Ausnahmezustand nach Überschwemmungen in Libyen: Allein in der schwer betroffenen Hafenstadt Darna werden Zehntausende Tote befürchtet.
14.09.2023 - 08:50:11Libyen: Allein in Darna 20.000 Tote befürchtet. Das afrikanische Land braucht dringend mehr Hilfe.
Die Zahl der Todesopfer in den Überschwemmungsgebieten in Libyen könnte Befürchtungen zufolge noch sehr deutlich steigen. Besonders grauenhaft ist die Lage in der Hafenstadt Darna.
«Wir erwarten eine sehr hohe Zahl von Opfern. Ausgehend von den zerstörten Bezirken in der Stadt Darna können es 18.000 bis 20.000 Tote sein», sagte Bürgermeister Abdel-Moneim al-Gheithy dem arabischen Fernsehsender Al-Arabija. Der Sturm «Daniel» hatte am Sonntag das nordafrikanische Land erfasst. Nahe Darna brachen zwei Dämme, ganze Viertel der 100.000 Einwohner zählenden Stadt wurden ins Meer gespült. Ganze Straßenzüge sind in meterhohem Schlamm versunken.
Hoffnung auf Überlebende schwindet
Rettungsteams suchten in den Trümmern weiter nach Überlebenden. Doch die Hoffnung, Menschen lebend zu finden, schwindet. Videos in sozialen Medien zeigten Fahrzeugkolonnen, die Tote abtransportierten, auf anderen Aufnahmen trieben Leichen im Meer. Geborgene Opfer wurden in Leichensäcken in Massengräbern verscharrt.
Auch in anderen Teilen des Bürgerkriegslandes herrscht weiter der Ausnahmezustand. Unterdessen gibt es verzweifelte Rufe nach mehr humanitärer Hilfe für die Überlebenden. Allein in Darna sind mehr als 30.000 Menschen obdachlos geworden, wie die Internationalen Organisation für Migration (IOM) auf X mitteilte. 10.000 Menschen galten als vermisst.
Der britische König Charles (74) hat angesichts der furchtbaren Lage sein Beileid zum Ausdruck gebracht. Seine Frau und er seien «zutiefst betrübt» über die verheerenden Auswirkungen, hieß es in einem Schreiben des Monarchen von Mittwochabend. «Wir trauern mit allen, die ihre Lieben verloren haben, und beten weiterhin für jeden, dessen Leben und Existenz von den entsetzlichen Überflutungen betroffen ist.» Zudem lobte den «selbstlosen Mut» der Helferinnen und Helfer.
Hilfsgüter aus Deutschland
Die Luftwaffe will vom Fliegerhorst in Wunstorf aus Hilfsgüter des THW in das Überschwemmungsgebiet bringen. Zwei Transportflugzeuge mit Material bestehend aus Matratzen, Zelten, Decken, Feldbetten und Generatoren sollen starten, wie die Luftwaffe mitteilt. Nach einem internationalen Hilfeleistungsersuchen Libyens an die EU habe die Bundesregierung schnelle Hilfe zugesagt. Über Details will die Luftwaffe vor Ort vor den Starts informieren.
Das Technische Hilfswerk (THW) hatte zuvor mitgeteilt, dass Hilfsgüter im Laufe des Mittwochs in THW-Logistikzentren in Bayern und Baden-Württemberg verladen wurden. Nach Angaben eines Sprechers starteten acht Lastwagen am Abend in Richtung Wunstorf bei Hannover.
Ärzte ohne Grenzen auf dem Weg
Auch die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen kündigte für Donnerstag die Ankunft eines Notfallteams in der schwer betroffenen Stadt Darna an. Es bestehe aus Logistikern und medizinischem Personal, gab die Organisation auf der Plattform X (vormals Twitter) bekannt. Man bringe zudem Notfallausrüstung mit zur Behandlung von Verletzten und Leichensäcke für Libyens Wohlfahrtsorganisation Roter Halbmond.
Die Sorge gelte auch den Hunderttausenden von Flüchtlingen und anderen Migranten aus mehr als 40 Ländern, für die Libyen das Sprungbrett nach Europa sei, berichtete die Zeitung «Arab News» mit Sitz in Saudi-Arabien. Auch unter diesen Menschen dürfte es Opfer geben, die von den Überschwemmungen mitgerissen wurden, hieß es.
Neben Darna sind auch andere Städte wie Al-Baida, Al-Mardsch, Susa und Schahat betroffen. «Wir brauchen einfach Leute, die die Situation verstehen - logistische Hilfe, Hunde, die Menschen riechen können und sie aus dem Boden holen. Wir brauchen einfach humanitäre Hilfe, Leute, die wirklich wissen, was sie tun», sagte ein libyscher Arzt, der in einer Klinik nahe Darnas arbeitet, dem britischen Sender BBC.
Krankheiten verhindern
Die Vereinten Nationen haben für Maßnahmen nach den verheerenden Überschwemmungen in Libyen Soforthilfe im Umfang von zehn Millionen Dollar freigegeben. Ein Spendenaufruf folge in Kürze, sagte UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths am Donnerstag in Genf. Es gehe nun darum, die Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern.
«Das Ausmaß dieser Überschwemmungskatastrophe ist schockierend und herzzerreißend», sagte Griffiths. «Ganze Wohnviertel sind von der Karte verschwunden.» Helfer der Vereinten Nationen seien im Land, um zusammen mit den Behörden und Ersthelfern Hilfe zu organisieren.