München - Wie gelingt Menschen mit Einschränkungen ein selbstbestimmtes Leben? Wer im Rollstuhl sitzt und vielleicht auch nur wenig Kraft in Armen oder Händen hat, ist oft auf die Unterstützung anderer angewiesen.
27.05.2025 - 11:23:16SMAlltalk-Event: Selbstbestimmt leben mit persönlicher Assistenz für Menschen mit Behinderungen. Eine persönliche Assistenz übernimmt einfache Hilfestellungen in allen gewünschten Lebensbereichen. Sandra und Celina sind beide von spinaler Muskelatrophie (SMA) betroffen und Rollstuhlfahrerinnen. Bei der siebten Runde von "Austausch bewegt", dem Online-Event der Plattform SMAlltalk für die SMA-Community, teilten Sandra und Celina ihre Erfahrungen mit einem großen Publikum. Weitere Perspektiven ergänzten Celinas Freund Yassine und Tini, die seit vielen Jahren in diesem Beruf tätig ist. Das Event zeigte eindrücklich: Assistenz ist weit mehr als praktische Hilfe - sie kann der Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe und Selbstbestimmung sein.
Hilfe annehmen - keine leichte Entscheidung
Sandra, SMA-Typ 3, ist zweifache Mutter und berufstätig in Teilzeit. Schon vor neun Jahren hat sie entschieden, ein sogenanntes "Persönliches Budget" zu beantragen, um sich daraus zunächst für ein paar Wochenstunden eine persönliche Assistenz leisten zu können.
In Deutschland haben Menschen mit Einschränkungen, wie einer Behinderung oder einer chronischen Erkrankung, einen Rechtsanspruch auf ein persönliches Budget. Wer Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe bzw. Eingliederungshilfe hat, kann so anstelle von Sach- oder Dienstleistungen monatlich eine Geldleistung erhalten. Der Vorteil für den Empfangsberechtigten? Er oder sie kann selbst entscheiden, wer, wann, wie und wo welche Leistung für ihn oder sie erbringen soll, und diese Leistung unmittelbar selbst bezahlen.
Warum hat Sandra den Schritt gemacht und ein persönliches Budget beantragt? Ihr Schlüsselerlebnis war die sehr direkte Frage einer guten Freundin: "Bist du denn glücklich, so wie es jetzt ist?" Tagsüber, wenn ihr Partner seiner Arbeit nachging, war Sandra oft allein und nein, glücklich war sie nicht. "Wir Menschen mit Einschränkungen müssen eh schon auf so Vieles verzichten, da kann eine helfende Hand im Alltag schon eine echte Erleichterung sein." Sie setzte sich über ihre erste Scheu hinweg und machte bei der örtlichen Eingliederungshilfe einen Termin zur Bedarfsermittlung. Wenige Wochen später war das persönliche Budget genehmigt. Ein befreiender Moment, sagt Sandra - "Ich habe geweint, weil ich einfach glücklich war."
Die gleichberechtigte und selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben sei in Deutschland ein zentrales Thema, erläutert Sandra, jeder und jede habe ein Recht darauf.
Wie Assistenzen im Alltag unterstützen können
Bei der SMAlltalk-Umfrage vor der virtuellen Talkrunde gaben knapp 70 % der Teilnehmer*innen an, sie würden mit einer oder mehreren Assistenzen leben. Genannt wurden beispielsweise Alltagsassistenz (84%), Haushaltsassistenz (53%), Berufsassistenz (47%), Schulassistenz (11%) oder Elternassistenz (6%).
Assistenzen machen all das, was Pflege nicht macht - so helfen sie bei alltäglichen Dingen, ob im Haushalt oder auch in der Freizeit: "Dank meiner Assistenz komme ich auch mal auf Konzerte, auf die mein Freund keine Lust hat", sagt Celina, SMA-Typ 2, die vor kurzem mit Yassine zusammengezogen ist.
Einige haben einen klaren Fokus, Arbeitsassistenz beispielsweise oder Schulassistenzen, die Betroffene bei der Arbeit oder in der Schule begleiten. Elternassistenzen unterstützen Menschen mit Einschränkungen dabei, ihre Kinder großzuziehen. Klare Grenzen sind besonders wichtig: "Die Assistenz muss gerade gegenüber den Kindern immer im Hintergrund bleiben. Ich bin die Mama und ich tröste meine Kinder oder schlichte ihren Streit, nicht sie", erklärt Sandra, die inzwischen ein Team aus acht Assistenzen führt.
Einmal die Woche erstellt Sandra einen Dienstplan, bei dem eine Assistenz die Früh- und eine andere die Nachmittagsschicht übernimmt. Gelegentlich nimmt sie auch abends Hilfe in Anspruch, doch diese Zeit ist meist für das Zusammensein nur mit der Familie reserviert: "Nach dem Abendessen bringen mein Mann und ich zusammen die Kinder ins Bett und finden auch noch etwas Zeit für uns."
Assistenz in Anspruch nehmen - Dienstleister- vs. Arbeitgebermodell
Sandra und Celina sind sich einig: Geeignete Assistenzen zu finden und diese dann zu organisieren, sei nicht leicht.
Gibt man die Suche und auch den Dienstplan bzw. die Organisation der Assistenzen an einen Dienstleister ab, entlastet das zwar. Es ist aber auch teurer und natürlich gibt man damit auch wieder ein Stück weit Selbstbestimmung ab. Entscheidet man sich für das sogenannte Arbeitgebermodell, beschäftigt man als Arbeitgeber*in Assistenzen zum Beispiel auf Minijob-Basis oder in Teilzeit. Sandra und Celina kommen mit dem Arbeitgebermodell und mehreren Assistenzen in Minijobs gut zurecht - das müsse aber jeder und jede für sich selbst ausprobieren, betonen sie.
