Die Razzia kurz nach dem Nikolaustag 2022 war ein Paukenschlag: «Reichsbürger» sollen einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben.
04.06.2024 - 17:24:21«Reichsbürger»-Prozess fortgesetzt - Zeugen befragt. Noch immer gibt es Einsätze in dem Zusammenhang.
Mit einer erneuten Razzia ist die Bundesanwaltschaft gegen mögliche Unterstützer der mutmaßlichen Terrorgruppe um den «Reichsbürger»-Ideologen Heinrich XIII. Prinz Reuß vorgegangen.
Ein Großaufgebot der Polizei durchsuchte seit dem frühen Morgen sieben Objekte und drei Grundstücke in Baden-Württemberg, Sachsen und Schleswig-Holstein, wie eine Sprecherin der Karlsruher Behörde mitteilte. Zuerst hatte der «Spiegel» berichtet. In abgehörten Telefonaten hätten einzelne Beschuldigte demzufolge wiederholt von größeren Waffenlagern gesprochen, die bis dato nicht entdeckt wurden.
Zwei Beschuldigte aus Baden-Württemberg
Die Maßnahmen richten sich nach Angaben der Bundesanwaltschaft zufolge gegen zwei Beschuldigte aus Baden-Württemberg. Ihnen werde Unterstützung einer inländischen terroristischen Vereinigung zur Last gelegt, sagte die Sprecherin weiter. Über Festnahmen war zunächst nichts bekannt.
Nach dpa-Informationen wurden Wohnräume der beiden Beschuldigten in Althengstett und Bad Teinach (beide Kreis Calw) durchsucht sowie dortige Grundstücke. Die beiden Beschuldigten, ein Mann im Alter von 73 Jahren und eine 63 Jahre alte Frau, stehen im Verdacht, der «Reichsbürger»-Gruppierung um Prinz Reuß zum Jahreswechsel 2021/2022 Räumlichkeiten in Sachsen für die Durchführung von Rekrutierungsveranstaltungen zur Verfügung gestellt haben.
Mutmaßlich führende Köpfe der Gruppe müssen sich derzeit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main verantworten. Die weibliche Beschuldigte soll zudem einem von ihnen, Rüdiger v. P., im Herbst 2021 ein Auto überlassen haben.
Die sogenannten Reichsbürger in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.
Bisher Dutzende Festnahmen und drei Prozesse
Öffentlich bekanntgeworden war die Gruppe infolge einer großangelegten Anti-Terror-Razzia kurz nach dem Nikolaustag 2022 in mehreren Bundesländern und im Ausland. Dutzende Menschen wurden seitdem in dem Zusammenhang festgenommen. Die Beschuldigten sollen vorgehabt haben, das politische System in Deutschland zu stürzen.
Sie hätten bewusst Tote in Kauf genommen, meint die Anklage. In Grundzügen sollen sie schon Strukturen für eine eigene Staatsordnung ausgearbeitet haben. Als Staatsoberhaupt hätte Prinz Reuß fungieren sollen. Auch Ressorts seien schon verteilt gewesen: So hätte die ehemalige Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann für Justiz zuständig sein sollen. Auch ein ehemaliger Offizier des Kommandos Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr gehört zu den Beschuldigten.
In drei Prozessen an den Oberlandesgerichten Frankfurt am Main, Stuttgart und ab dem 18. Juni auch in München sollen die Hauptbeschuldigten zur Verantwortung gezogen werden. In Frankfurt sagte ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) zu den persönlichen Verhältnissen von Reuß aus. Es ging um Details etwa zu Firmenbeteiligungen, Internetauftritte und Vereine von Reuß, die Zahl seiner Autos sowie seine Finanzen, Konten und Wohnorte. Die Verteidiger intervenierten immer wieder.
In Stuttgart ist vor allem der militärische Teil der mutmaßlichen Terrorgruppe angeklagt. Dieser sollte laut Anklage die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen. Dazu sei schon mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von 286 militärisch organisierten Verbänden, sogenannten Heimatschutzkompanien, begonnen worden. Die «Heimatschutzkompanie Nr. 221» soll für den Bereich der Gebiete Freudenstadt und Tübingen zuständig gewesen sein. In der Region liegt auch der Landkreis Calw.
Spezialeinheiten und Kampfmittelexperten im Einsatz
An den Durchsuchungsmaßnahmen waren mehr als 700 Beamte des Bundeskriminalamts, der Bundespolizei sowie der Landespolizeien von Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein beteiligt.
Hierzu zählen laut der Bundesanwaltschaftssprecherin auch Spezialeinheiten des Bundes sowie des Landes Baden-Württemberg. Die Maßnahmen in Baden-Württemberg werden durch Kräfte des Kampfmittelräumdienstes des Landes sowie in Sachsen durch Kräfte des Technischen Hilfswerks unterstützt. Auch schweres Gerät sei im Einsatz, hieß es.
Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden führte im Erzgebirgskreis zwei Razzien gegen die Reichsbürgerszene durch. Den Angaben zufolge fanden die Durchsuchungen in Seiffen und Pockau-Lengefeld statt. Hintergrund sei das Verfahren gegen Heinrich XIII. Prinz Reuß. Weitere Details waren zunächst nicht bekannt.
Zeugen äußern sich
Ein Beamter des Bundeskriminalamts (BKA) sagte vor dem Oberlandesgericht aus. Es ging um Ermittlungsergebnisse zu den persönlichen Verhältnissen von Heinrich Prinz XIII. Reuß.
Bei den Ermittlungen ging es der Befragung durch den Vorsitzenden Richter zufolge unter anderem um Firmenbeteiligungen, Internetauftritte und Vereine von Reuß. Auch die Zahl seiner Autos sowie seine Finanzen, Konten und Wohnorte waren Thema.
Die Vernehmung des Kriminalkommissars verlief intensiv. Gut zwei Stunden erklärte dieser seine Ermittlungsergebnisse zu Prinz Reuß. Nach der Aussage über Reuß befragten mehrere Verteidiger den Kriminalbeamten noch zu den Ermittlungen, wie diese abliefen und wer daran beteiligt war sowie zur Ausarbeitung des vom Zeugen verfassten Vermerk mit allen niedergeschriebenen Erkenntnissen.
Der Zeuge sprach mehrmals Punkte der Sache, also der Anklage an, die von der Verteidigung von Reuß beanstandet wurden, sodass Anklagepunkte völlig ausgeklammert wurden. «Es ist eine Befragung zu den persönlichen Verhältnissen von Prinz Reuß«, ermahnte der Vorsitzende mehrmals.
Der Zeuge sagte zudem aus, dass Reuß noch immer verheiratet sei. Die Verteidigung von Reuß verwies darauf, dass er bereits seit 2005 geschieden sei. Dieser Umstand machte einen großen Teil der Befragung durch die Verteidiger aus.
Zweiter Zeuge schildert Razzia
Ein zweiter Zeuge machte vor allem Angaben zum Einsatzgeschehen während der Razzia um die «Reichsbürger»-Gruppe im Dezember 2022. Er war damals Durchsuchungsleiter der Wohnung von Reuß in Frankfurt. «Wir mussten uns den Platz freiräumen, um überall dranzukommen», schilderte er. Es sei staubig und unaufgeräumt in der Wohnung gewesen – Reuß aber zeigte sich kooperativ und gefasst. Unter anderem Datenträger wie Festplatten und USB-Sticks, 32 Schuss Kleinkalibermunition und Finanzdokumente seien sichergestellt worden. Auch Pfeffersprays in einer Schublade im Badezimmer und ein Säbel seien in der Wohnung gefunden worden.