Drei Tage lang wollten die Veranstalter eines «Palästina-Kongresses» Israel und auch Deutschland anklagen.
12.04.2024 - 19:18:20Polizei löst umstrittenen «Palästina-Kongress» in Berlin auf. Am Ende dauerte die Veranstaltung nur rund zwei Stunden.
Die Polizei in Berlin hat einen umstrittenen, für drei Tage geplanten «Palästina-Kongress» rund zwei Stunden nach Beginn aufgelöst. Das teilte ein Beamter den bis zu 250 Kongressteilnehmern am frühen Abend mit und forderte sie auf, den Saal zu verlassen.
Zuvor hatte die Polizei die propalästinensische Veranstaltung bereits vorläufig unterbrochen. Grund war nach Angaben einer Sprecherin eine per Video übertragene Rede eines Mannes, für den in Deutschland wegen Hasstiraden gegen Israel und gegen Juden ein politisches Betätigungsverbot gilt.
Als der Mann zu den bis zu 250 Kongressteilnehmern sprach, schritt die Polizei mit etlichen Beamten ein, kappte die Übertragung und schaltete den Strom zeitweise ab. Anschließend wurde der Sachverhalt einige Zeit juristisch geprüft und die Veranstaltung schließlich für beendet erklärt. Die Organisatoren behielten sich am Freitagabend zunächst vor, rechtliche Schritte gegen den Abbruch einzuleiten.
Entscheidung gilt auch für Samstag und Sonntag
Nach Angaben der Sprecherin sah die Polizei die Gefahr, «dass solche antisemitischen, gewaltverherrlichenden und den Holocaust verleugnenden Redebeiträge sich bei der Veranstaltung wiederholen könnten». Die Entscheidung gilt demnach nicht nur für den Freitag, sondern auch für Samstag und Sonntag.
Zu dem internationalen Treffen unter dem Motto «Wir klagen an» hatten diverse propalästinensische Gruppen und Initiativen eingeladen. Darunter sind vor allem solche, die nach Einschätzung von Sicherheitsbehörden und Berliner Innenverwaltung dem israelfeindlichen «Boykott-Spektrum» zuzurechnen seien.
Politik und Polizei hatten vor Beginn des Treffens ein konsequentes Eingreifen angekündigt, sollte es zu antisemitischen Äußerungen oder Straftaten kommen. Schon im Vorfeld hatte es Proteste gegen die Veranstaltung gegeben, unter anderem des Zentralrats der Juden. Am Freitag selbst gab es einige Protestaktionen in der Stadt gegen den Kongress.
Massives Polizeiaufgebot
Die Teilnehmer des Treffens reagierten auf die offizielle Beendigung durch die Polizei mit lautstarken Unmutsbekundungen. Sie skandierten unter anderem «schämt euch» auf Englisch. Schließlich verließen sie nach und nach den Saal, teils begleitet von Polizisten. Die Polizei war mit einem massiven Aufgebot vor Ort und verfolgte die als öffentliche Versammlung gewertete Veranstaltung zum Teil auch direkt im Saal. Die Veranstalter teilten mit, dass sie über rechtliche Schritte gegen die Entscheidung der Polizei nachdenken.
Sie hatten Kongress schon vor längerer Zeit angekündigt, den genauen Ort aber lange geheim gehalten und erst am Freitag mitgeteilt. Mit Blick auf das Treffen formierte sich eine überparteiliches «Bündnis gegen antisemitischen Terror» und warnte davor, es seien Terrorverherrlichung und Forderungen nach der Vernichtung Israels zu erwarten.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte deutlich gemacht, dass Sie ein waches Auge der Behörden erwartet: «Wer islamistische Propaganda und Hass gegen Jüdinnen und Juden verbreitet, muss wissen, dass das schnell und konsequent verfolgt wird», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nannte es «unerträglich», dass ein solcher Kongress in der Hauptstadt stattfinde. «Wir dulden in Berlin keinen Antisemitismus, Hass und Hetze gegen Jüdinnen und Juden. Deshalb wird die Berliner Polizei konsequent durchgreifen, sollte es bei diesem Treffen zu antisemitischen Äußerungen oder Straftaten kommen», kündigte er an.
Die Berliner Polizei hatte sich auf einen mehrtägigen Großeinsatz vorbereitet. Allein für Freitag waren nach Angaben einer Sprecherin rund 900 Einsatzkräfte eingeplant. Unterstützung kam aus Nordrhein-Westfalen. Der Polizei war der Veranstaltungsort, ein Saal in der Germaniastraße im Stadtteil Tempelhof, ebenfalls lange unbekannt.
Auflagen der Polizei
Die Beamten werteten den Kongress als öffentliche Versammlung und erließen ähnlich wie bei Demonstrationen sogenannte Auflagen, also Verbote. Untersagt waren demnach das Verbrennen von Fahnen, Gewaltaufrufe gegen Israel und Symbole terroristischer Organisationen. Polizisten und Dolmetscher waren in den Räumen dabei, um die Ereignisse und Redebeiträge dort zu verfolgen.
Zudem stellte die Polizei sicher, dass Medien zu dem Treffen freier Zugang gewährt wurde. Die Veranstalter wollten zunächst nur ausgewählte Medienvertreter einlassen. Die Teilnehmerzahl des Kongresses wurde von der Polizei aus Brandschutzgründen auf 250 pro Tag begrenzt. Aus Sicherheitskreisen hieß es, dass gegen einen eingeplanten Redner ein Einreiseverbot erlassen wurde, darüber hatte zuvor der «Stern» berichtet.
Die Organisatoren hatten den Tagungsort erst am Vormittag bei einer Pressekonferenz im Stadtteil Wedding und auf der Webseite des Kongresses bekannt gegeben. In der Ankündigung für den Kongress und in der Pressekonferenz warfen sie Israel unter anderem «Apartheid», «Kolonialismus» und «Völkermord» (Genozid) im Gazastreifen vor. Deutschland trage eine «Mitschuld», weil es Waffen an Israel liefere.
Das beispiellose Massaker mit mehr als 1200 Toten, das Terroristen der islamistischen Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübt hatten, wurde in dem Aufruf gar nicht und in der Pressekonferenz erst auf mehrfache Nachfrage von Journalisten erwähnt. Israel hatte auf den Überfall mit einem großangelegten Angriff auf den Gazastreifen geantwortet. Der Krieg dauert seit nunmehr einem halben Jahr an, Tausende Zivilisten starben dabei.