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Göttingen - GÖTTINGEN (mj / jk) - Im Folgenden stellt Kriminaldirektor (KD) Oliver Tschirner in seiner Funktion als Leiter des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeiinspektion (PI) Göttingen die Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 vor.

15.03.2024 - 12:46:42

(105/2024) Polizeiliche Kriminalstatistik 2023 der Polizeiinspektion Göttingen: Straftatenaufkommen gestiegen, Aufklärungsquote in Stadt und Landkreis leicht gesunken

Die Jahresbilanz enthält neben den reinen Fallzahlen auch Statements und Bewertungen zu den ausgewählten Deliktsfeldern, mit denen sich die Ermittler im zurückliegenden Jahr in Stadt und Landkreis Göttingen befasst haben. Drei Grafiken sind als Anlage beigefügt.

Die Polizeikommissariate (PK) Bad Lauterberg, Duderstadt, Hann. Münden und Osterode werden ggf. in den kommenden Tagen für ihren lokalen Bereich die Medien informieren.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) 2023 für Stadt und Landkreis Göttingen im Detail:

Gesamtstraftaten

Im Jahr 2023 verzeichnet die PI Göttingen eine Kriminalitätsrate von 24.286 Straftaten, was einen Anstieg gegenüber den 21.454 Delikten des Jahres 2022 darstellt. Die Kriminalitätshäufigkeit, gemessen an Taten pro 100.000 Einwohner, ist auf 7.467 gestiegen (2021: 6.403, 2022: 6.674). Der Zuwachs um 2.832 Straftaten (ein Plus von 13,17 % im Vergleich zum Vorjahr) ist vor allem auf eine Zunahme bei Delikten des einfachen und schweren Diebstahls, insbesondere Fahrraddiebstahl, sowie Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (darunter fallen u. a. Delikte im Rahmen der sexualisierten Gewalt gegen Kinder und Jugendliche), Vergehen gegen die persönliche Freiheit (Nötigung, Bedrohung und Stalking) sowie Widerstandshandlungen/Gewalt gegen Kräfte des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und Polizei zurückzuführen. Ebenso trägt der fortgesetzte Anstieg von Fällen häuslicher Gewalt zu dieser Entwicklung bei.

Aufklärungsquote

Die Aufklärungsquote der PI Göttingen betrug im Berichtsjahr 2023 58,84 %. Sie liegt damit, wie aufgrund des nicht unerheblichen Fallzahlenanstiegs zu erwarten war, unter dem landesweiten Durchschnitt von 62,51 %. Der PI-Vorjahreswert von 61,75 % konnte nicht aufrechterhalten werden.

"Der Anstieg der Straftatenzahl und die daraus resultierende Verringerung der Aufklärungsquote hängen teilweise mit den deutlichen Zuwächsen bei den Delikten im Bereich des Fahrraddiebstahls sowie auf die herausfordernden Ermittlungsbedingungen in diesem Sektor zusammen", sagt KD Tschirner.

Häusliche Gewalt

Im Bereich der PI Göttingen ist eine kontinuierliche Zunahme der Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt zu verzeichnen. 2023 wurden insgesamt 1.282 Vorfälle in diesem Deliktsfeld bearbeitet, verglichen mit 1.215 im Vorjahr. Diese Zunahme ist zum einen auf die im Jahr 2021 erweiterte Definition von häuslicher Gewalt zurückzuführen, jedoch auch auf die Tatsache, dass die Möglichkeit der Onlineanzeigen genutzt werden kann, wenn aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse die betroffenen Frauen nicht die Möglichkeiten haben persönliche Anzeigen zu erstatten.

Im Rahmen der erweiterten Definition "Häusliche Gewalt", fallen unter diesen Begriff nicht nur Gewalttaten zwischen Partnern (780 Delikte, im Vorjahr 695), sondern auch innerfamiliäre Gewalt (347 Delikte, im Vorjahr 349) sowie Delikte ohne direkte Opfer (176 Delikte, im Vorjahr 188), wie etwa Diebstähle innerhalb der Familie. "Frauen sind weiterhin als Opfer überrepräsentiert. Dies spiegelt wahrscheinlich auch die noch vorherrschende Scham bei der Anzeigenerstattung von männlichen Opfern wieder", so Oliver Tschirner.

