München unter Schock - ein Auto rast in eine Demo, es gibt viele Verletzte.
14.02.2025 - 03:00:36Viele offene Fragen - Verdächtiger vor Ermittlungsrichter. Welches Motiv hatte der Tatverdächtige, ein 24-jähriger Afghane? Kanzler Scholz versichert, ihn abschieben zu wollen.
Die bayerische Landeshauptstadt München steht unter Schock - und sucht nach Antworten darauf, warum ein Mann mit einem Auto in der Innenstadt in einen Demonstrationszug gerast ist. Mindestens 30 Menschen wurden dabei am Donnerstag verletzt, einige von ihnen schwer.
Der tatverdächtige 24-jährige Afghane wurde festgenommen, heute soll er einem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Gibt es dann Hinweise auf sein Motiv? Die Polizei will am späten Vormittag in einer Pressekonferenz informieren. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird zu einem stillen Gedenken am Tatort erwartet.
Scholz verspricht schnellere Abschiebungen
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) äußerte sich bestürzt über die Tat und versprach, den Mann schnell in sein Heimatland abschieben zu wollen. «Wer hier keine deutsche Staatsangehörigkeit hat und Straftaten dieser Art begeht, der muss auch damit rechnen, dass wir ihn aus diesem Land wieder zurückbringen, wegbringen und ihn abschieben», sagte Scholz am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Klartext».
Das gelte ausdrücklich auch für den Tatverdächtigen, betonte Scholz. «Denn wir werden ihn sicherlich verurteilt sehen von den Gerichten und noch bevor er das Gefängnis verlässt, wird er dann auch in sein Heimatland zurückgeführt werden», versicherte der Kanzler. Dieses Vorgehen sei aktuell zwar «nicht einfach», aber es werde dann umgesetzt, sagte Scholz. Deutschland organisiere auch jetzt schon Abschiebeflüge nach Afghanistan.
Auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte, dass die Abschiebungen nach Afghanistan weitergehen würden. Die Tat von München müsse noch weiter aufgeklärt werden, aber es stehe jetzt schon fest: «Es war erneut ein junger Afghane, wir müssen mit aller Härte des Gesetzes reagieren.» Es könne nicht sein, dass Menschen nach Deutschland kämen und hier Straftaten begingen, sagte Faeser.
Aufenthaltserlaubnis seit 2021
Am Tattag hatte es zunächst Unklarheiten über den Aufenthaltsstatus des Tatverdächtigen gegeben. Am Abend kristallisierte sich heraus: Der junge Afghane hatte nach Worten von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. «Damit war der Aufenthalt des Täters bis zum heutigen Tage nach gegenwärtigem Erkenntnisstand absolut rechtmäßig.»
Zugleich berichtete der Minister, dass der Mann nach neuesten Erkenntnissen und entgegen erster Informationen nicht wegen Ladendiebstählen auffällig geworden war. Nach Worten Herrmanns kam der Afghane Ende 2016 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland. Sein Asylverfahren wurde demnach im Jahr 2020 endgültig abgeschlossen, mit einem Ablehnungsbescheid und der Aufforderung zur Ausreise. Die Landeshauptstadt München habe dann aber im April 2021 einen Duldungsbescheid erlassen und im Oktober 2021 eine Aufenthaltserlaubnis. Der junge Mann habe eine Schule besucht, eine Berufsausbildung gemacht und als Ladendetektiv für zwei Sicherheitsfirmen gearbeitet.
Deshalb habe es zunächst auch ein Missverständnis gegeben, eben weil der Mann in mehreren Ladendiebstahlprozessen aufgetreten sei. «Er war nicht selbst Tatverdächtiger, sondern er war Zeuge», stellte Herrmann klar.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte am Abend im ZDF, der Tatverdächtige sei «wohl bislang eher unauffällig» gewesen. «Er war nicht ausreisepflichtig.» Weiter sagte Söder: «Und auch bisherige extremistische Hintergründe sind jedenfalls nicht auf den ersten Blick so leicht erkennbar.» Deshalb müsse jetzt weiter ermittelt werden, was der Grund für die schlimme und furchtbare Tat sei.
Mann überholte Polizeiwagen
Nach Polizeiangaben spielte sich der mutmaßliche Anschlag am Donnerstag so ab: Gegen 10.30 Uhr fuhr der Mann zunächst hinter der Demo her, überholte einen Polizeiwagen, der die Gruppe absichern sollte, beschleunigte - und fuhr in das Ende des Demozugs, zu dem mehrere Menschen auch ihre kleinen Kinder mitgebracht hatten. Die Polizei schoss in Richtung des Verdächtigen und nahm ihn fest.
Die Demonstration hatte Verdi organisiert - im Rahmen der Warnstreiks im öffentlichen Dienst. Laut Polizei waren 1.500 Menschen unterwegs zur Schlusskundgebung am Königsplatz, als das Auto in die Menge raste. Die Gewerkschaft wollte ihre für heute geplanten Veranstaltungen in Bayern nicht absagen.
Am Donnerstagabend waren am Tatort Blumen abgelegt und Kerzen entzündet worden. Das Tatfahrzeug wurde mit einem Abschleppwagen abtransportiert. Bis in die Nacht hinein waren Kräfte der Spurensicherung und des Landeskriminalamts im Einsatz.
Heute soll in München die Sicherheitskonferenz beginnen - unweit des Tatorts. Ob es konkrete Auswirkungen auf die Zusammenkunft der mehr als 60 Staats- und Regierungschefs gibt, war zunächst unklar.