Die Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) hat unmittelbar vor dem nächsten Umsetzungsschritt der landesweiten Klinikreform Augenmaß von Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) eingefordert.
15.06.2024 - 02:00:00Kliniken mahnen zu Augenmaß bei NRW-Krankenhausreform
"In der Lokalpolitik wird es viele Widerstände geben", so Morell weiter. Das NRW-Gesundheitsministerium hat nach Informationen der Zeitung damit begonnen, den rund 330 Krankenhäusern im Land schriftlich mitzuteilen, wie es sich die künftige Versorgungsstruktur vorstellt. Dabei geht es um neue Vorgaben für Behandlungsqualität, Spezialisierung und Fallzahlen. Jedes Krankenhaus wird kommende Woche wissen, welche Eingriffe es künftig noch abrechnen kann und welche absehbar nicht mehr. Bis Mitte August läuft dann ein Anhörungsverfahren, in dem die Kliniken beim Land Einsprüche vorbringen können. Der endgültige Versorgungsauftrag soll dann bis Jahresende erteilt werden. Es geht um noch offene 60 sogenannte Leistungsgruppen mit zum Teil hohem medizinischen Spezialisierungsgrad. Vor einem Monat hatte das Land bereits die künftige Versorgungsstruktur für Standardbehandlungen der Allgemeinen Chirurgie, der Allgemeinen Inneren Medizin, der Geriatrie und Intensivmedizin veröffentlicht. "Da kommen jetzt Einschnitte, die richtig weh tun", prophezeite Morell. Im Regierungsbezirk Düsseldorf hätten zum Beispiel 33 Krankenhäuser Lebereingriffe beantragt, es sollen aber nur noch neun berücksichtigt werden. Bei Operationen der Bauspeicheldrüse würden nur noch 15 Kliniken zum Zuge kommen, obwohl sich 33 dafür beworben haben. Beim Ovarialkarzinom (Eierstockkrebs) sollen nur noch acht von 33 Krankenhäusern, die solche Eingriffe vornehmen wollen, berücksichtigt werden. "Die Zahlen zeigen, dass da massive Veränderungen stattfinden", sagte Morell. Der KGNW-Präsident, der selbst einen Klinikverbund führt, sieht auf die Krankenhäuser zum Teil teure Neuaufstellungen zukommen. "Wir haben als Träger einige Krankenhäuser im Rheinland, fünf davon machen seit vielen Jahren Wirbelsäulen-, Hüft- und Knieoperationen. Alle verfügen also über nachgewiesene Expertise. Trotzdem werden wir uns voraussichtlich darauf einigen müssen, dass künftig nur noch jeweils ein Haus diese Leistung anbieten soll", so Morell. Abteilungen müssten umgewandelt, Kündigungen ausgesprochen, mitunter ertragsstarke Behandlungsbereiche in der Klinikbilanz ausgeglichen werden. Solche Transformationskosten kämen zur Unzeit. "80 Prozent der Krankenhäuser schreiben rote Zahlen", sagte Morell. Denn die jüngsten Insolvenzen wie zuletzt in Emmerich, Haan oder Ratingen hätten gezeigt, "dass ein unvermittelter Einschnitt die Bevölkerung stark verunsichert". Das Land hat bislang für den Einstieg in die Umsetzung der Krankenhausplanung 2,5 Milliarden Euro bereitgestellt. Ob damit sogenannte Transformationskosten bezahlt werden können, ist unklar. Seit vier Jahren arbeitet NRW-Gesundheitsminister Laumann an einem neuen Krankenhausplan für NRW. Erstmals soll die Kliniklandschaft nicht mehr an der Bettenzahl ausgerichtet werden, sondern an Fallzahlen und Behandlungsqualität. Krankenhäuser mussten sich für bestimmte Eingriffe bewerben und bestimmte Qualitätsvorgaben wie Häufigkeit der Eingriffe, technische Ausstattung und Personal nachweisen. Laumann begegnet damit dem Fachkräftemangel in der Medizin und will mit höheren Operationszahlen in spezialisierten Kliniken eine höhere Behandlungsqualität erreichen. Trotzdem soll für 90 Prozent der Bevölkerung ein Krankenhaus der Grund- und Notfallversorgung innerhalb von 20 Minuten mit dem Auto erreichbar bleiben. Unabhängig vom neuen NRW-Krankenhausplan verfolgt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) noch weitergehende Reformüberlegungen. Kernpunkt seiner Krankenhausreform, die 2025 in Kraft treten soll, ist die Abkehr von festen Fallpauschalen pro Eingriff, die bislang den Kliniken einen Anreiz für möglichst viele und teure Behandlungen boten. Ähnlich wie Laumann will auch Lauterbach mehr spezialisierte Großkliniken und weniger Krankenhäuser, die von allem etwas anbieten. Streit gibt es jedoch darüber, wie weit der Bund künftig mit Vorgaben in die regionale Versorgungsstruktur eingreifen darf.