Er sitzt wegen des Halle-Attentats mit der Höchststrafe im Gefängnis.
25.01.2024 - 11:04:52Geiselnahme-Prozess gegen Attentäter von Halle. Dort soll er Wärter als Geiseln genommen haben. Die Tat, die die Gefährlichkeit des Mannes zeigte, endete unblutig. Jetzt ist die Justiz am Zug.
Vor gut einem Jahr hat der zur Höchststrafe verurteilte Attentäter von Halle im Gefängnis Burg Vollzugsbeamte in seine Gewalt gebracht - nun muss er sich wegen Geiselnahme verantworten. Der Prozess gegen den 32-Jährigen hat in Magdeburg begonnen. Das zuständige Landgericht Stendal verhandelt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen in einem Hochsicherheitssaal in Landeshauptstadt von Sachsen-Anhalt. Stephan Balliet gilt als extremes Sicherheitsrisiko.
Er war im Dezember 2020 wegen des rassistischen und antisemitischen Anschlags in Halle zu lebenslanger Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Am 9. Oktober 2019, dem höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur, hatte er versucht, die Synagoge von Halle zu stürmen und ein Massaker anzurichten. Als es ihm nicht gelang, ermordete er nahe der Synagoge zwei Menschen.
Der Vorwurf: Der als Halle-Attentäter bekannt gewordene Gefangene verbüßte zum Tatzeitpunkt seine lebenslange Freiheitsstrafe im Hochsicherheitsgefängnis Burg. In den Abendstunden des 12. Dezember 2022 soll er mehrere Vollzugsbeamte mit einem selbst gebastelten Schussapparat genötigt haben, ihm diverse Türen für eine Flucht aus dem Gefängnis zu öffnen, so die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg. Er soll bis vor eine Kfz-Schleuse gelangt sein, wo sein Ausbruchversuch an technischen Sicherungsmaßnahmen scheiterte. Die Anklage lautet auf Geiselnahme und Verstoß gegen das Waffengesetz.
Einem Gutachten des Bundeskriminalamts zufolge hatte der Schussapparat hauptsächlich aus Bauteilen eines Tackers, einem Holzstift, Drähten und einem kleinen Metallrohr bestanden.
Der Verhandlungsort: Das Landgericht Stendal hat sich für eine Verhandlung in einem Hochsicherheitssaal entschieden und einen solchen gibt es in Stendal nicht. Schon die Verhandlung wegen der Taten vom 9. Oktober 2019 hatte 2020 in diesem größten Justizsaal Sachsen-Anhalts in Magdeburg stattgefunden. Die ehemalige Bibliothek war für den Prozess besonders ausgerüstet worden, etwa wurde der Zuschauerbereich mit Sicherheitsglas eingefasst.
Der Gefangene: Er gilt als extremes Sicherheitsrisiko für andere und sich selbst. Das wird nicht nur abgeleitet von den angeklagten Taten, sondern auch von seinem unberechenbaren und hochaggressiven Verhalten in Haft. Es sollen sich bei ihm stille Phasen, in denen der 32-Jährige nicht spricht und sich kaum bewegt, abwechseln mit plötzlichen Ausbrüchen. Es soll so gut wie keine Kommunikation zwischen dem Gefangenen und den Bediensteten des Strafvollzugs, Psychiatern, Sozialarbeitern und Ärzten geben. Er gilt als nicht behandlungsfähig und nicht behandlungsbereit.
Das hat sich dem Vernehmen nach sowohl in seiner Haftzeit in Sachsen-Anhalt sowie im bayerischen Augsburg und im niedersächsischen Wolfenbüttel gezeigt. Balliet ist seit seiner Inhaftierung weitestgehend isoliert. Die Vorsitzende Richterin in dem Prozess, Simone Henze-von Staden, hat angeordnet, dass der Angeklagte mit Hand- und Fußfesseln transportiert wird. Während der Verhandlung werden ihm die Handfesseln abgenommen, die Fußfesseln bleiben.
Der Prozess: Für den Auftakt ist die Verlesung der Anklage geplant. Dann erhält der Angeklagte die Möglichkeit, sich zu äußern. Es könnten auch Aufzeichnungen der Überwachungskameras aus der JVA Burg gezeigt werden, so eine Ankündigung des Landgerichts Stendal. Im Prozess treten zwei Justizvollzugsbedienstete, die Geiseln waren, als Nebenkläger auf, wie ein Sprecher des Landgerichts Stendal weiter mitteilte. Sie haben mit einem Rechtsanwalt beispielsweise die Möglichkeit, Fragen zu stellen, Beweisanträge zu stellen und auch zu plädieren. Zudem geht es um Anerkennung als Opfer und mögliche Entschädigungen. Das Gericht hat vorerst acht Verhandlungstermine bis zum 29. Februar angesetzt.
Welche Strafe kann auf den Angeklagten zukommen?
Sollte der 32-Jährige verurteilt werden, kommt auf ihn eine Freiheitsstrafe zwischen 5 und 15 Jahren zu, so ein Sprecher des Landgerichts Stendal. Das macht vorerst keinen Unterschied für den Angeklagten, denn er sitzt ohnehin seine lebenslange Haftstrafe wegen des Attentats von Halle ab. Auch weil die besondere Schwere der Schuld festgestellt wurde, ist das Ende der Haftzeit offen. Und selbst danach käme Balliet nicht in Freiheit, sondern würde in der Sicherungsverwahrung untergebracht, um die Bevölkerung vor ihm zu schützen.