Sitcom, Golden

«Mid-Century Modern» dreht sich um eine Männerclique um die 50, die beschließt, in Palm Springs zusammenzuwohnen – das erinnert an den in Miami angesiedelten TV-Klassiker «Golden Girls».

22.04.2025 - 05:32:37

Neue Sitcom: Sind die schwulen Golden Girls gut?

Gesellschaftlich relevante, lustige, rührende Geschichten rund um eine Wohngemeinschaft von nicht mehr ganz so jungen Menschen: Das klingt nach der weltweit erfolgreichen Sitcom «Golden Girls» (1985 bis 1992; in Deutschland erst ab 1990). Es passt jetzt aber auch auf das Hulu-Format «Mid-Century Modern», bei dem die WG jedoch nicht aus den Ladys Blanche, Rose, Dorothy und deren Mutter Sophia besteht, sondern aus Bunny, Arthur und Jerry, die mit viel Selbstironie für schwule Stereotype stehen wie Dramaqueen (melodramatische Zicke), Dandy und Dummerchen. 

Seit Karfreitag ist die Sitcom mit zehn Episoden (jeweils um die 20 bis 25 Minuten Länge) beim Streamingdienst Disney+ abrufbar. «Gayer gayht's kaum», möchte man fast sagen - sehr unterhaltsam.

Wer und was?

Als der vierte aus ihrer Clique gestorben ist, denken die schwulen Single-Männer Bunny, Arthur und Jerry über die Vergänglichkeit und den Sinn wahrer Freundschaft nach. Da Bunny sein Haus in Palm Springs nur mit seiner Mutter (Linda Lavin (1937-2024)) teilt, beschließen sie zusammenzuziehen. Den Ladenbesitzer und Unternehmer Bunny spielt Nathan Lane (69, «The Birdcage – Ein Paradies für schrille Vögel»), den flamboyanten Ex-«Vogue»-Mitarbeiter Arthur mimt Nathan Lee Graham (56) und den hübschen Flugbegleiter und Ex-Mormonen Jerry stellt Matt Bomer (47) dar, der in seiner oft arglosen Naivität ein wenig an «Golden Girl» Rose (Betty White) erinnern kann.

Von wem?

Die Serienidee stammt von den «Will & Grace»-Machern Max Mutchnick (59) und David Kohan (61). Regie führte James Burrows (84), ausführender Produzent ist Ryan Murphy (59), der schon Serienhits wie «Glee», «Pose», «Monster: Die Geschichte von Lyle und Erik Menendez» verantwortete.

Wo?

Die Sitcom ist angesiedelt in der kalifornischen Wüstenstadt Palm Springs, die etwa 190 Kilometer östlich von Hollywood liegt. Sie ist als Hochburg und glamouröser Sehnsuchtsort vieler Schwuler bekannt, in Europa etwa vergleichbar mit Maspalomas/Playa del Inglés auf Gran Canaria.

Wieso der Titel?

Der in Palm Springs auffällige Architekturstil wird Mid-Century Modern genannt (Bungalows wie Bauklötze, schnörkellos, ohne streng zu sein, sehr mondän und chic; in Europa oft Nachkriegsmoderne genannt). Von dem Stil leitet sich doppeldeutig der Serienname ab, denn die Ära im 20. Jahrhundert zwischen etwa '47 und '65 passt auch zum Alter der Hauptfiguren.

Wann?

Die Episoden spielen in der Jetzt-Zeit, so ist etwa in einer Folge von der überwundenen Corona-Pandemie die Rede, es geht viel ums Älterwerden, aber auch schwulenspezifische Sorgen wohlhabender mittelalter Männer in den USA (die auch auf Europa passen), etwa um Coming-out-Erinnerungen, Kränkungen im Jugendalter, überspielte Scham, übertriebene Angepasstheit, Dating-Abenteuer, Sex und die Sehnsucht nach einer festen Beziehung bei gleichzeitig großer Skepsis gegenüber der angeblich einen großen Liebe im Leben.

Wie?

Die Sitcom präsentiert eine recht altmodische Art komödiantischen Erzählens. Obwohl für einen Streamingdienst produziert, scheinen die Folgen wie um Werbepausen herum gebaut zu sein. Wie einst in Florida bei den «Golden Girls» werden zwischendurch immer wieder Palmen eingeblendet.

Kritikpunkte

Die Gags sind etwas zu oft forcierte Pointen statt echter Situationskomik aus den Dialogen. Es werden oft Klischees bedient, sei es über Juden, (Bunny Schneiderman und seine Familie) oder schnellen Sex in der Homo-Szene. Außerdem könnte man der Serie eine gewisse Drogenverharmlosung vorwerfen: Ständig wird Alkohol getrunken, auch Ketamin und andere stimulierende Substanzen werden erwähnt. Nervig dürften viele auch die eingespielten Lacher finden, bei denen man froh war, dass es sie in heutigen Produktionen eigentlich nicht mehr gibt.

Highlights

Berührend fügten die Macher in Folge neun den Tod der Schauspielerin Linda Lavin ein, die wunderbar Bunnys Mutter Sybil spielte und während des Drehs mit 87 Jahren starb. Auch die Gaststars sind allesamt bestens besetzt - etwa Rhea Perlman als Sybils gute Freundin, Judd Hirsch als Sybils alter Freund, Pamela Adlon (als Sybils Tochter und Bunnys jüngere Hetero-Schwester Mindy), Richard Kind (als neurotischer Herr, der in Bunny verliebt ist) oder «Modern Family»-Star Jesse Tyler Ferguson als zickiger Modeverkäufer. 

Fazit

Die Selbstverständlichkeit, mit der «Mid-Century Modern» dezidiert schwule Themen und das dazugehörige Vokabular (Grindr, Prä-Expositions-Prophylaxe/PrEP et cetera) verwendet, ist gelungen - und mehr cool als cringe.

@ dpa.de