Ampel-Fraktionschefs, Bauernverbände

Die Proteste der Bauern gegen Subventionskürzungen gehen unvermindert weiter.

11.01.2024 - 05:15:02

Ampel-Fraktionschefs laden Bauernverbände zu Gespräch ein. Die Ampel macht nun ein Gesprächsangebot. Derweil wird der Kanzler mit lautem Protest in Cottbus empfangen.

Die Vorsitzenden der drei Ampel-Fraktionen im Bundestag haben angesichts der anhaltenden Bauern-Proteste die Spitzen der Landwirtschaftsverbände für Montag zu einem Gespräch eingeladen. Ein entsprechendes Schreiben verschickten die Fraktionschefs Rolf Mützenich (SPD), Britta Haßelmann (Grüne) und Christian Dürr (FDP) bereits am Mittwochnachmittag an die Verbände.

«Bei den aktuellen Demonstrationen wird deutlich, dass es Ihrem Berufsstand jedoch nicht nur um finanzielle Belastungen geht, sondern auch um fehlende Planungssicherheit und wirtschaftliche Perspektiven für die landwirtschaftlichen Betriebe», heißt es in der Einladung, die der Deutschen-Presse-Agentur vorliegt. «Uns ist es wichtig, zu diesen Fragen mit Vertreterinnen und Vertretern der Landwirtschaft in direktem Dialog zu bleiben.»

Verbandsspitzen sollen ohne Begleitung zum Termin kommen

Die Ampel-Regierung hat mit ihren Plänen für den Abbau der Steuervergünstigungen für Agrardiesel einen Proteststurm der Bauern ausgelöst, der auch durch Zugeständnisse der Regierung nicht gestoppt werden konnte. Derzeit läuft eine Aktionswoche, deren Höhepunkt am kommenden Montag eine Großdemonstration in Berlin sein soll.

Für diesen Tag haben nun die Ampel-Fraktionschefs insgesamt acht Verbände zum Gespräch eingeladen. Die Vorstände werden in dem Einladungsschreiben vorsorglich aufgerufen, alleine zu dem Treffen zu kommen: «Um einen vertrauensvollen Austausch in entsprechender Gesprächsatmosphäre einrichten zu können, bitten wir Sie von Begleitungen zu diesem Termin abzusehen.»

Positive Reaktion auf Gesprächsangebot

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) begrüßte in einer ersten Reaktion die Initiative der Ampel. Ihr Vorsitzender Martin Schulz rief die Regierung und die Fraktionsspitzen dazu auf, «das Ruder in der Agrarpolitik endlich herumzureißen».

Der Bauernverband gibt sich mit der von der Regierung vorgenommene Entschärfung der Subventionskürzungen weiterhin nicht zufrieden. Präsident Joachim Rukwied setzt auf das noch bevorstehende parlamentarische Verfahren, das in der nächsten Woche beginnt. «Jetzt ist es an der Bundesregierung und an den Fraktionen im Deutschen Bundestag, diese Proteste zu beenden», sagte er der dpa. «Ein fauler Kompromiss, wie er derzeit auf dem Tisch liegt, kann keine Lösung sein - denn der wird keinen Traktor von der Straße holen.» Die Fraktionen müssten nun intensiv darüber beraten, «wie die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft erhalten bleiben kann und wie die Proteste beendet werden können».

Scholz wird in Cottbus von protestierenden Bauern empfangen

Am Donnerstag gingen die Aktionen der Bauern zunächst unvermindert weiter. In Cottbus war Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) unmittelbar davon betroffen. Beim Besuch eines neuen Bahnwerks wurde er in der brandenburgischen Stadt mit lautem Protest von demonstrierenden Bauern empfangen. Die Polizei leitete eine Traktorenkolonne an dem Werk vorbei. Die Halle des Bahnwerks war abgesperrt, die Bauern kamen mit den Traktoren nicht heran.

Scholz ging am Rande der Werks-Eröffnung in den Dialog mit Brandenburgs Landesbauernpräsident Henrik Wendorff. Der Kanzler zeigte sich offen. «Es ist erkannt worden, dass jetzt - leider viel zu spät - in einen Dialog eingetreten wird, den wir schon lange, lange erwartet haben», sagte Brandenburgs Landesbauernpräsident Henrik Wendorff nach dem Treffen mit Scholz in Cottbus. Scholz habe ihm gesagt, er werde mit Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sprechen.

Wendorff betonte: «Das reicht nicht.» Damit werde er die Landwirte nicht von heute auf morgen von den Straßen bekommen. Als Wendorff den Bauern sagte, Scholz habe trotz des knappen Zeitfensters mit ihm gesprochen, gab es lautes Raunen und Rasseln.

Die Bundesregierung plant, die seit mehr als 70 Jahren bestehende Steuervergünstigung beim Agrardiesel nicht mehr auf einen Schlag abzuschaffen, sondern schrittweise über drei Jahre auslaufen zu lassen. Eine vorgesehene Streichung der Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte hat die Koalition bereits ganz zurückgenommen. Der Bauernverband hat die bisherigen Korrekturen als nicht ausreichend bezeichnet. Der Bundestag muss den Plänen noch zustimmen.

