Die AfD zieht Maximilian Krah nach der Festnahme seines Mitarbeiters wegen mutmaĂlicher Spionage fĂŒr China erst einmal aus dem Wahlkampf heraus.
24.04.2024 - 14:47:10Spionage-AffÀre: AfD-Wahlkampf zunÀchst ohne Krah. Aber nur kurzfristig.
Der AfD-Europaabgeordnete Maximilian Krah bleibt trotz SpionagevorwĂŒrfen gegen einen seiner Mitarbeiter Spitzenkandidat der AfD fĂŒr die Europawahl.
Bei einem KrisengesprĂ€ch vereinbarten die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla in Berlin mit Krah, dass er zwar auf einen ersten ursprĂŒnglich am Wochenende geplanten Wahlkampfauftritt zur Europawahl verzichten soll. AuĂerdem sollen fertig produzierte Wahlvideos mit Krah nicht ausgestrahlt werden, wie aus der Parteispitze bestĂ€tigt wurde. ZunĂ€chst hatte darĂŒber die «Bild» berichtet. Auch Plakate mit Krah soll es nicht geben. Weitere Konsequenzen wurden aber nicht angekĂŒndigt.
Krah sagte nach dem Treffen, er habe sich kein persönliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Kritiker Ă€uĂerten Zweifel an seiner Unschuld. Der Verfassungsschutz warnte Politiker und Unternehmen vor NaivitĂ€t im Umgang mit autoritĂ€ren Staaten wie China.
KrisengesprÀch im kleinsten Kreis
AfD-Chefin Alice Weidel steigt am Morgen mit versteinerter Miene in einen Fahrstuhl des Jakob-Kaiser-Hauses des Bundestages. Vor ihrem BĂŒro und dem von AfD-Co-Chef Tino Chrupalla haben sich Kamerateams aufgebaut. Kurzfristig wird entschieden, dem Trubel aus dem Weg zu gehen. Das fĂŒr 9.00 Uhr anberaumte KrisengesprĂ€ch mit Krah im kleinsten Kreis wird unbemerkt in den groĂen Fraktionssitzungssaal der AfD im ReichstagsgebĂ€udes verlegt. Dort geht dann alles recht schnell. Nach zwanzig Minuten kommt Krah alleine wieder heraus und eilt hinunter ans Spreeufer fĂŒr ein Statement.
Sehr freundlich, konstruktiv, aber der Sache angemessen ernst sei das GesprĂ€ch mit den beiden Parteichefs gewesen, erklĂ€rt er. Beim Wahlkampfauftakt am Samstag in Donaueschingen werde er nicht dabei sein. «Wenn Sie jetzt aber glauben, das sei das Ende meiner Spitzenkandidatur, dann muss ich Sie enttĂ€uschen. Ich bin und bleibe Spitzenkandidat.» Andere Auftritte werde er wahrnehmen. Von seinem Mitarbeiter, der wegen mutmaĂlicher Spionage fĂŒr China inzwischen in Untersuchungshaft sitzt, wolle er sich noch heute trennen, kĂŒndigt er an.
Chrupalla und Weidel wollen nichts sagen
Chrupalla und Weidel verlassen kurze Zeit spĂ€ter den Sitzungssaal mit ernsten Mienen. Kein Kommentar. SpĂ€ter kommt eine dĂŒrre schriftliche Stellungnahme: Man habe mit Krah die schwerwiegenden SpionagevorwĂŒrfe gegen seinen Mitarbeiter «und die damit einhergehende RufschĂ€digung» erörtert. Krah habe sich entschieden, am bevorstehenden Wahlkampfauftakt nicht teilzunehmen, um Wahlkampf und Ansehen der Partei nicht zu belasten. Weitere mögliche Schritte nennen sie nicht.
«Jegliche Einflussnahmen fremder Staaten durch Spionage, aber auch der Versuch, Meinungen und Positionen zu kaufen, mĂŒssen aufgeklĂ€rt und mit aller HĂ€rte unterbunden werden», teilen Chrupalla und Weidel weiter mit. Um eine öffentliche Debatte ĂŒber mögliche Verfehlungen von AfD-Politikern wird ihre Fraktion nicht herumkommen. Auf Verlangen der Ampel-Fraktionen soll an diesem Donnerstag in einer Aktuellen Stunde im Bundestag ĂŒber «Die Bedrohung unserer Demokratie - Russland, China und die Rolle der AfD» gesprochen werden.
