Er eröffnet das Feuer, tötet 18 Menschen und ergreift die Flucht.
27.10.2023 - 07:30:05US-Polizei fahndet weiter nach dem Todesschützen von Maine. Seitdem fehlt von dem Verdächtigen jede Spur. Im Gebiet rund um die zwei Tatorte kommt das öffentliche Leben weitgehend zum Erliegen.
Nach einem Massaker mit 18 Toten im US-Bundesstaat Maine sucht die Polizei weiter mit einem Großaufgebot nach dem Schützen.
Gestern Abend (Ortszeit) waren zahlreiche Polizeiautos vor dem Haus des Verdächtigen in der Kleinstadt Bowdoin angerückt und Beamte durchkämmten mehrere Grundstücke. Es sei nicht bekannt, ob sich der Verdächtige in einem der durchsuchten Häuser aufhalte, teilte die Polizei mit. Auch die US-Küstenwache fahndete nach ihm, da eine Flucht per Boot nicht ausgeschlossen wurde. In der Region herrscht Ausnahmezustand. Die Polizei warnte Anwohner eindringlich vor dem Flüchtigen und rief die Menschen dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen.
Die Tat
Der Schütze hatte am Mittwochabend in einem Freizeitzentrum mit Bowlingbahnen und in einem Grillrestaurant in der kleinen Stadt Lewiston das Feuer eröffnet. Am ersten Tatort tötete er sieben Menschen, am zweiten acht. Drei weitere Opfer starben kurz nach der Tat im Krankenhaus. Weitere 13 Menschen wurden verletzt. Das Motiv des Täters war auch am Tag danach nicht bekannt.
Eine Überlebende, die ihre Schwester bei der Bluttat verloren hatte, schilderte dem Sender CNN: «Wir waren beim Bowling und hörten einen großen Knall.» Sie sei sich zunächst nicht sicher gewesen, was los war. Dann habe sie aber mehrere Schüsse gehört. «Ich rannte so weit wie ich konnte.»
Lewiston hat knapp 40.000 Einwohner und liegt in Maine, etwa 200 Kilometer nördlich von Boston an der Ostküste der USA. Die Stadt ist etwa 30 Autominuten von Bowdoin entfernt, dem Heimatort des Verdächtigen. Rund zehn Kilometer von Lewiston entfernt fand die Polizei das Auto des Gesuchten, einen kleinen weißen SUV.
Rätselraten über Motiv
Die Polizei identifizierte den 40-jährigen Reservesoldaten Robert C. als mutmaßlichen Täter. Nach Angaben der «Washington Post» hatte er sich im Jahr 2002 zum Militärdienst gemeldet, aber keine Kampfeinsätze absolviert. Er habe Ingenieurtechnik studiert, allerdings keinen Abschluss gemacht. Die Zeitung berichtete außerdem, das Verhalten des Mannes sei Kollegen vor einigen Monaten seltsam vorgekommen. Er soll schließlich zwei Wochen in psychiatrischer Behandlung gewesen sein und sich Medienberichten zufolge eingebildet haben, Stimmen zu hören.
Berichten zufolge fanden die Ermittler eine Notiz im Haus des Mannes. Sie machten aber keine Angaben über deren Inhalt. Die Familie des Tatverdächtigen kooperiert mit der Polizei. Die Schwester des Mannes soll Ermittlern laut dem Sender ABC gesagt haben, sie glaube, ihr Bruder habe an den Tatorten nach einer Ex-Freundin gesucht. Er und die Ex-Freundin hätten sich häufig in dem Freizeitzentrum und dem Grillrestaurant aufgehalten.