Esken macht Bauern keine Hoffnung

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken machte den Bauern keine Hoffnung darauf, dass sich die Ampel-Koalition noch bewegen wird. «Wir haben uns jetzt darauf verständigt, diese Subvention beim Agrardiesel Schritt für Schritt abzuschmelzen - da sollten wir auch bei bleiben», sagte Esken im RTL/ntv-«Frühstart». Es gehe darum, klimaschädliche Subventionen abzubauen. Dies gelte unter dem Eindruck des Haushalts, es sei aber auch ein generelles Ziel der Ampel-Koalition.

Esken rief die Landwirte zur Mäßigung bei den Protesten auf. Diese seien im Rahmen des Demonstrationsrechts zwar in Ordnung. «Im gleichen Moment muss man sich immer fragen, ob man mit seinen Aktionen eigentlich noch die Sympathie der Bevölkerung erreichen kann, wenn man so nervt, dass eben die Schulen, die Betriebe nicht mehr erreicht werden können», sagte die SPD-Chefin. Zudem könnten die Proteste eine Gefahr für die Arbeit von Rettungs- oder Pflegediensten sein. «Ich glaube, die Bauern kommen am Ende selbst zu der Bewertung, dass man es nicht übertreiben darf.»

Mützenich schließt Änderungen nicht aus

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schließt Änderungen an den Subventionskürzungen für Bauern in den bevorstehenden parlamentarischen Beratungen nicht aus. «Wir ziehen nichts durch, sondern wir diskutieren. Wir nehmen alle Argumente auf und am Ende entscheiden wir», sagte Mützenich vor einer Klausurtagung der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin.

Mützenich betonte, dass er mit dieser Haltung auch in das Gespräch der Ampel-Fraktionschefs mit den Vorsitzenden der acht Bauern-Verbände am nächsten Montag gehen wolle. Dazu hatte der SPD-Fraktionschef am Mittwoch zusammen mit seinem Kollegen Christian Dürr von der FDP und seiner Kollegin Britta Haßelmann von den Grünen eingeladen.

«Wir schauen uns jetzt alle Vorschläge der Bundesregierung an. Das ist nicht nur Tradition, sondern wohlverstandenes Eigeninteresse», sagte er. «Am Ende werden Entscheidungen in einer Demokratie von denjenigen getroffen, die der Souverän für vier Jahre mit diesem Mandat ausgestattet hat. Und dafür stehe ich auch ein.»

Dürr: Mehr Planungssicherheit für Bauern

Der FDP-Fraktionschef im Bundestag, Christian Dürr, hat im Streit um die Landwirtschaftspolitik Fehler der Bundesregierung eingeräumt. «Wenn wir von Zeitenwende reden, dann darf das und muss das auch die Agrarpolitik in Berlin und in Brüssel betreffen. Planungssicherheit für mittelständische Unternehmer, das ist an der Stelle mein Ziel. Und ja, zu kurzfristige Entscheidungen in Berlin sind auch ein Fehler», sagte Dürr bei einer Bauerndemo mit mehr als 1000 Teilnehmern in Hannover. Die vom Bund geplanten Subventionskürzungen hatten viele Landwirte überrascht.

Auch Lastwagen beteiligen sich an Protesten

Nicht nur die Bauern protestieren - auch mehrere Tausend Lastwagen waren nach Angaben des Branchenverbandes BGL bei den Protestzügen dabei.

«Ich bin froh und stolz, dass es uns gelungen ist, mit demokratischem Mitteln auf den enormen Unmut im Mittelstand hinzuweisen, ohne uns von radikalen Nationalisten vereinnahmen zu lassen», sagte Dirk Engelhard, Vorstandssprecher des Bundesverband für Güterkraftverkehr (BGL).

Für Unmut sorgt beim BGL vor allem der CO2-Aufschlag zum 1. Dezember auf die Lkw-Maut bei gleichzeitiger Erhöhung der CO2-Abgabe zum Jahreswechsel von 30 auf 45 Euro je Tonne Kohlendioxid, die sich beim Tanken bemerkbar macht. Der Verband verwies auf eine Koalitionszusage zur Vermeidung einer doppelten CO2-Bepreisung bei Maut plus Diesel, diese müsse eingehalten werden.

Am Freitag ist den Angaben zufolge eine große Lkw-Protestaktion auf der Theresienwiese in München geplant. Höhepunkt der gemeinsamen Aktionswoche mit dem Bauernverband soll eine Großkundgebung am Montag in Berlin sein, zu der Hunderte Lkw erwartet würden. Ob und inwieweit die Protestaktionen danach fortgesetzt würden, hänge von den politischen Reaktionen ab, erklärte der BGL.

@ dpa.de