Aufstieg, Ausnahmezustand

Welche Bedeutung der HSV für die Stadt, die Region und seine Fans hat, zeigt sich nach der Bundesliga-Rückkehr.

11.05.2025 - 12:55:06

Aufstieg und Ausnahmezustand: «Der HSV war nie weg». Dem Aufstieg folgt eine magische Nacht. Einer steht dabei besonders im Mittelpunkt.

  • HSV-Stürmer Davie Selke (M) jubelt über sein Tor zum 3:1. - Foto: Christian Charisius/dpa

    Christian Charisius/dpa

  • Beim Platzsturm wurden etliche Fußballfans verletzt. - Foto: Marcus Brandt/dpa

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  • Die HSV-Fans feierten den Aufstieg ausgiebig auf der Reeperbahn. - Foto: Bodo Marks/dpa

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HSV-Stürmer Davie Selke (M) jubelt über sein Tor zum 3:1. - Foto: Christian Charisius/dpaBeim Platzsturm wurden etliche Fußballfans verletzt. - Foto: Marcus Brandt/dpaDie HSV-Fans feierten den Aufstieg ausgiebig auf der Reeperbahn. - Foto: Bodo Marks/dpa

Die Wucht des Hamburger SV bekam Davie Selke nach der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga hautnah zu spüren. «Ich bin auch schon ein paar Jahre dabei. Das habe ich aber so auch noch nicht erlebt», sagte der 30 Jahre alte Stürmer und einer der Aufstiegsgaranten nach der Rückkehr in die deutsche Beletage. «Und ja, ich bin echt richtig stolz, dass ich das hier miterleben durfte.» 

Nach der 6:1-Gala gegen den SSV Ulm entlud sich bei den Spielern, den Fans, in der Stadt und in der Region das, was sich in sieben Jahren nur schwer zu verkraftende Zweitklassigkeit aufgestaut hatte. «Es ist mir so vorgekommen, als hätte einer seit sieben Jahren eine große Champagnerflasche geschüttelt, und heute hat einer den Korken aufgemacht», sagte Sportvorstand Stefan Kuntz (62) beim Sender Sky.

Ein Platzsturm von Zehntausenden Anhängern, Feuerwerke am Stadion, Autokorso auf dem Kiez, Bierduschen, Gesangseinlagen von Spielern wie Selke, Robert Glatzel, Youngster Otto Stange oder Ludovit Reis: die Wellen der Emotions-Explosion waren noch lange nach dem Schlusspfiff im und rund um das Volksparkstadion und in der Stadt zu spüren. Und auf dem Rasen zu sehen: Viele Anhänger stibitzten sich ein Stück zur Erinnerung. Die Begeisterung um die Mannschaft mit ihrem jungen Cheftrainer Merlin Polzin kannte keine Grenzen.

Verletzte bei Platzsturm

Allerdings kam es auch zu unschönen Szenen mit üblen Folgen. Als Fans von den Tribünen auf den Rasen sprangen und in Massen das Feld stürmten, gab es nach Angaben der Feuerwehr 44 Verletzte, einige von ihnen schwer. Eine Person schwebte in Lebensgefahr. Laut HSV hing dieser Notfall aber nicht mit dem Platzsturm zusammen. Ein Großaufgebot von mehr als 60 Rettungskräften und Feuerwehrleuten musste sich um die Verletzten kümmern.

Die allgemeine Hochstimmung konnte davon nicht getrübt werden. «Der HSV ist wieder da, wo er hingehört», sagte Selke. Und nicht nur er, die HSV-Anhänger oder die Club-Verantwortlichen, sondern auch der meisten Fußball-Nostalgiker sind dieser Meinung.

Zwei Hamburger bringen HSV wieder hoch

Der Verein mit der großen Vergangenheit, den großen Namen und großen Titeln fasziniert trotz des Makels der sieben Jahre Zweitklassigkeit die Massen. «Der HSV war nicht in der ersten Liga, der HSV war aber nie weg», sagte Trainer Polzin. 