In der PI Göttingen wurde im Jahr 2023 ein Delikt als Hochrisikofall eingestuft. Ein solcher liegt immer dann vor, wenn z. B. Frauen und ihre Kinder sich subjektiv einer schweren oder sogar tödlichen Gefahr durch ihren (Ex-)Partner ausgesetzt sehen und wenn konkrete Hinweise auf diese Bedrohung bei den zuständigen Behörden und Institutionen vorliegen, die auf wiederholte schwere Bedrohungen hindeuten.

"Häusliche Gewalt ist absolut inakzeptabel und darf auch unter Beachtung ethnischer Grundprinzipien unter keinen Umständen geduldet werden. Die intensive, interdisziplinäre Bekämpfung dieser Delikte bleibt eine zentrale Aufgabe der Polizei und steht auch im Jahr 2024 im Mittelpunkt unserer kriminalistischen Arbeit. Die Sicherheit im Handeln der Polizeikräfte sowie die intensive Kooperation mit allen festgelegten Netzwerkpartnern spielen weiterhin, wie entsprechende Gewaltprävention, eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung dieser Taten", betont Kripochef Tschirner.

Dazu Tanja Wulff-Bruhn, Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Göttingen:

"Die Entwicklung der Straftaten im Kontext Häuslicher Gewalt steht nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie und ihren Einschränkungen im besonderen Fokus der Polizei. Der Schutz der Opfer hat für die polizeiliche Bearbeitung oberste Priorität. Dieser Stellenwert kommt auch in der landesweiten Handreichung zu diesem Thema zum Ausdruck. Wir haben nun ein einheitliches Hochrisikomanagement und die Verfahrensweisen sind niedersachsenweit nun standardisiert. Unser Netzwerk aus vielen verschiedenen Akteurinnen und Akteuren aus Polizei, Kommunen und Opferhilfe soll außerdem in Zukunft dazu beitragen, dass wir möglichst früh tätig werden und Hilfe anbieten und im besten Fall Straftaten verhindern können."

"Als hilfreiche Maßnahme in der Bekämpfung der häuslichen Gewalt erweist sich die Online-Wache, durch die Opfer die Möglichkeit haben, Strafanzeige zu erstatten, auch wenn sie ihr Haus nicht verlassen können oder dürfen."

"Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen sich in den eigenen vier Wände unsicher und ausgeliefert fühlen müssen. Neben der konsequenten Strafverfolgung dieser Taten wird die Abwehr von Gefahren und der Schutz der Opfer auch in Zukunft fortlaufend ein besonderer Schwerpunkt in unserer Arbeit sein. Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern eine schwere Kriminalitätsform, die es mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu bekämpfen gilt."

Tötungsdelikte

Im Laufe des Jahres 2023 registrierte die Polizei in Stadt und Landkreis Göttingen insgesamt sieben Tötungsdelikte, inklusive drei versuchter Taten, was der Anzahl des Vorjahres entspricht.

KD Tschirner gibt an: "Die Einrichtung einer Mordkommission war in einem Fall unumgänglich, da sich der Hauptverdächtige seiner Festnahme entzogen hat und vermutlich ins benachbarte Ausland geflohen ist. Ein entsprechender Haftbefehl ist ausgestellt."

Insgesamt konnten die Ermittlungsteams alle Fälle lückenlos aufklären. Es wurde ein Verfahren wegen vollendeten Totschlags (nach § 212 StGB) eingeleitet, während in drei Fällen wegen versuchten Totschlags ermittelt wurde. Bei den restlichen drei Vorfällen ging es um fahrlässige Tötung (gemäß § 222 StGB) im Zusammenhang mit Aufenthalten in einer Klinik. Die polizeilichen Ermittlungen zu allen diesen Taten sind vollständig abgeschlossen.

