Die Ermittlungen zur Sprengung der Nord-Stream-Pipelines laufen seit Jahren.
21.08.2025 - 12:34:21Nord-Stream-Sabotage - Verdächtiger in Italien festgenommen. Das Ganze wurde eine Art Polit-Thriller. Nun ist die Bundesanwaltschaft einen entscheidenden Schritt weiter.
Im Zusammenhang mit der Sabotage an den Nord-Stream-Pipelines im September 2022 hat die Bundesanwaltschaft in Italien einen tatverdächtigen Ukrainer festnehmen lassen. Die Karlsruher Behörde wirft dem Beschuldigten Serhij K. unter anderem das gemeinschaftliche Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. Über die Festnahme berichtete zuvor der «Spiegel».
Der Mann soll den Angaben zufolge zu einer Gruppe von Personen gehören, die vor rund drei Jahren nahe der dänischen Ostseeinsel Bornholm Sprengsätze an den Gaspipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 platzierte. «Bei dem Beschuldigten handelte es sich mutmaßlich um einen der Koordinatoren der Operation», teilt die Bundesanwaltschaft mit.
Verdächtiger soll im Urlaub gewesen sein
Serhij K. sei in der vergangenen Nacht in der italienischen Provinz Rimini von Beamten der Carabinieri-Station in Misano Adriatico gefasst worden. Man habe eng mit dem Dienst für Internationale polizeiliche Zusammenarbeit kooperiert, hieß es weiter. Der Beschuldigte solle demnächst nach Deutschland überstellt und dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt werden, der über die Untersuchungshaft entscheidet.
Der italienischen Nachrichtenagentur Ansa zufolge hielt sich der 49 Jahre alte Mann seit einigen Tagen mit seiner Familie im Urlaub an der Adria-Küste auf. Offensichtlich sei bei einer Kontrolle festgestellt worden, dass es sich um den europaweit gesuchten Mann handele. Er sei ins Gefängnis gebracht worden. Die Entscheidung über die Vollstreckung des vorliegenden europäischen Haftbefehls liege beim Berufungsgericht der norditalienischen Stadt Bologna.
Lecks an Leitungen
Mehrere Sprengungen hatten die beiden Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 Ende September 2022 beschädigt und unterbrochen. Die Explosionen wurden in der Nähe von Bornholm registriert. Wenig später entdeckte man vier Lecks an drei der insgesamt vier Leitungen der Nord-Stream-Pipelines. Durch Nord Stream 1 floss zuvor russisches Erdgas nach Deutschland. Nord Stream 2 war wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der folgenden politischen Streitigkeiten noch nicht in Betrieb.
Nach der Tat kam schnell die Frage auf, wie die Sprengladungen wohl angebracht wurden, um die Leitungen der Pipelines zu beschädigen. Experten hielten es für wahrscheinlich, dass ausgebildete Taucher Sprengsätze an den Orten angebracht haben könnten. Die Behörden mehrerer Länder hatten nach dem Anschlag Ermittlungen aufgenommen. Dänemark und Schweden stellten die Verfahren aber ein.
Weiterer Ukrainer im Visier der Ermittler
Zu den Tätern und den Drahtziehern kursierten lange unterschiedliche Spekulationen. Schließlich geriet unter anderem der Ukrainer Wolodymyr Z. ins Visier der Ermittler, der Medienberichten zufolge Tauchlehrer sein soll. Er hielt sich nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft Warschau zunächst in Polen auf, habe sich von dort aber in sein Heimatland abgesetzt. Die deutschen Strafverfolger hatten sich mit einem Europäischen Haftbefehl an die polnischen Behörden gewandt. Bisher ist er nicht gefasst.
Möglich sei die Ausreise gewesen, weil von deutscher Seite kein Eintrag in das Schengen-Register erfolgt sei, in dem die mit Europäischem Haftbefehl Gesuchten geführt werden, sagte 2024 eine Sprecherin der Warschauer Generalstaatsanwaltschaft. «Wolodymyr Z. hat die polnisch-ukrainische Grenze überquert, bevor es zur Festnahme kam, und der polnische Grenzschutz hatte weder die Informationen noch die Grundlage, um ihn festzunehmen, da er nicht als Gesuchter aufgelistet war.» Medien berichteten über Details der Ermittlungen, die der Generalbundesanwalt nicht kommentierte.
Spuren führen zu Segeljacht
Auch eine Segeljacht stand im Fokus, auf der im Juli 2023 Sprengstoffspuren entdeckt wurden. Es wurde vermutet, dass die «Andromeda» möglicherweise für den Transport des Sprengstoffs zum Einsatz kam. Berichten zufolge gingen die Ermittler davon aus, dass das Sabotage-Kommando an Bord des Bootes mutmaßlich aus fünf Männern und einer Frau bestand.
Die Bundesanwaltschaft erklärt nun zu der Festnahme, für den Transport hätten der Beschuldigte und seine Mittäter eine Segeljacht genutzt, die von Rostock aus startete. Die Jacht sei zuvor mit Hilfe gefälschter Ausweispapiere über Mittelsmänner bei einem deutschen Unternehmen angemietet worden.
Hubig betont «beeindruckenden Ermittlungserfolg»
Die Ermittlungen zu dem Nord-Stream-Komplex kämen gut voran, hatte Generalbundesanwalt Jens Rommel im November dem «Spiegel» gesagt. «Es ist uns gelungen, zwei Beschuldigte zu identifizieren». Es bleibe allerdings noch viel zu tun. «Die Identität weiterer Beteiligter, die Tatmotivation und insbesondere die Frage nach einer etwaigen staatlichen Steuerung der Operation sind Gegenstand der laufenden Ermittlungen.»
«Der Bundesanwaltschaft ist ein sehr beeindruckender Ermittlungserfolg gelungen», erklärte Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) zur Festnahme. «Die Sprengung der Pipelines muss aufgeklärt werden, auch strafrechtlich. Deshalb ist es gut, dass wir dabei vorankommen. Ich danke allen, die an dieser hochkomplexen Operation beteiligt waren - und weiter daran arbeiten, Recht und Gesetz Geltung zu verschaffen.»