Noch ein Tennisball auf dem Platz hätte wohl gereicht.
11.02.2024 - 11:36:48Machtprobe mit Kalkül - Spiel-Abbruch eine Frage der Zeit. Der Protest der Fans gegen den geplanten Investoren-Einstieg bei der DFL verschärft sich weiter. Das Ende des Konflikts scheint offen.
Der erste Spiel-Abbruch in der ersten oder zweiten Fußball-Bundesliga scheint nur noch eine Frage der Zeit. Im weiter eskalierenden Zoff um den geplanten Investoren-Einstieg bei der DFL haben die Fans in den Stadien weitere klare Zeichen einer Machtdemonstration gesetzt.
Noch ein Tennisball mehr auf dem Rasen der Alten Försterei und die Partie des 1. FC Union Berlin gegen den VfL Wolfsburg wäre vorzeitig beendet gewesen. Ähnlich knapp war es diesmal in Mönchengladbach und Hamburg.
Unter Druck will sich die Deutsche Fußball Liga aber nicht setzen lassen. Das machte DFL-Präsidiumsmitglied Axel Hellmann bei Welt TV ebenso deutlich wie die klare Absage an eine neue Abstimmung über den geplanten, eine Milliarde Euro schweren Einstieg eines Investors. «Wenn das bedeutet, dass wir auf einen Spielabbruch zulaufen, dann wird es den geben und dann wird der auch sanktioniert werden müssen», erklärte Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher: «Denn wir können Spielabbrüche im Sinne der Einheitlichkeit, der Wettbewerbsfähigkeit und der Integrität des Fußballs nicht zulassen.»
Insbesondere in Berlin fehlte nicht mehr viel bis zum ersten Abbruch wegen der andauernden Fan-Proteste, nachdem die Partie insgesamt über 30 Minuten unterbrochen worden war. Immer wieder hatten zunächst Union-Anhänger Tennisbälle auf den Rasen geworfen, danach flogen die gelben Filzkugeln aus dem Gästeblock auf den Platz. Von den Rängen brüllten die Fans «Tennisbälle sind kein Verbrechen».
Er habe Verständnis für Proteste und Demonstrationen, sagte Wolfsburgs Trainer Niko Kovac: «Aber ich finde, irgendwann sollten wir schon einen gemeinsamen Weg finden, dass das aufhört.»
Fan-Lager vereint im Kampf gegen die DFL
Doch die Wege scheinen nur mehr und mehr auseinanderzudriften. Es gibt Clubs, die für den Investoren-Einstieg sind, aber auch ein paar, die sich schon öffentlich für eine neue Abstimmung der 36 Profi-Vereine ausgesprochen haben, unter anderem Union Berlin.
Aktionen wie Fadenkreuz-Plakate am Freitagabend bei der Partie von Hannover 96 beim Hamburger SV könnten indes die Atmosphäre auch zwischen Fans und den eigentlichen Hauptdarstellern weiter verändern. «Wir hören immer, der Fußball gehört den Fans», sagte Hannover-Coach Stefan Leitl: «Der Fußball gehört aber auch uns Fußballern. Und wir lieben diesen Sport auch.» Fairer Protest sei okay. «Alles andere bitte nicht mehr in unseren Stadien.»
Zudem stoßen die Proteste der organisierten Fanszene auch bei anderen Anhängern nicht auf uneingeschränkte Zustimmung, wie Sport-Geschäftsführer Simon Rolfes von Tabellenführer Bayer Leverkusen ausgemacht hat. «Es gab auch bei uns gestern viele Fans, die gepfiffen haben. Die nicht verstehen können, dass unterbrochen wird», sagte er mit Bezug auf die Unmutsäußerungen einiger Zuschauer gegen die Störaktionen anderer Fans im Leverkusener Stadion vor allem vor dem Topspiel gegen den FC Bayern.
«Dass man gegen Sachen protestiert, ist freie Meinungsäußerung. Das sollten wir in Deutschland auch tunlichst beibehalten. Aber Spiele zu unterbrechen, ist für mich eine Grenze», erklärte Rolfes in der Sport1-Sendung «Doppelpass».
«Die Botschaft ist sehr, sehr klar und deutlich angekommen»
Die weitere Eskalation war aber vorprogrammiert. Nach einem Gesprächsangebot durch die DFL hatten die organisierten Fans mit einer klaren Stellungnahme reagiert und eine neue Abstimmung über den Einstieg eines Investors als alternativlos bezeichnet. «Es geht vor allem darum, dass die Entscheidung über einen Investor nicht mit Mitgliedern abgestimmt wurde. Da, wo es passierte, weil zufällig eine Jahreshauptversammlung stattfand, wurde es abgelehnt», sagte Jost Peter von der Vereinigung «Unsere Kurve». Wie es weitergehe, liege eindeutig bei der DFL, betonte er auch noch.
In Berlin demonstrierten die Fans, wie weit sie bereit sind zu gehen. Mit Bannern wie «Private-Equity-Heuschrecken ohne Einflussnahme?» oder «DFL-Geprüfte Investoren: Finanziert vom Saudischen Blutgeld» unterstrichen die Fans von Union Berlin ihre Position.
«Die Botschaft ist sehr, sehr klar und deutlich angekommen», betonte Stadionsprecher Christian Arbeit, der auch der Kommunikationschef der Berliner ist, über das Außenmikrofon. In einer weiteren Durchsage sagte er: «Wir sind so, so kurz davor dieses Spiel nicht weiter austragen zu können.»
In der Vorwoche war bereits das Zweitliga-Spiel des HSV bei Hertha BSC länger unterbrochen gewesen, am Mittwoch vergangener Woche das Match der Unioner beim FSV Mainz 05. Die Partie von Borussia Mönchengladbach gegen Darmstadt 98 am Samstag wurde mehrere Minuten gestoppt, zwischenzeitlich wurde auch in Augsburg, wo der FCA gegen RB Leipzig antrat, nicht gespielt.
Die Fans haben den Ball der DFL mit Wucht vor die Füße geschossen, aber noch ein paar Reserven zurückgehalten. Bayern Münchens Vorstandschef Jan-Christian Dreesen hält noch intensivere Fan-Proteste aber nicht für zielführend. Falls es das Ziel Einzelner sei, Spiele mit «unlauteren Mitteln» zu beeinflussen, nehme er dies zur Kenntnis: «Das wird aber nichts ändern an der grundsätzlichen Einstellung der Mehrheit der 36 Bundesligaclubs», sagte er der «Welt am Sonntag».
Neue Abstimmung wäre rechtlich angreifbar
Die Mehrheit, die im vergangenen Dezember für den milliardenschweren Einstieg eines Investors gestimmt hatte, war allerdings denkbar knapp mit der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit ausgefallen. Besonders in den Fokus geraten war dabei Hannovers Mehrheitsgesellschafter Martin Kind, der vom Stammverein angewiesen worden war, dagegen zu stimmen. Ob er dies getan hat, ist unklar.
«Wir haben eine gültige Stimmrechtsvertretung von Martin Kind gehabt. Wir können gar nicht, weil der Beschluss dadurch rechtsgültig geworden ist, einfach sagen, wir stimmen neu ab. Das würde allen anderen Clubs, die daran beteiligt waren, eine rechtliche Möglichkeit geben, gegen eine mögliche Neuabstimmung vorzugehen», sagte DFL-Präsidiumsmitglied Hellmann.