Beispiele Tötungsdelikte:

Stichwort "Messerangriffe"

Trotz des grundsätzlichen Rückgangs von Messerangriffen in der PI Göttingen (von 106 im Jahre 2022 auf 97 im Jahr 2023), sind in drei der vier geschilderten Fälle Messer zum Einsatz gekommen.

Polizeipräsidentin Tanja Wulff-Bruhn:

"Das Phänomen Messerangriff scheint weiter an Bedeutung zu gewinnen. Messer jedweder Art sind in jedem Haushalt verfügbar oder in aller Regel erlaubnisfrei zu erwerben. Das erklärt, warum diese Gegenstände mitgeführt und im Zweifel auch gegen Menschen gerichtet werden. Ein derartiges Verhalten ist selbstverständlich hochgradig verwerflich und strafbar und wirkt sich zudem auf das Sicherheitsgefühl der Menschen an öffentlichen Orten aus - das darf nicht sein. In diesem Kontext ist die Prüfung und Einrichtung von Waffenverbotszonen an besonders in den Fokus gerückten Orten zu befürworten. In der Polizeidirektion Göttingen wird dies bereits geprüft."

Stichwort "Ermittlungen im digitalen Raum"

Ermittlungen im "digitalen Raum" gewinnen auch im Zusammenhang mit Tötungsdelikten immer mehr an großer Bedeutung. Im erstgenannten Sachverhalt, in dem es zur vorsätzlichen Tötung einer männlichen Person im Zuge von Streitigkeiten unter LKW- Fahrern kam, konnte die Tat mit Hilfe des IT- Einsatzes zu einem schnellen Abschluss gebracht werden.

Dazu Behördenleiterin Wulff-Bruhn:

"Wie ein Fall aus der PI Göttingen aus dem vergangenen Jahr belegt, ist dieser Schritt richtig und erfolgreich: Durch die Analyse von GPS-Daten eines Fahrzeugs und die Sicherung einer Videoüberwachung konnte ein Morddelikt aufgeklärt und die Täter identifiziert werden. Hieran wird deutlich, dass der Einsatz von IT-Spezialistinnen und -Spezialisten sowie KI-basierten Programmen als wertvolles Instrument zur Unterstützung und weiteren Professionalisierung polizeilicher Ermittlungen auch zukünftig vorangetrieben werden muss, um dem polizeilichen Gegenüber den entscheidenden Schritt voraus zu bleiben," so die Behördenleiterin.

Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche

Im Jahr 2023 verzeichnete die PI Göttingen 226 Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, ein Anstieg gegenüber den 184 Fällen des Vorjahres. In den letzten fünf Jahren wurde bereits ein kontinuierlicher Anstieg in diesem Deliktbereich festgestellt: Während im Jahr 2018 noch 38 Straftaten gemeldet wurden, stieg die Zahl im Jahr 2019 auf 59 und erreichte im Jahr 2020 bereits 118 Fälle in Stadt und Landkreis Göttingen.

Als Ursache für diese Entwicklung wird weiterhin eine Zunahme der Anzeigebereitschaft und der Hinweise, auch auf internationaler Ebene, gesehen. Insbesondere werden weiterhin Verdachtsfälle von Kinderpornografie von der US-amerikanischen Organisation NCMEC (National Centre for Missing and Exploited Children) an das deutsche Bundeskriminalamt und folgend an das Landeskriminalamt Niedersachsen weitergeleitet. Von dort erfolgt letztlich, nach Einbindung der sachleitenden Staatsanwaltschaft Hannover, die Verteilung in die Polizeidirektionen und letztlich der Inspektionen.

"Die Bekämpfung gerade dieses Phänomenbereiches stellt die Polizei auch weiterhin vor sehr große Herausforderungen. Der priorisierte Personaleinsatz und der Rückgriff auf alle verfügbaren Ressourcen ist jedoch aufgrund der Abscheulichkeit der Tatbestände alternativlos", führt KD Tschirner hierzu aus.