Der gebürtige Hamburger aus dem Stadtteil Bramfeld weiß nur zu gut um die Bedeutung des HSV. Als junger Mensch stand er wie sein ebenfalls in Hamburg geborener Co-Trainer Loic Favé aus dem Stadtteil Eimsbüttel bei den Fans im Volksparkstadion, begleitete die Mannschaft zu Auswärtsspielen. Mit nun 34 Jahren ist ihm das gelungen, was seinen wesentlich prominenteren Vorgängern auf dem Cheftrainerposten nicht gelang. 

«Der HSV ist einer der größten Vereine, was die Mitglieder angeht. Der Verein hat überall in Deutschland und Europa, in der ganzen Welt seine Anhänger», betonte er. «Wir wissen, was der Verein in der Stadt den Leuten bedeutet, aber auch darüber hinaus.»

Polzin ist so, wie der HSV sein will

Polzin ist eines der neuen Gesichter des HSV und einer der besten Botschafter des Clubs. Er wird von den Fans als einer von ihnen betrachtet. Die Spieler vertrauen ihm und er den Spielern. Einige von ihnen unter Führung von Mittelfeldspieler Ludovit Reis stürmten die Pressekonferenz und begossen ihn unter lautem Jubel mit Bier. 

Und auch in den Verein wirkt der frühere Lehramtsstudent. Pressesprecher Philipp Langer hielt zum Ende der Pressekonferenz im Namen vieler beim Verein Mitarbeitenden eine ungewöhnliche Laudatio.

Er habe in den letzten Monaten mit seinem Team und den Club-Verantwortlichen «Unglaubliches geleistet», sagte Langer. «Aber viel mehr hast du mit deiner menschlichen Komponente überzeugt. Du hast nicht nur von Zusammenhalt gesprochen. Du hast ihn vorgelebt.»

Polzin gewinnt schnell Profil

Seit Polzin nach der Trennung von Steffen Baumgart im November erst zum Interims- und einen Tag vor Weihnachten von Sportvorstand Kuntz zum Cheftrainer befördert wurde, hat er schnell an Profil gewonnen. Aus Rückschlägen hat er schnell gelernt. 

Er redet nichts schön, tritt bescheiden, fast demütig auf, ohne sich kleinzumachen. Er vermittelt das Gefühl, dass der Posten des Cheftrainers bei seinem Herzensverein nicht ein Job ist, sondern Berufung.

«Merlin kommt aus Hamburg. Das ist zwar kein Kriterium, ein guter Trainer zu sein oder ein HSV-Trainer zu sein, aber mit welcher Klarheit, welcher Überzeugung er von Tag eins an vorweg marschiert ist, auch in diesen schwierigen letzten Wochen, wo es wirklich auch Rückschläge gab - das nötigt mir den größten Respekt ab, und das ist einfach eine glatte Eins», sagte Sportdirektor Claus Costa. 

Jetzt noch die Zweitliga-Meisterschaft

Bevor für Polzin und den HSV das Abenteuer Bundesliga beginnt, hat der Trainer noch ein sportliches Ziel. Wenn der Partyrausch abgeklungen ist, möchte er beim Saisonfinale bei der SpVgg Greuther Fürth die Zweitliga-Meisterschaft holen. «Keiner trainiert, um Zweiter zu werden», sagte er. 

Danach geht es in die Detailplanung für die neue Saison. HSV-Legende und Nachwuchschef Horst Hrubesch hat da schon einen Wunsch. «Wir müssen sehen, dass wir dann eine Mannschaft haben, die auch in der ersten Liga bestehen kann und nicht um den Abstieg spielt, sondern eben dort versucht, gleich von Anfang an in der Liga mitzuspielen», sagte der 74-Jährige bei Sky.

@ dpa.de