bürokratie geworden. Zuerst muss geschaut werden, wie die Bedürftigen in eine Krankenversicherung aufgenommen werden können. Die öffentlichen Krankenhäuser auf Mallorca behandeln zwar auch unversicherte Patienten, dann werden aber nur lebenswichtige Maßnahmen ergriffen. «Bei einem Herzinfarkt wird die Person zwar ruhig gestellt, aber kein Stent gesetzt, der das Risiko einer weiteren Attacke mindern würde», beschreibt Werner. 

So bleibt als letzter Ausweg meist nur die Rückkehr nach Deutschland. «Die Sozialämter haben zwar Notfallprogramme, es ist aber nicht gesetzlich geregelt», sagt Werner. Die «Herztat»-Paten kontaktieren die Ämter, wo die Rentner zuletzt in Deutschland gemeldet waren oder wo Familienangehörige leben, und kämpfen darum, dass die Bedürftigen wieder in das System aufgenommen werden. Die Stiftung zahlt dann den Rückflug und Umzugskosten. «Die betragen in der Regel 500 Euro», sagt Werner.

@ dpa.de