Behördenleiterin Tanja Wulff-Bruhn:

"Besondere Sorge bereitet mir der weiterhin anhaltende massive Anstieg der Delikte im Kontext der Kinder- und Jugendpornografie. Viele dieser Fälle gehen auf das National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) in den USA zurück, die Straftaten auf nordamerikanischen Servern aufdecken und an die deutschen Ermittlungsbehörden, und damit auch an die Polizeidirektion Göttingen, weitergeben. Das Internet bleibt damit das beherrschende Medium zur Verbreitung von Kinder- und Jugendpornografie. Mit dieser Entwicklung gehen für die Polizei ein deutlich höherer Ermittlungsaufwand und so auch ein steigender Einsatz personeller und technischer Ressourcen einher. Für die ermittelnden Kolleginnen und Kollegen bedeutet dies eine starke psychische Belastung. Umso dankbarer bin ich den Mitarbeitenden für ihr herausragendes persönliches Engagement, durch das wir auf eine hohe Zahl an aufgeklärten Fällen blicken dürfen. Es ist von besonderer Bedeutung, dass wir unsere Technik immer auf dem aktuellen Stand halten. Das setzt voraus, dass die entsprechenden Mittel dafür nicht nur einmalig zur Verfügung stehen. Darüber hinaus müssen wir einen Weg finden, wie wir künftig mit der Verarbeitung, Speicherung und Auswertung der Massendaten umgehen und einen professionellen Datenaustausch mit der Justiz gewährleisten."

"Über die Fälle des US-amerikanischen National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC) hinaus, spielt auch die Verbreitung pornografischer Inhalte im Privaten in die Statistik mit ein. Junge Menschen teilen im privaten Umfeld immer häufiger pornografisches Material auf Social Media-Plattformen oder über Messengerdienste, aber nicht aus einer sexuellen Neigung heraus und oftmals nicht in dem Wissen, dass sie sich dadurch strafbar machen. Hier muss unsere Prävention ansetzen - Kinder, Jugendliche und Heranwachsende müssen wissen, welche Konsequenzen ihr Handeln haben kann."

Wohnungseinbrüche

Im Jahr 2023 blieb die Zahl der Wohnungseinbrüche in der PI Göttingen mit 214 Fällen auf einem Niveau, das sich im Vergleich zu den Vorjahren nahezu kaum verändert hat.

Seit dem Beginn der Pandemie im Jahr 2020 (314 Fälle) ist folgend eine Stabilisierung der Fallzahlen zu beobachten (2021: 221 Fälle, 2022: 209 Fälle).

Kriminaldirektor Tschirner erläutert mögliche Gründe für diese Entwicklung: "Die fortgesetzte Praxis des Homeoffice führt dazu, dass Wohnungen seltener unbeaufsichtigt sind. Zudem könnten verstärkte Sicherheitsmaßnahmen, polizei-präventive Aktionen sowie die Verdrängung krimineller Klientel aus bestimmten Gebieten zu dieser Konstanz beitragen."

Polizeipräsidentin Wulff-Bruhn:

"Für Betroffene sind Einbruchsdiebstähle besonders belastend, weil sie gleichbedeutend mit einem Eindringen in den höchstpersönlichen Lebensbereich sind. Deshalb unterliegt diese Deliktsgruppe auch einem besonderen Monitoring der Polizeidirektion Göttingen. Hier gilt es vor dem Hintergrund der steigenden Zahl der Delikte, die vor der Pandemie eingeführten Kontrollmaßnahmen weiter zu intensivieren und an der länder- und staatenübergreifenden Zusammenarbeit festzuhalten. Eine große Bedeutung haben in diesem Kontext auch unsere Präventionsmaßnahmen: Sensibilisierte Bürgerinnen und Bürger, die ihre Häuser nach dem aktuellen Stand der Technik sichern, sowie aufmerksame Nachbarinnen und Nachbarn sind der beste Schutz gegen Einbrecher. Unsere bisherigen Maßnahmen zeigen Wirkung: Die Polizeidirektion Göttingen weist die zweitniedrigste Fallzahl landesweit auf. Die Aufklärungsquote wurde gesteigert und liegt damit über dem Landesdurchschnitt."

Fahrraddiebstahl

In der PI Göttingen hält der deutliche Anstieg bei Fahrraddiebstählen auf 2.599 Taten an.

