Ampel, Union

Wie weiter mit dem Bundeshaushalt? Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist diese Frage bislang noch völlig offen.

23.11.2023 - 04:40:43

Ampel und Union für rasches Ende der Haushaltskrise. Kanzler Scholz gibt sich dennoch gewohnt optimistisch.

Die Ampel-Koalition und die Union wollen die durch ein Verfassungsgerichtsurteil entstandene Haushaltskrise rasch entschärfen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rechnet damit, dass die Beratungen für den Haushalt 2024 zügig abgeschlossen werden, obwohl die für Donnerstag anberaumte finale Sitzung des Haushaltsausschusses zum Etat 2024 verschoben worden war.

Die Union forderte für die kommende Woche eine Regierungserklärung des Kanzlers. Auch erklärte sich die Partei «angesichts der gebotenen Eile» zu einer Videokonferenz des Ältestenrates des Parlaments noch in dieser Woche bereit, um das weitere Vorgehen zu erörtern.

Das Bundesverfassungsgericht hatte in der vergangenen Woche die Umwidmung von 60 Milliarden Euro im Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Das Geld war als Corona-Kredit bewilligt worden, sollte aber nachträglich für den Klimaschutz und die Modernisierung der Wirtschaft eingesetzt werden. Zugleich entschieden die Richter, der Staat dürfe sich Notlagenkredite nicht für spätere Jahre auf Vorrat zurücklegen. Dies hat zur Folge, dass weitere Milliardensummen für Zukunftsvorhaben gefährdet sind.

Da die genauen Auswirkungen auch auf den regulären Haushalt noch unklar sind, entschied das Finanzministerium, vorsorglich bestimmte Zusagen aller Ministerien für kommende Jahre im Haushalt zu sperren. Am Mittwoch wurde zudem die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses abgesagt, in der letzte Hand an den Haushalt 2024 gelegt werden sollte.

Scholz: An Sozial- und Klimapolitik festhalten

Scholz sagte am Mittwochabend nach einem Treffen mit der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni: «Der Respekt vor dem Parlament bedeutet, dass nicht die Regierung ansagt, wann das Parlament genau einen Abschluss findet, aber das soll sehr zügig und sehr zeitnah erfolgen und das kann auch zügig und zeitnah erfolgen.»

Scholz betonte, dass die Ampel an ihren Plänen in der Sozial-, Klima- und Wirtschaftspolitik festhalten will. Konkret sprach er von der Weiterentwicklung des Sozialstaates, der Modernisierung der Volkswirtschaft und ökologischen Transformation. Diese sei wichtig für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und den Schutz des Klimas.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil warnte vor vor überhasteten Schritten bei der Verabschiedung des Haushalts 2024. «Lieber eine Woche, zwei Wochen länger drüber reden und die richtigen Entscheidungen treffen, als dass man jetzt zu schnell handelt und nachher dann vielleicht doch Fehler macht», sagte Klingbeil am Vorabend im ZDF-«heute journal». Natürlich wolle auch er, dass der Etat schnell verabschiedet werde. Ähnlich äußerte sich Helge Braun (CDU), der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, in den ARD-«Tagesthemen».

Union schreibt an Kanzleramt und Bundestagspräsidentin

Die Union verlangte von Scholz eine rasche Regierungserklärung zur aktuellen Haushaltskrise. «Aus der Haushalts- und Koalitionskrise droht eine Vertrauenskrise in die Handlungsfähigkeit unseres Staates zu werden», heißt es in einem der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in Berlin vorliegenden Brief des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion, Thorsten Frei, vom Mittwoch an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD). «Um dies abzuwenden, braucht es endlich Klarheit und Wahrheit seitens der Bundesregierung.» Nachdem die nächste Bundestagssitzung für den 28. November einberufen worden sei, rege die Unionsfraktion an, diesen Termin zur Abgabe einer Regierungserklärung zu nutzen, schrieb Frei.

In einem weiteren der dpa ebenfalls vorliegenden Brief an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) fordert Frei eine zeitnahe Sitzung des Ältestenrates des Parlaments, um das weitere Vorgehen rechtzeitig vor der am Montag beginnenden nächsten Sitzungswoche zu erörtern. Die Unionsfraktion sei «angesichts der gebotenen Eile» bereit, die Sitzung noch im Laufe der Woche per Videokonferenz durchzuführen. Mit der Absage der Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses an diesem Donnerstag seien die eigentlich kommende Woche geplanten Haushaltsberatungen «faktisch ausgeschlossen» und der Ablauf der Sitzungswoche unklar.

Warnung vor Schreddern des Sozialstaates

Gewerkschaften und Sozialverbände warnten eindringlich vor Kürzungen im Sozialbereich wegen der aktuellen Haushaltskrise. «Wer glaubt, politisch punkten zu können, indem er Sozialpolitik gegen Zukunftsinvestitionen ausspielt, der wird in einem Land voller Klimaleugnern und Marktradikalen aufwachen», sagte die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes, mahnte beim RND ebenfalls: «Wir können jetzt nur hoffen, dass möglichst schnell Planungssicherheit entsteht und nicht der Sozialstaat geschreddert wird.»

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, forderte dagegen in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Donnerstag) einen Vorrang von Investitionen vor weiteren Sozialleistungen.

Auswirkungen auf Deutschlandticket und Förderprogramme

Auch auf die Förderprogramme der staatlichen Förderbank KfW wirkt sich das Haushaltsurteil aus. Die KfW verhängte am Mittwoch einen vorläufigen Antrags- und Zusagestopp für vier Programme aus dem Bereich Wohnen und Bauen. Bereits zugesagte Förderdarlehen und Investitionszuschüsse dieser Programme seien nicht betroffen. Konkret handelt es sich um das Programm «Altersgerecht Umbauen», das kommunale Förderprogramm «Energetische Stadtsanierung», die Förderung genossenschaftlichen Wohnens sowie das BMWSB-Härtefallprogramm für Wohnungsunternehmen infolge der gestiegenen Energiekosten.

Der CDU-Verkehrsexperte Thomas Bareiß erwartet zudem, dass der Preis für das Deutschlandtickekt deutlich steigen könnte. «Mit Blick auf das Urteil aus Karlsruhe ist klar, dass das 49-Euro-Ticket jetzt spätestens im Juni nächsten Jahres zum 69-, 79- oder gar 89-Euro-Ticket wird», sagte der Bundestagsabgeordnete der «Rheinischen Post».

@ dpa.de