Eigentlich kommen Union und Wirtschaftsverbände oft gut miteinander aus.
22.02.2024 - 15:44:28Kopfschütteln über Unions-Blockade beim Wachstumspaket. Doch jetzt haben die Unternehmen genug: Mit ihrer Blockade beim Wachstumspaket stoßen CDU und CSU auf wenig Verständnis.
Die anhaltende Blockade der Union beim Wachstumspaket für Unternehmen schürt zunehmend Frust in der Wirtschaft und der Ampel-Koalition. «Der deutsche Mittelstand ist richtig sauer», sagte der Chef des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, Christoph Ahlhaus, der Deutschen Presse-Agentur. DIHK-Präsident Peter Adrian warnte vor einer verheerenden psychologischen Wirkung auf die gesamte Wirtschaft.
Wirtschaftsminister Robert Habeck forderte die Union im Bundestag auf: «Hören Sie auf die Wirtschaftsverbände und geben Sie dem Wachstumschancengesetz endlich grünes Licht.»
Doch danach sieht es aktuell nicht aus. Auch nach dem Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag bleiben CDU und CSU bei ihrer Haltung: Sie wollen dem Paket mit Steuerentlastungen und Bürokratieabbau nur zustimmen, wenn die Ampel-Koalition den bereits beschlossenen Abbau von Steuerentlastungen beim Agrardiesel für Landwirte zurücknimmt.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte am Rande seiner Schweden-Reise ein Nein im Bundesrat an. «Wir stimmen auf keinen Fall zu», sagte er. «Leider ist die Ampel stur geblieben. Es hat keine wirklichen Zugeständnisse gegeben.» Besonders enttäuscht sei er von den SPD-Ministerpräsidenten, die sich auf Demonstrationen sehr offen für die Landwirtschaft eingesetzt hätten - «und jetzt schlicht und einfach gekniffen haben, wo es ernst wird», wie Söder sagte.
Im Ausschuss angenommen - aber keine Einigung
Im Vermittlungsverfahren war ein abgespecktes Wachstumspaket zwar mit der Ampel-Mehrheit angenommen worden. Die Union stimmte aber nicht zu. Nun kommt es am 22. März zu einer weiteren Abstimmung im Bundesrat - Ausgang offen. Das Kalkül der Ampel: Der Druck aus der Wirtschaft auf die Union, doch zuzustimmen, wird in den kommenden Wochen weiter steigen.
Und das scheint aufzugehen. Die Deutsche Industrie- und Handelskammer betonte, der Frust bei den Unternehmen steige. Sie zweifelten nun zu Recht daran, ob die Politik den Ernst der Lage erkannt habe. Ahlhaus, selbst CDU-Politiker, betonte: «Dass ausgerechnet die Union es ist, die jetzt dieses Gesetz zu Fall bringen könnte, macht viele richtig wütend.» Die Kopplung an eine Rücknahme von Kürzungen beim Agrardiesel werde der gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht. Es gehe um das einzige Signal der Entlastung für den stark gebeutelten Mittelstand.
Industriechef Siegfried Russwurm sprach im Deutschlandfunk von einer katastrophalen Signalwirkung. «Aus dem Gesetz ist ein Gesetzchen geworden, nein: ein Gesetzchenentwurf», sagte er. Tatsächlich wurde das Volumen der Entlastungen in den Vermittlungsverhandlungen von einst geplanten sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden Euro zusammengestrichen. Eine Klimaschutz-Investitionsprämie, ursprünglich Kern des Gesetzes, wurde gekippt.
Was vom ursprünglichen Paket noch übrig ist
Von den einst fast 50 steuerpolitischen Maßnahmen blieb im Grunde nur eine Light-Variante: steuerliche Anreize, um die Bauwirtschaft anzukurbeln, eine bessere Verlustverrechnung, steuerliche Forschungsförderung und der Abbau bürokratischer Hürden. Die Länder hatten befürchtet, auf sie und die Kommunen kämen sonst zu hohe Steuerausfälle zu.
Die DIHK kritisierte, mit gut drei Milliarden Euro sei weniger als die Hälfte der Entlastung übrig, die die Bundesregierung ursprünglich in Aussicht gestellt habe. «Das würde noch nicht einmal die Mehrbelastung auffangen, die der Wirtschaft durch den Anstieg der Stromnetzentgelte zum Jahreswechsel entstanden sind.» Dennoch sei es wichtig, zumindest dieses kleine positive Signal zu senden.
Auch Söder sprach von einem «Gesetzchen». «Es wird keine große Wirkung haben», sagte der CSU-Politiker. Bayern hätte gerne ein umfassendes Wachstumschancengesetz gehabt - mit Abschaffung des Solidaritätszuschlags, Unternehmenssteuerreform und niedrigeren Energiesteuern.
SPD: Union wird zur Wachstumsbremse
Im Grunde aber gehe es der Union in der Debatte überhaupt nicht um das Wachstumspaket, kritisierten SPD-Politiker. «Dass Herr Merz und Herr Dobrindt einerseits breitspurig mehr Wachstum für Deutschland einfordern, andererseits aber CDU und CSU jetzt beim Wachstumschancengesetz konkrete Entlastungsimpulse für Betriebe und Beschäftigten aus sachfremden Gründen ablehnen, ist an politischer Abstrusität nicht zu überbieten», erklärte SPD-Fraktionsvize Achim Post. Die Blockade sei taktisch motiviert. CDU und CSU würden damit «zu Wachstumsbremsen für unser Land».
Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig äußerte ebenfalls ihr Unverständnis. Man könne im Wachstumschancengesetz gar keine Änderung zum Agrardiesel beschließen. «Die Union weiß das - und mich wundert das sehr», sagte sie im ZDF-«Morgenmagazin».
Söder hielt trotzdem an der Forderung fest. Für eine erfolgreiche Vermittlung hätte es eine Befriedung beim Streit um den Agrardiesel gebraucht. «Die Ampel hat sich da letztlich geweigert», sagte er. Es reiche nicht aus, wie Habeck die schwierige Lage der Wirtschaft zu beschreiben - und dann zu hoffen, dass es besser werde. Habeck wiederum kritisierte, Vorschläge der Union für mehr Wachstum hätten 45 bis 50 Milliarden Euro Steuerausfälle im Haushalt zur Folge - die Union habe aber keine Konzepte zur Gegenfinanzierung und wolle zugleich die Schuldenbremse einhalten. Das sei «Voodoo-Finanzpolitik».
Wie es jetzt weitergeht
Die Ampel-Koalition will das im Bundestag bereits beschlossene Wachstumschancengesetz bereits am Freitag noch einmal ins Parlament einbringen - und auch die Light-Variante ändern, mit der zumindest die meisten SPD-Länder einverstanden sind. Zu den Änderungen gehört auch, dass die Mehrwertsteuersenkung bei Gas nun doch erst Ende März ausläuft. In dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz war noch von Ende Februar die Rede.
Am 22. März wird das Wachstumspaket dann erneut im Bundesrat aufgerufen, wo die Länder abstimmen. Wie die unionsgeführten Länder abstimmen, ist offen. Doch nicht nur sie haben Bedenken: Auch das SPD-geführte Bremen ist nicht begeistert. «Auch wenn der Bund sich bewegt hat und jetzt den größten Teil Steuermindereinnahmen übernimmt, halte ich an meiner grundsätzlichen Kritik fest», sagte Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Er lehne eine Wirtschaftsförderung mit der Gießkanne ab. «Das führt nur zu Mitnahme-Effekten.» Bremen hatte sich im Vermittlungsausschuss enthalten.