Mit einem Zuwachs von 774 Delikten (42 %) im Jahr 2023 im Vergleich zu den 1.825 Fällen im Vorjahr, ist hier eine erhebliche Zunahme zu verzeichnen.

Besonders betroffen sind Eigentümer von E-Bikes. Der finanzielle Schaden hat sich im Jahr 2023 auf über 3,8 Millionen Euro erhöht, gegenüber 2,1 Millionen Euro im Jahr 2022. Als Reaktion darauf hat die PI Göttingen zunächst eine eingerichtete Ermittlungsgruppe weitergeführt und darauf aufbauend eine Sonderkommission zur Bekämpfung dieses Deliktbereichs etabliert, die sich weiterhin intensiv dieser Herausforderung widmet.

"Die Thematik des Fahrraddiebstahls bleibt auch im Jahr 2024 ein zentraler Schwerpunkt unserer Ermittlungen", erklärt KD Tschirner. "Nach unseren Erkenntnissen werden auch die derzeit besten Schlösser für hochpreisige Fahrräder weiterhin in kürzester Zeit mittels technischer Gerätschaften aufgebrochen und so in Sekunden das Fahrrad entwendet. Leider ist die Stadt Göttingen als Fahrradstadt bundesweit die Nummer eins in diesem Deliktsbereich. Die mediale Berichterstattung sensibilisiert die Menschen natürlich auch dahingehend, eigene Präventionsmaßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus stehen wir in stetigem Kontakt mit unseren Partnern in den Sicherheitsnetzwerken, um präventive Strategien, wie zum Beispiel technische Sicherheitslösungen, zu stärken - ein Beispiel hierfür sind z.B. Fahrradgaragen an Bildungseinrichtungen."

Rauschgiftkriminalität

Grundsätzlich kann, zusammengefasst in allen Bereichen der Drogenkriminalität, nach einem Rückgang der Delikte von 1.760 Fällen im Jahr 2021 auf 1.545 im darauffolgenden Jahr ein erneuter, leichten Anstieg auf 1594 Vorfälle im Jahr 2023 beobachtet werden. Dieser Trend lässt sich durch intensivierte Überwachungs- und Kontrollaktionen im Zusammenhang mit der sogenannten "Holkriminalität" nachvollziehen.

Die Quote der aufgeklärten Fälle bleibt mit über 91% für diese Art von Vergehen weiterhin auf einem sehr hohen Niveau. Nach einem Höchststand der Verstöße im ausschließlichen Zusammenhang mit Cannabisprodukten im Jahre 2021 von 1.051 Delikten, verzeichnet die PI Göttingen entgegen dem Trend nunmehr sogar einen Rückgang auf 970 Taten im Jahr 2023.

"Angesichts der aktuellen politischen Diskussionen über eine Legalisierung im Bereich der Betäubungsmittel, insbesondere was den Besitz von Cannabisprodukten angeht, steht die Bekämpfung dieser Delikte im Jahr 2024, mit Stand heute, vor bedeutenden Veränderungen. Die konkreten Auswirkungen auf die zukünftige Arbeit der Polizei sind momentan Gegenstand von lediglich Vermutungen. Eine zeitnahe politische Erklärung und damit einhergehende Rechtssicherheit ist zur weiteren Verfahrensweise, gerade mit Blick auf den Kinder- und Jugendschutz, unabdingbar", sagt Tschirner.

Dazu Behördenleiterin Tanja Wulff-Bruhn:

"Während die Drogendelikte insgesamt leicht rückläufig waren, sind insbesondere die Fallzahlen im Bereich Besitz und Erwerb von Cannabis leicht angestiegen. Damit müssen wir auch in unserem Zuständigkeitsbereich von einem großen Markt und einer hohen Verfügbarkeit der Droge für alle Altersstufen ausgehen. Ungeachtet dieser Entwicklung teilen wir als Polizei die Ansicht, dass das derzeit in Rede stehende Gesetz zur Legalisierung von Cannabis nicht praxistauglich ist und unsere Beamtinnen und Beamte mit der Umsetzung erhebliche Probleme haben werden. Daneben betonen wir ausdrücklich, dass Cannabis eine für Kinder und Jugendliche gefährliche Droge ist, die nicht unterschätzt oder verharmlost werden darf. Dem Jugendschutz muss daher eine besondere Bedeutung beigemessen werden - und das sehen wir bei dem aktuellen Gesetzesvorhaben nicht."

