Minister, Etatkrise

Wie geht es nach dem Karlsruher Haushaltsurteil weiter? Darüber beraten heute die Energie- und Wirtschaftsminister von Bund und Ländern.

27.11.2023 - 04:03:51

Minister besprechen Etatkrise - Verlässlichkeit angemahnt. Dabei dürfte es auch um Unsicherheiten der Wirtschaft gehen.

Vor den Beratungen der Wirtschafts- und Energieminister von Bund und Ländern warnt der Ökonom Marcel Fratzscher davor, bereits zugesagte Förderungen zurückzunehmen. «Ich erwarte, dass die Bundesregierung alle ihre eingegangenen Verpflichtungen ohne Ausnahme erfüllen wird. Denn wenn sie dies nicht tut, wird ein enormer wirtschaftlicher Schaden entstehen», sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Die Wirtschafts- und Energieminister der Länder sprechen mit Bundesminister Robert Habeck (Grüne) in Berlin über die Auswirkungen des Karlsruher Haushaltsurteils. Im Anschluss treten Habeck, der Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz, Bayerns Ressortchef Hubert Aiwanger (Freie Wähler), und der Vorsitzende der Energieministerkonferenz, Sachsen-Anhalts Ressortchef Armin Willingmann (SPD), vor die Presse. Für Dienstag hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung angekündigt.

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts klafft eine große Lücke in den Finanzen des Bundes. Das Gericht hatte eine Umwidmung von Corona-Krediten von 60 Milliarden Euro aus dem Haushalt 2021 für nichtig erklärt. Seit der Entscheidung der Richter herrscht Unsicherheit - auch über die Folgen für die Länder. Schleswig-Holstein etwa hatte nach dem Urteil eine Haushaltsnotlage für 2023 und 2024 festgestellt, denn das Bundesland arbeitet seit der Corona-Pandemie auch mit Notkrediten.

Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsministerin Mona Neubaur sagte, es müsse beraten werden, wie notwendige Zuschüsse finanziert werden können. Es gelte, in Bündnissen auch über Parteigrenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Das müssten sich auch CDU und FDP im Bund auf den Zettel schreiben.

Unsicherheit über Förderbescheide

Fratzscher sagte, ein erheblicher Teil der versprochenen Förderungen sei für Projekte in strukturschwachen Regionen, allen voran in Ostdeutschland. «Die Bundesregierung sollte umgehend eine Lösung präsentieren, die allen die Sicherheit gibt, dass ihre Versprechen erfüllt werden.»

Auch der Zweite Vorsitzende der Industriegewerkschaft IG Metall, Jürgen Kerner, warnte davor, Förderungen auszusetzen. «Bei den Unternehmen entsteht eine große Verunsicherung mit der Folge, dass Zukunftsinvestitionen ausbleiben», sagte er ebenfalls den Funke-Zeitungen.

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sagte in der ARD-Sendung «Anne Will», dass sich Scholz nach dem Karlsruher Urteil sofort an ihn und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer gewandt habe, um über die Förderungen für Investitionen in der Region zu sprechen. «Und er hat uns klar gesagt, dass er zu diesen Projekten steht und alles dafür tun wird, dass diese kommen. Und wir nehmen den Kanzler da beim Wort.»

Debatte über Schuldenbremse

Vor den Beratungen geht die Debatte über ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse weiter. Fratzscher sagte, die Bundesregierung solle diese auch im nächsten Jahr aussetzen.

Auch SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sieht Gründe, auch 2024 eine Haushaltsnotlage auszurufen. Auf Nachfrage, wie er die Notlage für 2024 inhaltlich begründen wolle, nannte Mützenich in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» den Krieg in der Ukraine und die Lage in Nahost, von der unklar sei, ob sie sich zu einem Regionalkrieg entwickeln werde.

Ähnlich äußerte sich der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil in der ARD-Sendung «Anne Will». Er warb für eine Reform der Schuldenbremse. Auch Haseloff sieht Möglichkeiten, eine Notlage zu begründen. Das Bundesverfassungsgericht habe eine klare Ansage zur Haushaltstechnik gemacht. «Aber bezüglich der politischen Feststellung, was ist eine Notlage, gibt es Spielräume.»

Die FDP verteidigt die Schuldenbremse und pocht auf einen klaren Sparkurs zur Bewältigung der Haushaltskrise. Ohne Schuldenbremse würde sich die Bundesregierung die «eigene Handlungsfähigkeit in der Politik wegnehmen», sagte Generalsekretär Bijan Djir-Sarai im ZDF-«Morgenmagazin». «Eine solide Finanzpolitik ist in der derzeitigen Situation eines der wichtigsten Instrumente in der Politik insgesamt.» Von Steuererhöhungen hält der FDP-Politiker nichts, Deutschland sei jetzt schon ein Hochsteuerland, die Menschen müssten entlastet werden.

Der Linken-Fraktionsvorsitzende Dietmar Bartsch nannte die Schuldenbremse im Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) eine Investitionsbremse, die die Zukunft des Landes gefährde und die soziale Spaltung verschärfe.

@ dpa.de