AffÀre belastet Europawahlkampf der Partei
Die AffĂ€re belastet die Partei keine sieben Wochen vor der Europawahl am 9. Juni noch viel stĂ€rker als die schon vorangegangenen Berichte ĂŒber mögliche Verbindungen Krahs und seines Parteikollegen Petr Bystron, der Nummer zwei der AfD auf der Europawahlliste, zu prorussischen Netzwerken. Krahs Mitarbeiter soll Informationen aus dem Europaparlament an China weitergegeben und chinesische Oppositionelle in Deutschland ausgespĂ€ht haben. Krah spricht von einer unangenehmen Angelegenheit. «Es bleibt aber dabei, dass ich kein persönliches Fehlverhalten mir vorzuwerfen habe.»
Das nehmen ihm politische Gegner nicht ab. Krah sei im Verlauf der Legislaturperiode der «lauteste Vasall Chinas» aus dem Lager der Rechten im EuropĂ€ischen Parlament gewesen, sagt der GrĂŒnen-Europaabgeordnete Reinhard BĂŒtikofer im Deutschlandfunk. «TatsĂ€chlich kann ich mir nicht vorstellen, dass Krah unbekannt war, was sein Mitarbeiter treibt.»
Auf dem Schirm hatten die Sicherheitsbehörden Jian G. wohl schon eine ganze Weile. Dass die Ermittler jetzt zugegriffen haben, mag auch daran liegen, dass man seine Flucht ins Ausland nicht riskieren wollte. FĂŒr eine Stellungnahme war er bisher nicht zu erreichen.
Ănderungen nicht ohne Weiteres möglich
Wie es fĂŒr Spitzenkandidat Krah in der AffĂ€re konkret weitergeht, wird auch davon abhĂ€ngen, was bei den Ermittlungen gegen seinen Mitarbeiter herauskommt und ob er dabei vielleicht auch belastet wird. Einfach ausgetauscht werden als Spitzenkandidat kann Krah nicht. Die Kandidatenliste der AfD ist fristgerecht eingereicht worden und kann nicht mehr geĂ€ndert werden. Das geht nur, wenn ein Kandidat stirbt oder sein passives Wahlrecht verliert, also das Recht gewĂ€hlt zu werden, zum Beispiel im Zuge eines Prozesses wegen einer Straftat. Ein einmal zugelassener Bewerber, könne vor der Wahl auch nicht einfach von seiner Kandidatur zurĂŒcktreten, heiĂt es aus dem BĂŒro der Bundeswahlleiterin. Theoretisch könnte ein Abgeordneter wie Krah höchstens sein Mandat abgeben, sobald er gewĂ€hlt ist.
Verfassungsschutz: China nutzt gesamte Bandbreite der Methoden
An diesem turbulenten Mittwoch berieten in Berlin auch hochrangige Experten bei einer Sicherheitstagung ĂŒber «Chinas Streben in der Welt». Mit dabei waren der Verfassungsschutz, dessen Erkenntnisse zur Festnahme von Jian G. gefĂŒhrt haben. Das EuropĂ€ische Parlament sei sowohl fĂŒr Russland als auch fĂŒr China eine wichtige Spielwiese, um Informationen abzugreifen beziehungsweise Entscheidungen zu beeinflussen, sagt Verfassungsschutz-VizeprĂ€sident Sinan Selen der Deutschen Presse-Agentur.
Auf die Frage, ob er den Eindruck habe, dass es bei deutschen Parlamentariern im Bundestag oder Europaparlament schon erfolgreiche Einflussnahme chinesischer Geheimdienste gegeben habe, sagt er spĂ€ter bei einer Pressekonferenz: «Ja, das muss man mit einkalkulieren». Es gebe einen politischen Austausch mit China. Der sei «mehr als gewĂŒnscht» und kein Thema fĂŒr den Verfassungsschutz. Daneben gebe es aber auch illegitime Methoden. Und es sei davon auszugehen, dass China auch in Deutschland die gesamte Bandbreite der Methoden nutze.