Sprengung von Geldausgabeautomaten

Im Bundesgebiet und auch in der PI Göttingen kommt es weiterhin zu nächtlichen Sprengungen von Geldautomaten. Die Kriminellen, die diese Taten begehen, haben es auf große Geldsummen abgesehen, die oft im sechsstelligen Bereich angesiedelt sind.

In Göttingen wurde im vergangenen Jahr eine Sprengung registriert, im Gegensatz zu zwei Taten im Jahr 2022. Weitere Versuche blieben in 2023 aus, während im Vorjahr noch drei zu verzeichnen waren.

Trotz eines Rückgangs der Fallzahlen bleibt die Gefährlichkeit dieser Verbrechen hoch, da die Täter mit großer Professionalität und ohne Rücksicht auf Verluste agieren. Dabei nehmen sie schwere Sach- und Gebäudeschäden sowie potenzielle Personenschäden durch das Einleiten und Entzünden von Gas oder Gasgemischen in Kauf.

KD Tschirner zeigt sich besonders besorgt über den Einsatz von festen Sprengstoffen: "Die Verwendung solcher Sprengmittel beobachten wir mit ernster Sorge, da sie zu noch schwerwiegenderen Schäden an der Bausubstanz führen können und im schlimmsten Fall auch das Leben Unbeteiligter gefährden."

Straftaten zum Nachteil älterer Menschen (SÄM)

Senioren werden aufgrund verschiedener Umstände immer häufiger zur Zielscheibe gewiefter Betrüger. Im Verlauf des Jahres 2023 wurden in diesem Sektor insgesamt 116 vollendete Taten und 1.019 Betrugsversuche (im Vergleich zu 112/1.315 im Jahr 2022) von der PI Göttingen erfasst. Somit scheiterten im vergangenen Jahr 90 % der Fälle bereits im Anfangsstadium (2022 waren es 92 %).

Der Gesamtschaden, der durch diese Delikte in Stadt und Landkreis Göttingen verursacht wurde, beläuft sich auf etwa 1.276.000 Euro, was eine deutliche Steigerung im Vergleich zu den 702.360 Euro des Vorjahres darstellt.

"Trotz erheblicher Bemühungen in Präventionsmaßnahmen in diesem Bereich, auch unter Mitwirkung von Banken und Sparkassen, werden immer noch viele, gerade ältere Mitmenschen, Opfer dieser perfiden Betrugsmasche. Leider scheinen wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Methoden nicht alle potentiellen Opfer erreichen zu können", gibt Oliver Tschirner hierzu an.

Gewalt gegen Kräfte des Rettungsdienstes, der Feuerwehr und Polizeivollzugsbeamte

Im Jahr 2023 wurden im Bereich der Gewalt gegen Polizeikräfte 180 Vorfälle registriert, ein leichter Anstieg gegenüber den 173 Fällen des Vorjahres. Bei diesen Übergriffen wurden insgesamt 456 Polizistinnen und Polizisten zu Opfern. Zu den erfassten Gewalttaten zählen neben Bedrohungen und Körperverletzungen auch Widerstandshandlungen und tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte. Zudem gab es 15 Angriffe auf Rettungsdienstpersonal, wobei vier Feuerwehrangehörige und 23 Rettungsdienstmitarbeiter betroffen waren - eine erneute Zunahme im Vergleich zu den 14 Angriffen im Jahr 2022.