Die Fahndung
Gestern Abend sah es zunächst so aus, als könnte die Polizei einen Erfolg erzielt haben. Der Sender CNN berichtete, Beamte der Bundespolizei FBI hätten vor dem Haus des Verdächtigen Stellung bezogen, seinen Namen gerufen und ihn aufgefordert: «Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus!» Kurze Zeit später erklärte die Polizei auf der Plattform X: «Die Durchsagen, die über einen Lautsprecher zu hören sind, sind Standarddurchsagen bei der Vollstreckung eines Durchsuchungsbefehls, um die Sicherheit aller Beteiligten zu gewährleisten.»
Die Suche nach dem Flüchtigen gestaltet sich auch deshalb sehr schwierig, weil die ländlich geprägte Gegend nur dünn besiedelt ist. Ermittler fürchten, der Verdächtige könnte sich in den Wäldern versteckt haben oder gar mit einem Boot geflüchtet sein. Der Mann soll laut Kollegen geübt darin sein, sich im Gelände zu bewegen. Hunderte Polizeibeamte durchkämmten die Gegend. Mit Informationen hielten sich die Behörden zurück - es drangen kaum Details an die Öffentlichkeit.
Experte: Todesschütze kennt sich in Waldgebieten aus
Die ländliche Gegend mit Waldgebieten, Sümpfen und Flüssen erschwert Experten zufolge die Suche nach dem Täter. Der 40-Jährige kenne sich als Einheimischer bestens im Wald aus, worauf die Polizei einen Großteil der Suche im Süden Maines konzentriere, sagte der frühere FBI-Agent Rob D'Amico dem US-Sender CNN.
Zudem habe der Verdächtige ausgeprägtes militärisches Training durchlaufen und wisse, wie man unbemerkt bleibe, sagte der Analyst Jonathan Wackrow dem Sender. «All dies ist eine Herausforderung für die Sicherheitskräfte.» Hinzu komme sein von einigen als «unberechenbar» beschriebenes Verhalten, sagten andere Experten bei CNN.
Debatte über Waffen
In den USA gehören Amokläufe und tödliche Schießereien auf traurige Weise zum Alltag. Schusswaffen sind dort leicht erhältlich und massenhaft im Umlauf. Regelmäßig erschüttern blutige Attacken - etwa an Schulen, in Supermärkten, Nachtclubs und bei Großveranstaltungen - mit vielen Opfern das Land. Dies führt immer wieder zu Diskussionen über eine Verschärfung des Waffenrechts, bislang jedoch ohne wirkliches Ergebnis. In der Regel scheitern strengere Regeln an den Republikanern und der mächtigen Waffenlobby.
Im Bundesstaat Maine gibt es kein Gesetz, das es Strafverfolgungsbehörden erlauben würde, jemanden zu entwaffnen, der eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt. Gestern trat die republikanische Senatorin Susan Collins aus Maine vor die Presse und musste sich Fragen zum Waffenrecht in dem Bundesstaat stellen. «Wir haben in unserem Land einen zweiten Verfassungszusatz», betonte Collins mit Blick auf das darin verankerte Recht auf Waffenbesitz. Der entsprechende Passus stammt aus dem 18. Jahrhundert. «Ich möchte darauf hinweisen, dass diese Region (...) auf eine lange Tradition des verantwortungsvollen Waffenbesitzes zurückblicken kann», sagte Collins.
Die Historie
Der Schusswaffenangriff in Lewiston war nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Gun Violence Archive der 565. Vorfall in den USA in diesem Jahr, bei dem mindestens vier Personen starben. Es handele sich zudem um das Ereignis mit den meisten Todesopfern in den USA im bisherigen Jahr 2023, wie die Organisation auf der Plattform X schreibt.
In 43 der 50 US-Bundesstaaten sowie im Hauptstadtbezirk Washington D.C. gab es demzufolge in den ersten 299 Tagen des Jahres bereits solche Vorfälle. Die einzigen sieben Bundesstaaten, in denen in diesem Jahr noch keine Massenschießerei verzeichnet wurde, seien: Alaska, Montana, Rhode Island, South Dakota, Vermont, West Virginia und Wyoming.