Scholz, Kooperationsangebot

Der Kanzler und die Unionsfraktion betonen ihre Ernsthaftigkeit, gemeinsam zu Lösungen kommen, um irreguläre Migration zu verringern.

10.09.2024 - 05:00:39

Scholz: Kooperationsangebot ehrlich gemeint - Treffen offen. Doch schon ein neuer Gesprächstermin ist in der Schwebe.

  • Unionsfraktionsgeschäftsführer Frei vermisst noch Antworten von Regierung. (Archivbild) - Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

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  • Kanzler Scholz: Angebot zu Zusammenarbeit mit Union ernst gemeint.  - Foto: Thomas Kierok/ZDF/dpa

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  • Innenminister Faeser ordnet neue Grenzkontrollen an.  - Foto: Michael Kappeler/dpa

    Michael Kappeler/dpa

Unionsfraktionsgeschäftsführer Frei vermisst noch Antworten von Regierung. (Archivbild) - Foto: Bernd von Jutrczenka/dpaKanzler Scholz: Angebot zu Zusammenarbeit mit Union ernst gemeint.  - Foto: Thomas Kierok/ZDF/dpaInnenminister Faeser ordnet neue Grenzkontrollen an.  - Foto: Michael Kappeler/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz und die Unionsfraktion im Bundestag haben ihren ernsthaften Willen unterstrichen, zu gemeinsamen Lösungen beim Eindämmen der irregulären Migration zu kommen. Dennoch war bis in die Nacht nicht klar, ob ein für diesen Dienstag anvisiertes weiteres Treffen zwischen der Regierung, der Union als größter Oppositionskraft im Bund sowie Ländervertretern zustande kommt. Die Unionsfraktion vermisse zur Rechtssicherheit von Zurückweisungen weitere Details seitens der Regierung, erklärte der Parlamentarische Geschäftsführer Thorsten Frei. 

Bereits in der vergangenen Woche hatten sich Vertreter von Regierung, Unionsfraktion und Bundesländern getroffen. Am Montag ordnete Faeser dann vorübergehende Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen an, um die Zahl unerlaubter Einreisen stärker einzudämmen. Die Kontrollen sollen am 16. September beginnen und zunächst sechs Monate andauern. Auch habe die Regierung ein «Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen entwickelt», hieß es vom Ministerium. Faeser sagte, sie habe dies der Unionsfraktion mitgeteilt und vertrauliche Gespräche dazu angeboten. 

EU-weiter Dominoeffekt erwartet

«Bedauerlicherweise» habe die Ministerin ihm in einem Telefonat keine Details genannt, sagte Frei in den ARD-«Tagesthemen». Vergangene Woche sei vereinbart worden, dass die Regierung dazu ihre Rechtsposition mitteile. Zurückweisungen an der Grenze seien ein entscheidendes Kriterium für die Union, ob weitere Gespräche in dem Format Sinn machen.

Die Union geht davon aus, dass ihre Auffassung mit EU-Recht vereinbar ist. Frei rechnet zudem mit einem Dominoeffekt, sollte Deutschland Menschen zurückweisen: Andere Länder würden dann genauso verfahren. Innerhalb von Tagen, wenn nicht Stunden käme man zu einem effektiveren europäischen Außenschutz, zeigte sich der CDU-Politiker überzeugt.

Frei betonte: «Wenn uns gelänge, an der Stelle etwas zu erreichen, dann wäre das eine große Leistung für unser Land und die Menschen hier.» Die Union sei bestrebt, eine Lösung zu finden. Eine «ehrliche Lösungsfindung» müsse es aber auf beiden Seiten geben.

Kanzler würde sich über Gemeinsamkeit mit Union «wirklich freuen»

Kanzler Scholz versicherte, der Regierung sei es ernst mit gemeinsamen Lösungen. «Wir würden uns auch freuen, wenn wir da noch was gemeinsam machen können, auch mit der Opposition», sagte der SPD-Politiker beim Sommerfest der Parteizeitung «Vorwärts». «Im Rahmen klarer Prinzipien. Aber wir würden uns wirklich freuen.» Von SPD-Seite sei das Angebot ehrlich gemeint. «An uns wird es nicht liegen, falls es nicht klappt», sagte der Kanzler weiter. 

Scholz verwies zugleich darauf, dass die Bundesregierung bereits Gesetze auf den Weg gebracht habe, sowie auf das unlängst vorgelegte Sicherheitspaket. Es sieht Maßnahmen für eine härtere Gangart bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer vor, Schritte zur entschiedeneren Bekämpfung des islamistischen Terrors und Verschärfungen beim Waffenrecht. Es soll bereits am Donnerstag im Bundestag beraten werden. 

Grüne werfen Union «Erpressungsversuche» vor 

Von den Grünen kommt derweil geharnischte Kritik an der Haltung der Union. «Friedrich Merz benimmt sich wie ein trotziges Kind», sagte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Diese Erpressungsversuche sind nur noch lächerlich.» Die Grünen würden der Einladung der Innenministerin zum Gespräch folgen. 

Die von Faeser angeordneten vorübergehenden Kontrollen an allen deutschen Landgrenzen wurden von Unionsvertretern aus den Ländern zwar gutgeheißen. Jedoch pochten Hessens Ministerpräsident Boris Rhein in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe und Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (beide CDU) im «Tagesspiegel» auf Zurückweisungen an den Grenzen. 

Reul mahnte zugleich ein «umsichtiges» Handeln an. «Wir wollen die wunderschöne Errungenschaft offener Grenzen in Europa auch bewahren», betonte er. SPD-Chefin Saskia Esken sagte den Funke-Zeitungen, eine Begrenzung der irregulären Migration auf wasserdichten Grundlagen sei notwendig. Es komme aber auch darauf an, dass Deutschland «ein freundliches Gesicht» behalte.

Linken-Parteichef Martin Schirdewan kritisierte die Gesamtausrichtung der Debatte und verband dies mit den anstehenden Haushaltsberatungen. «Alle reden von Abschottung. Wir nicht. Statt den Rechten weiter hinterherzulaufen, um vom nächsten Kürzungshaushalt abzulenken, braucht es endlich eine Investitionswende für ein gerechtes, sicheres und funktionierendes Zusammenleben in unserem Land», sagte Schirdewan. 

Sorgenfalten bei Polizeigewerkschaft und Außenhandel

Mit Skepsis reagierte die Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf Faesers Ankündigung zu den Grenzkontrollen. Der Vorsitzende für den Bereich Bundespolizei, Andreas Roßkopf, warf angesichts der bereits jetzt starken Auslastung der Kollegen die Frage nach der Umsetzbarkeit auf. «Das wird eine sehr sportliche Herausforderung», sagte er dem RND. 

Auch in der Wirtschaft löste die Ankündigung Faesers Sorgen aus. Einschränkungen der Personenfreizügigkeit bedeuteten für die Wirtschaft immer Verzögerungen und damit Kostensteigerungen, sagte der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbands (BGA), Dirk Jandura, dem «Handelsblatt». «Sie stören die Logistik und bringen damit Lieferketten durcheinander.»

 

 

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