Kripochef Tschirner äußert sich entschieden zu dieser Entwicklung: "Dieser Anstieg der Gewalt ist absolut inakzeptabel. Wir reagieren darauf unter anderem mit verstärkten Schulungsmaßnahmen und der Ausstattung unserer Einsatzkräfte mit technischen Hilfsmitteln wie Bodycams, um sowohl die Beweissicherung als auch den Schutz der Beamten zu verbessern. Der Jahreswechsel 2023/2024 hat uns abermals verdeutlicht, dass die Herausforderungen innerhalb der Gesellschaft zunehmen. Dennoch darf ein, vom Grundes seiner Bedeutung her, friedlicher Jahresbeginn nicht mit 38 verletzten Polizeibeamten beginnen."

Polizeipräsidentin Wulff-Bruhn:

"Der Schutz von Leib und Leben bleibt die wichtigste Aufgabe der Polizei, unabhängig davon, ob die Zahl der Straftaten in diesem Bereich steigt. Hierzu zählt vor dem Hintergrund einer steigenden Gewaltgeneigtheit auch der Schutz der Kolleginnen und Kollegen, die sich täglich für ihre Mitmenschen einsetzen. Nicht nur die Ereignisse der Silvesternacht 2022/2023 haben gezeigt, dass unsere Beamtinnen und Beamten immer wieder Opfer von Gewaltdelikten in all ihren Erscheinungsformen werden, zuletzt auch beim letzten Jahreswechsel 2023/2024, bei dem es auch in unserem Zuständigkeitsbereich zu Angriffen auf Einsatzkräfte gekommen ist. Gewalt gegen Einsatzkräfte ist aber keinesfalls ein reines Silvesterphänomen."

"Die Entwicklung von Gewalt gegen Polizei und Rettungskräfte gibt weiterhin Anlass zur Besorgnis, weil mit diesen Angriffen Menschen verletzt werden, deren Aufgabe darin besteht, die Bürgerinnen und Bürgern in teilweise extremsten Notlagen zu helfen und das häufig unter Einsatz der eigenen Gesundheit. Allein im vergangenen Jahr wurden in der Polizeidirektion Göttingen 72 Kolleginnen und Kollegen verletzt, 19 davon so schwer, dass sie an 209 Tagen ihren Dienst für die Bürgerinnen und Bürgern nicht versehen konnten. Darüber hinaus wurden in 41 Fällen Sanitäter und Feuerwehrleute Opfer von Angriffen. Wir werden weiterhin alles daransetzen, unsere Kolleginnen und Kollegen vor derartigen Übergriffen zu schützen. Dieses sozialschädliche Verhalten ist völlig inakzeptabel und muss auch zukünftig gesamtgesellschaftlich verurteilt und strafrechtlich konsequent verfolgt werden."

Gewaltdelikte

Im Berichtsjahr 2023 wurden in der PI Göttingen 794 (2022:778, 2021:633, 2020:706) Gewaltdelikte verzeichnet. "Gewaltkriminalität" umfasst u. a. die Deliktsbereiche: Mord, Totschlag, Tötung auf Verlangen, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und sexueller Übergriff im besonders schweren Fall einschl. mit Todesfolge, Raub, räuberische Erpressung und räuberischer Angriff auf Kraftfahrer, Körperverletzung mit Todesfolge, Gefährliche und schwere Körperverletzung.

Darunter fallen somit neben den bereits dargestellten vorsätzlichen Tötungsdelikten, u. a. 725 gefährliche und schwere Körperverletzungen (2022: 717), 44 Vergewaltigungen (2022: 54) und 169 Raubdelikte (2022:148)

Bei den Gewaltdelikten handelt es sich mit 66 % der Tatverdächtigen um ein männlich dominiertes Phänomen. Rund 60 % der Beschuldigten sind über 21 Jahre alt.

Behördenleiterin Tanja Wulff-Bruhn:

"Die Zahlen zeigen leider, dass der besorgniserregende Trend, Gewalt als legitimes Mittel der Auseinandersetzung anzusehen, ungebrochen ist. Dem stellen sich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei entschieden entgegen. Gewalt in jedweder Form wird nicht toleriert, sondern konsequent verfolgt und bestraft. Zudem werden wir die Präsenz der Polizei in der Öffentlichkeit nicht zurückfahren, um den Bürgerinnen und Bürgern weiterhin ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten."

