Leipzig - Die Ko-Produktion „Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher“ von MDR, BR und Spiegel-TV enthüllt bisher unbekannte Strukturen des KZ-Systems, rückt SS-Täter in den Fokus und stellt wissenschaftliche Ergebnisse exklusiv vor - ab sofort in der ARD Mediathek.
19.08.2024 - 15:24:25ARD History Dokumentation und MDR-Podcast: Neue Erkenntnisse zu bisher unbekannten SS-Netzwerken in Mitteldeutschland
Der ARD Mediatheksfilm „Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher“ (MDR/BR in Ko-Produktion mit Spiegel TV) wirft neues Licht auf die Forschung zu NS-Tätern in Mitteldeutschland – anhand eines bisher unveröffentlichten Fotoalbums der nationalsozialistischen Schutzstaffel (SS), dessen über 200 Bilder der weltweit anerkannte Historiker und NS-Forscher Dr. Stefan Hördler entschlüsselt hat.
Dem MDR stehen diese Aufnahmen zur Verfügung, die einen neuen Blick auf die Welt der NS-Täter und des KZ-Systems ermöglichen. Die Dokumentation offenbart, wie stark die mitteldeutsche SS Einfluss auf die Personalentwicklung des KZ-Systems insgesamt nahm.
„Die Recherchen werfen ein völlig neues Licht auf die Bedeutung der mitteldeutschen Netzwerke für das Funktionieren des KZ-Systems“, so Anaïs Roth, die Leiterin der MDR-Redaktion Geschichte und Dokumentationen beim MDR: „Netzwerke, die fast vergessen waren. Allein 16 spätere KZ-Kommandanten haben hier in Mitteldeutschland im KZ Lichtenburg ihre Karriere begonnen. Männer, die später in Buchenwald, Auschwitz oder Flossenbürg das Kommando über Tausende hatten, und deren Karrieren nach Kriegsende oft nicht zu Ende waren. Ein historisches Narrativ, das unbedingt bekannt sein sollte.“
Der Film „Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher“ ist eine Koproduktion des MDR mit BR und Spiegel TV. Autorenschaft und Regie liegen bei Susann Reich und Jobst Knigge. Redaktion hatten Anaïs Roth und Alexander Roth, MDR sowie Andrea Bräu, BR. Sprecher ist der Schauspieler Jonas Nay.
BGH-Urteil erwartet
Die Veröffentlichung findet zu einem hochaktuellen Anlass statt: An diesem Tag soll der Bundesgerichtshofs sein Urteil im so genannten Stutthof-Prozess verkünden. Es geht um die Frage der Mittäterschaft ehemaliger Zivilangestellter im KZ-System. Der Fall der heute 99-jährigen ehemaligen Sekretärin des KZ Stutthof hat weltweit Aufmerksamkeit erregt und liegt zur Revision beim BGH. Dr. Stefan Hördler war in diesem Prozess als historischer Gutachter tätig.
Zum Inhalt der Dokumentation „Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher“
Auf dem schwarzen Einband des Albums steht: „SS-Erinnerungen“. Auf den ersten Blick kaum spektakuläre Dokumente eines Alltags in den frühen Jahren der SS. Ein junger Mann auf dem Feld, beim einem Treffen der SS noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und später beim Dienst in einem der ersten Konzentrationslager. Junge Männer auf weiteren Bildern, keine direkte Gewalt. Was erst die jahrelangen Recherchen von Dr. Stefan Hördler enthüllen: Auf den Fotos sind Männer, ohne die das KZ-System nicht funktioniert hätte und deren Netzwerke – auch und gerade in Mitteldeutschland – Karrieren ermöglichten, die auch nach dem Krieg nicht endeten.
Männer wie Kurt Schreiber, ein Bauernsohn aus der Nähe von Leipzig. SS-Leute wie er haben keine hohen Ränge, sind lediglich höhere Unteroffiziere – aber bekleiden Positionen, die das Fundament des KZ-Systems bilden. Im Album sieht man sie lächelnd, beim Dienst und in der Freizeit, stolz posierend.
Wie kamen sie gleich zu Beginn in die SS und aus welchen Gründen wurden sie zu Tätern in dem mörderischen System? Und wie verliefen ihre Biografien nach Kriegsende?
Der MDR widmet den Recherchen ein umfangreiches Gesamt-Projekt: Im gemeinsam mit dem BR und Spiegel TV produzierten Film Karriere im KZ – Vom Bauernsohn zum NS-Verbrecher stehen der Werdegang der jungen Männer und die Netzwerke, die sie bilden, im Fokus. Dreh und Angelpunkt ist ein heute weitgehend vergessener KZ-Standort, in dem diese Karrieren ihren Anfang nahmen: Die Lichtenburg in Prettin im heutigen Sachsen-Anhalt.
Einblicke in die Recherchen
Um Funktionsweise, Strukturen und Netzwerke innerhalb der SS geht es vertiefend im begleitend entstandenen achtteiligen Podcast der ARD Audiothek „NS-CLIQUEN – Von Menschen und Mördern“. Die 30-jährige Buchautorin und Historikerin Leonie Schöler, die sich erfolgreich auf TikTok und Instagram (@heeylonie) historischen Fragen widmet, spricht mit Dr. Stefan Hördler unter anderem über Frauen, die im KZ Angestellte des öffentlichen Dienstes waren und darüber, welche Wege viele der meist unbekannten Täterinnen nach dem Krieg genommen haben. Gemeinsam tauchen sie tief ein in Themen wie Korruption, Raub, Machtbewusstsein, Liebe und Mord. Der Podcast „NS-Cliquen: Von Menschen und Mördern“ ist eine Produktion des Leipziger Podcast-Spezialisten „Studio Schumann“ im Auftrag des MDR. Autorin Susann Reich, Redaktion Anaïs Roth. Darüber hinaus sind die Recherchen Teil der ARD History Dokumentation. „Das vergesssene Foto-Album der SS“, die im Ersten am 16. September gezeigt wird.
„Diese nie zuvor gezeigten Bilder stellen Täter in den Fokus, die bisher häufig sehr wenig beachtet wurden, die Dokumentation ist schon deshalb von hohem publizistischen Wert“, erklärt Christina Herßebroick, Hauptredaktionsleiterin Gesellschaft der Programmdirektion im MDR: „Wir wissen außerdem um das große Interesse, das gerade junge Menschen zum Thema Nationalsozialismus haben. Sie fragen: Wie wurden ganz normale junge Leute zu Verbrechern – und kann so etwas heute wieder passieren? Die MDR-Hauptredaktion Gesellschaft trägt diesen Fragen mit der Doku, vor allem aber auch mit dem Podcast Rechnung.“
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