Linksextremisten nehmen laut Verfassungsschutz bei Angriffen auf die Infrastruktur in Kauf, dass Unbeteiligte betroffen sind.
26.09.2025 - 11:15:06Verfassungsschutz: Bahn im Fokus von Linksextremisten
Linksextremisten nehmen bei ihren Angriffen auf Einrichtungen der kritischen Infrastruktur laut Verfassungsschutz keine Rücksicht auf die Interessen von Berufspendlern und anderen Unbeteiligten. Das zeigen der Behörde zufolge Anschläge auf die Energieversorgung und den Bahnverkehr in den vergangenen Monaten und Jahren. Laut einer Statistik der Polizeibehörden gab es im vergangenen Jahr knapp 300 politisch motivierte Straftaten gegen Verkehrsbetriebe oder Verkehrsmittel.
Angriffsziele Energieversorger und Bahn
In einer aktuellen Analyse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) heißt es, Linksextremisten zielten bei ihren Angriffen nur selten auf einen Ausfall von Einrichtungen der Grundversorgung. Vielmehr wollten sie zumeist ausgewählte Wirtschaftsunternehmen schädigen – beispielsweise durch eine Kappung der Stromversorgung. «Dabei nehmen sie etwaige Kollateralschäden billigend in Kauf», schreibt der Nachrichtendienst.
Ein Beispiel seien Patientinnen und Patienten eines Pflegeheims, die nach dem Brandanschlag an zwei Strommasten am 9. September im Südosten Berlins in Krankenhäuser verlegt werden mussten, weil die Beatmung nicht mehr gewährleistet werden konnte.
Rechtfertigungsmuster Klimaschutz
«Am häufigsten wird ein vorgebliches Engagement für den Klimaschutz als Rechtfertigung für Anschläge herangezogen», schreibt das BfV. Ziel sei es dabei, die Klimaprotestbewegung zu radikalisieren und den Staat sowie seine Institutionen zu delegitimieren.
Weitere Begründungen, die von Linksextremisten angeführt würden, seien den Themenfeldern «Antimilitarismus», «Antirepression» und – vor allem bei Anschlägen auf Baustellen und Immobilienunternehmen – «Antigentrifizierung» zuzuordnen.
Unter Gentrifizierung versteht man die Aufwertung eines Wohngebiets durch Sanierung und Modernisierung, was mit dem Zuzug einkommensstärkerer Bewohner einhergeht. Steigende Mieten führen dann oft zu einer Verdrängung langjähriger, einkommensschwacher Mieterinnen und Mieter.
Steuerung von Weichen und Signalen zerstört
Diesen Sommer waren etwa in Nordrhein-Westfalen zwei Brandsätze an der Bahnstrecke Düsseldorf-Duisburg gezündet worden. Dadurch wurden Kabel für die Steuerung von Weichen und Signalen zerstört. Die Folge: Erhebliche Verzögerungen im Fern- und Regionalverkehr. Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) sprach von einem möglichen linksextremistischen Hintergrund.
Bereits 2018 hatten Linksextremisten Signalkabel entlang derselben Strecke zwischen Düsseldorf und Duisburg zerstört, um gegen Abschiebungen vom Düsseldorfer Flughafen zu protestieren.
Deutsche Bahn stark betroffen
«Die Deutsche Bahn AG ist seit Jahren besonders von linksextremistischen Anschlägen betroffen», bilanziert das Bundesamt, allerdings ohne dabei auf die Ermittlungen zu den jüngsten Angriffen auf Bahnstrecken einzugehen.
Insgesamt verzeichnete die Polizei 2024 bundesweit 524 Straftaten mit mutmaßlich politischem Hintergrund, die sich gegen die Infrastruktur richteten. 2023 waren es laut Statistik 823 Taten. In den Jahren 2021 (337 Straftaten) und 2022 (475 Straftaten) waren es noch deutlich weniger.
Auch Datennetze und Kraftwerke als Angriffsziele
Laut Polizeistatistik gab es im vergangenen Jahr 35 politisch motivierte Straftaten, die sich gegen Datennetze, beziehungsweise IT-Infrastruktur richteten. Insgesamt 281 Taten zielten gegen Energieversorgungsbetriebe oder Einrichtungen der Energieversorgung. Bei 131 Straftaten notierte die Polizei «Infrastruktur» als Angriffsziel. Zudem gab es gemäß der Statistik 106 gegen Kraftwerke gerichtete Straftaten.
Bundesweit 299 politisch motivierte Delikte richteten sich gegen Verkehrsmittel, Verkehrsbetriebe oder Verkehrseinrichtungen. In 13 Fällen ging es dabei um Brandstiftung. Sachbeschädigung registrierte die Polizei in 28 Fällen.
Handlager russischer Geheimdienste
Neben Linksextremisten haben die Sicherheitsbehörden, wenn es um Angriffe auf die Infrastruktur geht, auch ausländische Akteure - vor allem russische Geheimdienste - im Blick. «Derzeit besteht auch eine erhöhte abstrakte Gefährdung in Bezug auf Sabotageaktivitäten beziehungsweise entsprechende Vorbereitungshandlungen in Verantwortung ausländischer Stellen», teilt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums auf Anfrage mit. Hier sei insbesondere seit 2024 eine Zunahme zu beobachten. Dabei setze Russland in der Regel auf Handlanger, die über soziale Medien oder Messengerdienste angeworben und gesteuert würden.
Neue gesetzliche Vorgaben sollen kommen
Das Bundeskabinett hatte kürzlich den Gesetzentwurf für das sogenannte Kritis-Dachgesetz beschlossen. Der Entwurf sieht strengere Vorgaben für die Betreiber größerer Anlagen aus den Sektoren Energie, Transport und Verkehr, Finanzwesen, Sozialversicherung, Gesundheit, Ernährung, Wasser, Siedlungsabfallentsorgung, Informationstechnik und Telekommunikation sowie Weltraum vor. Sie müssen Schutzmaßnahmen planen, umsetzen und die Behörden über sicherheitsrelevante Vorfälle informieren. Experten halten es jedoch für kaum realisierbar, Strommasten und Bahngleise flächendeckend zu überwachen und Anschläge dort zu vermeiden.