Kinder- und Jugendkriminalität

Im Jahr 2023 ist die Gesamtzahl der bekannt gewordenen Straftaten auf 1.393 Fälle angestiegen, was einem Zuwachs von 9,9 % gegenüber den 1.267 Fällen im Jahr 2022 entspricht. Bei den tatverdächtigen Kindern konnte eine leichte positive Entwicklung von -1,3 % verzeichnet werden, mit einem Rückgang von 291 Fällen im Jahr 2022 auf 287 Fälle im Jahr 2023. Bei den Jugendlichen hingegen setzt sich der Anstieg der Tatverdächtigenzahlen, wenn auch in abgeschwächter Form, mit einem Zuwachs von 13 % (2023: 1.106, 2022: 976, 2021: 777) weiter fort.

Die während der Jahre 2020 und 2021 geltenden Kontaktbeschränkungen, die Schließung des Einzelhandels und das Fehlen von Freizeitangeboten hatten zunächst zu einem Rückgang bei Körperverletzungs- und Diebstahlsdelikten geführt. Mit dem späteren vollständigen Wegfall dieser Maßnahmen stiegen die Straftaten in diesen Bereichen jedoch wieder deutlich an und erreichten teilweise das Niveau vor der Pandemie. Dies spiegelt sich insbesondere in den gestiegenen Zahlen der Diebstahlsdelikte bei Jugendlichen wider (2023: 318 Taten, 2022: 273, 2021: 163). Erfreulicherweise zeigt sich ein Rückgang der einfachen Diebstähle bei den tatverdächtigen Kindern (2023: 97, 2022: 158, 2021: 77).

Die registrierten Zahlen der Roheitsdelikte (Kinder: 2023: 83; 2022: 81) (Jugendliche: 2023: 223; 2022: 247) (umfasst alle Raub, Körperverletzungsdelikte sowie Bedrohung, Nötigung etc.) stagnieren auf dem Vorjahresniveau bzw. lassen im Bereich der Jugendlichen sogar einen erfreulichen Abwärtstrend erkennen.

"Dennoch können uns diese Zahlen nicht in Gänze erfreulich stimmen", so KD Tschirner. "Das es immer wieder zu äußerst gewalttätigen Auseinandersetzungen unter Kindern und Jugendlichen kommt, muss weiterhin ein alarmierendes Warnsignal sein. Hier kann die Polizei jedoch nicht den Erziehungsauftrag des Elternhauses kompensieren, um Konfliktlösungsmöglichkeiten außerhalb einer Gewaltspirale anzubieten. Hier ist bereits im frühkindlichen Alter, auch unter Zuhilfenahme aller Präventionsangeboten, auf eine entsprechende Sozialisierung hinzuarbeiten."

Polizeipräsidentin Tanja Wulff-Bruhn:

"Der Trend einer sinkenden Hemmschwelle und einer höheren Gewaltbereitschaft ist erschreckenderweise schon bei den Kleinsten in unserer Gesellschaft zu erkennen. Ein Unterschied zwischen urbanen und ländlichen Regionen in unserem Zuständigkeitsbereich lässt sich nicht feststellen - beide sind gleichermaßen von diesem Phänomen betroffen, wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung. Generell stellen wir fest, dass jungen Menschen zunehmend die Fähigkeit abhandenkommt, Problemlösungsstrategien anzuwenden und sie stattdessen vermehrt auf die Anwendung von Gewalt setzen - und das über die typischen Grenzüberschreitungen von Heranwachsenden hinaus. Ob es sich dabei um einen Corona-Nachholeffekt oder um einen Trend handelt, muss nun genau beobachtet werde. Klar ist jedoch, dass Präventions- und Aufklärungsarbeit hier ansetzen muss - eine Aufgabe, die die Polizei jedoch allein nicht bewältigen kann und die ein gesamtgesellschaftliches Engagement im Schulterschluss aller Beteiligten erfordert. Dennoch gilt: Prävention hat bei uns einen hohen Stellenwert, wir möchten Straftaten verhüten und es gar nicht erst so weit kommen lassen. Wenn doch, werden wir die Taten aber auch konsequent verfolgen."

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