Hat der Bundesnachrichtendienst zu spät über den bewaffneten Aufstand in Russland informiert? Nach einem Auftritt des BND-Präsidenten im Auswärtigen Ausschuss ist von Kritik nichts zu hören.
05.07.2023 - 12:59:23Breite Rückendeckung für BND-Präsident Kahl. Im Gegenteil.
Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, hat nach einem Auftritt im Auswärtigen Ausschuss zum bewaffneten Aufstand der Söldnergruppe Wagner in Russland breite Rückendeckung erhalten.
Der FDP-Obmann in dem Gremium, Ulrich Lechte, antwortete auf die Frage, ob der Sessel von Kahl wackele, mit den Worten: «Falls ihn irgendjemand angesägt hat, hat er gerade den sehr, sehr gut wieder zusammengeklebt. Und ich glaube, dass der noch eine ganze Zeit halten wird.» Rückendeckung kam auch von SPD und Grünen sowie aus der Union.
Ausschusschef Michael Roth (SPD) räumte ein, viele seien von der Revolte in Russland überrascht worden. «Ich habe aber nach der heutigen Sitzung den Eindruck gewonnen, dass der Bundesnachrichtendienst auch in Kooperation mit anderen Nachrichtendiensten von Freunden und Partnern verantwortungsbewusst mit dieser Situation umgegangen ist.» SPD-Obmann Nils Schmid betonte: «Die SPD hat an der Tätigkeit von Herrn Kahl und des BND nichts auszusetzen.» Der Ausschuss habe «kenntnisreiche Einschätzungen und Informationen von Seiten des BND» erhalten.
Kahl hatte in einer geheimen Sitzung über die Erkenntnisse des deutschen Auslandsgeheimdienstes zu den Vorgängen um den bewaffneten Aufstand des Chefs der Söldnergruppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, vor eineinhalb Wochen informiert. Für das Auswärtige Amt äußerte sich Staatsminister Tobias Lindner (Grüne) hinter verschlossenen Türen.
Vor allem aus den Reihen der Ampel-Fraktionen von SPD und FDP hatte es zuletzt Kritik gegeben, der BND sei anders als Partnerdienste etwa in den USA zu spät über die Revolte Prigoschins gegen Russlands Präsident Wladimir Putin informiert gewesen. Das Nachrichtenportal «The Pioneer» hatte berichtet, in der SPD gebe es Gedankenspiele über eine Ablösung Kahls, der den Dienst seit 2016 führt.
Stegner von den Sozialdemokraten: Überzeugender Auftritt Kahls
Ralf Stegner (SPD), der auch Chef des Untersuchungsausschusses zum Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ist, sprach von einem überzeugenden Auftritt Kahls. Es seien «nicht nur Dinge mitgeteilt worden, die wir aus der Zeitung kennen. Und insofern hat das die Erwartungen erfüllt». Auf die Frage, ob er erwarte, dass sich Kahl noch länger als BND-Präsident halten könne, antwortete Stegner zurückhaltend: «Wir sind ja nicht im Wettbüro. Und insofern bin ich immer vorsichtig in solchen Ankündigungen.»
Grünen-Politiker Wagener: Sehr gute Information
Für die Grünen sagte Robin Wagener über den Auftritt von Kahl und dessen Zukunft an der Spitze des BND: «Wir haben heute eine sehr gute Information durch den Bundesnachrichtendienst bekommen. Und ich sehe keine Anhaltspunkte dafür, solche Diskussionen jetzt gerade zu führen.» Auch im Afghanistan-Untersuchungsausschuss des Bundestages habe er bereits «den Eindruck gehabt, dass manchmal sehr schnell Vorwürfe in Richtung des BND kommen, die bei näherer Betrachtung sich dann als nicht stichhaltig herausstellen».
Unions-Obmann über Kahl: Stuhl wackelt nicht
Jürgen Hardt (CDU), Unions-Obmann im Ausschuss, erklärte, er habe «den Eindruck, dass der Bundesnachrichtendienst dichter an den Themen dran war, als das die allgemeine Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen hat». Mit Blick auf Kahl ergänzte er: «Sein Stuhl wackelt nicht.» Die Auftritte von Kahl und Lindner seien «beispielgebend für eine Sitzung des Auswärtigen Ausschusses» gewesen. Man habe nicht den Eindruck gehabt, «wir würden hinter die Fichte geführt».
Am Nachmittag wollte sich auch das parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste (PKGr) mit der Lage in Russland und der Ukraine sowie mit den Vorwürfen gegen Kahl und den BND befassen. Auch dort wollte der BND-Präsident Rede und Antwort stehen.