Und wie findet man eine Assistenz? Celina, Grafik-Designerin, hat eine Anzeige gestaltet und diese in Cafés und Läden aufgehängt sowie vor allem über Social Media verteilt. Yassine und sie fanden ihre erste Assistenz durch direktes Nachfragen bei der Inhaberin des benachbarten Frisörsalons. Tatsächlich wollte deren Tochter diesen Job gerne übernehmen.
Da die Assistenz in der Regel keine Pflegeleistungen erbringt, braucht sie keine besondere Ausbildung. Häufig übernehmen Interessenten eine Assistenz als Nebenjob oder sind Rentner*innen. "Nach einem Vorstellungsgespräch und eventuell einem Probetag kann bei mir angefangen werden", sagt Sandra, vorausgesetzt, es passt.
Leben mit Assistenz - man muss zusammenpassen
Wenn Menschen mit Einschränkungen Assistenzen beschäftigen, verbringen sie viel Zeit zusammen. Auch ihre Erfahrungen damit teilen die Speaker*innen, sowie Tipps & Tricks für das Zusammenleben.
"Die Rolle als Chefin fällt mir noch manchmal schwer. Man baut schon eine Bindung auf zur Assistenz, und muss aber gleichzeitig professionell bleiben", sagt Celina. Gesunder Abstand sei wichtig, aber nicht immer einfach zu wahren. Die Entscheidung, ob man jemand Fremdes in seinen Alltag lässt, muss vom Partner mitgetragen werden, der Familie. "Ich finde, Privatsphäre ist die größte Herausforderung, wenn man mit Assistenz lebt", fügt Yassine an.
Und wie sieht die perfekte Assistenz aus? Sie darf keine Berührungsängste haben, da sind sich alle einig. "Ich finde es gut, wenn die Person im gleichen Alter ist wie wir, auf derselben Wellenlänge ist. Wir müssen schon zusammenpassen", ergänzt Celina. "Die Person muss auch ausreichend Zeit haben und es hat viele Vorteile, wenn sie keinen allzu langen Arbeitsweg hat. Wenn dann mal etwas anbrennt, kann sie spontan rüberkommen."
Die andere Seite - als persönliche Assistenz arbeiten
"Für meine Klientin bin ich Hände und Füße", beschreibt Tini ihren Job als persönliche Assistenz. "Ich führe all die Tätigkeiten aus, die sie selbst nicht ausführen kann, da sie im Rollstuhl sitzt - wie Schuhe anziehen, Müll wegbringen oder Milch aus dem Kühlregal holen."
Tini ist Künstlerin und nebenbei nicht nur als Assistenz, sondern auch in der Gastronomie und dem Kulturbetrieb tätig. Berührungsängste habe sie keine, berichtet sie, im Gegenteil: "Meine Klientin und ich, wir begegnen uns auf Augenhöhe. Wir können beide keine Gedanken lesen, offene und ehrliche Kommunikation ist daher das Allerwichtigste. Es hilft auch Akzeptanz, dass nicht jeder Tag perfekt sein muss!"
Informationen für alle, die sich für eine Tätigkeit als persönliche Assistenz für Menschen mit Behinderungen interessieren, finden sich auf den Websites entsprechender Dienstleister und Pflegediente, in vielen Jobbörsen oder auf Plattformen wie Assistenztreff.
Persönliches Budget - wo man sich informieren kann
Der Live-Chat zum Event zeigt: Betroffene haben viele Fragen. Informationen zum persönlichen Budget bzw. zur persönlichen Assistenz finden sich auf der Website des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Fragen beantworten die Experten und Expertinnen am Bürgertelefon des BMAS.
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Über Spinale Muskelatrophie (SMA)
In Deutschland leben schätzungsweise 1.500 Menschen mit spinaler Muskelatrophie (SMA). Die seltene genetische Erkrankung ist durch den Untergang von Motoneuronen im Rückenmark und im unteren Hirnstamm gekennzeichnet, der die Muskulatur nach und nach schwächt.
Austauschplattform für Betroffene
SMAlltalk (www.smalltalk-sma.de) ist die Online-Plattform von Betroffenen für Betroffene. Zweimal im Jahr findet hier die moderierte, virtuelle Patientenveranstaltung "Austausch bewegt" statt, bei der Betroffene sich zu für sie wichtigen Themen austauschen, wie Mobilität und Reisen oder Liebe und Sexualität. Auf der Plattform finden sich zudem zahlreiche Beiträge in unterschiedlichen Rubriken. Das Video-on-Demand zum Online-Event "Empowered Living. Unabhängig leben mit Assistenz" steht demnächst unter diesem Link auf der SMAlltalk-Plattform zur Verfügung.
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Über Biogen
Seit seiner Gründung im Jahr 1978 hat sich Biogen als führendes Unternehmen im Bereich Biotechnologie etabliert. Durch innovative wissenschaftliche Ansätze streben wir danach, bahnbrechende Medikamente zu entwickeln, die das Leben von Patienten positiv beeinflussen und gleichzeitig einen Mehrwert für die Gesellschaft und die Aktionäre des Unternehmens schaffen. Unser tiefgreifendes Verständnis der menschlichen Biologie ermöglicht es uns, vielfältige Methoden einzusetzen, um erstklassige Behandlungen und Therapien zu entwickeln, die herausragende Ergebnisse erzielen. Unser Ansatz besteht darin, Risikobereitschaft und Kapitalrendite in Einklang zu bringen, um langfristiges Wachstum zu erzielen.
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