Amnesty, Report

Berlin - Den Bericht " State of the World's Human Rights" (Englisch), ausgewählte ins Deutsche übersetzte Kapitel sowie weiteres Pressematerial zum Download finden Sie hier.

29.04.2025 - 02:00:00

Amnesty Report 2024/25: Staatengemeinschaft versagt in der globalen Menschenrechtskrise

Übersetzte Kapitel sowie weiteres Pressematerial zum Download finden Sie hier.

Der Amnesty-Bericht zur weltweiten Lage der Menschenrechte 2024/25 dokumentiert eine globale Menschenrechtskrise. Bewaffnete Konflikte eskalieren und das Völkerrecht wird von seinen einstigen Verfechtern missachtet. Die Rechte von Schutzsuchenden und marginalisierten Gruppen werden in vielen Ländern beschnitten. Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte werden von Politiker*innen mit autoritärer Agenda offen angegriffen. Zu diesem Schluss kommt Amnesty International in dem 408-seitigen Bericht, für den 150 Länder untersucht wurden.

Julia Duchrow, Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, sagt: "Wir erleben einen epochalen Bruch: Rechtsstaat, Völkerrecht und Menschenrechtsschutz werden von einer Vielzahl von Staaten missachtet und angegriffen. Menschenrechtsverletzungen werden nicht mehr geleugnet oder vertuscht, sondern ausdrücklich gerechtfertigt.

Unser Jahresbericht dokumentiert brutale Taktiken zur Unterdrückung von Andersdenkenden, fatale Folgen für die Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten, unzureichende Bemühungen zur Bewältigung der Klimakrise sowie globale Rückschritte beim Schutz der Rechte von Migrant*innen, Geflüchteten, Frauen, Mädchen und LGBTI+. Die menschenrechtliche Architektur, auf die wir uns nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs geeinigt hatten, um Frieden, Freiheit und die Würde aller Menschen zu sichern, wird offen attackiert. Von der deutschen Regierung erwarten wir, dieser Entwicklung entgegenzutreten und weltweit Sprachrohr für die Menschenrechte zu sein.

Doch danach sieht es im vorliegenden Koalitionsvertrag von Union und SPD leider nicht aus. Die darin angekündigte 'Zeitenwende in der inneren Sicherheit' bedient rassistische Feindbilder, instrumentalisiert das Aufenthalts- und Migrationsrecht, bläht Überwachung auf und greift die Zivilgesellschaft an. Das bringt keine Sicherheit. Wer Sicherheit will, muss Menschenrechte verwirklichen."

Nadia Daar, Chief Strategy und Impact Officer bei Amnesty International USA, sagt: "In den ersten 100 Tagen hat die Regierung von Präsident Trump rücksichtslos den Menschenrechtsschutz ausgehöhlt, dabei Milliarden Menschen gefährdet und mit seiner Umarmung autoritärer Praktiken gefährliche Präzedenzfälle geschaffen. Die Trump-Administration greift Systeme, Institutionen und Finanzmittel an, die eine Schlüsselrolle bei der Wahrung der Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit spielen, und untergräbt sie. Sie greift Einzelpersonen und Communities an, die versuchen, in den USA Schutz zu suchen, sowie Studierende, die ihr Recht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen, bis hin zu LGBTI+-Gemeinschaften und vielen anderen.

Wir sind zutiefst besorgt über die zahlreichen Maßnahmen, die die aktuelle US-Regierung ergreift, um diejenigen zum Schweigen zu bringen oder zu bestrafen, die nicht ihrer Meinung sind. Präsident Trump spricht davon, 'Amerika wieder groß zu machen', während seine Regierung viele Werte bedroht, die den US-Amerikaner*innen wichtig sind, darunter die Meinungsfreiheit und der friedliche Protest. Die USA 'groß' zu machen, bedeutet, Rechte, Freiheiten, Würde und Sicherheit für alle Menschen in den USA und auf der ganzen Welt gleichermaßen zu fördern."

Menschenrechtsverstöße in bewaffneten Konflikten

Wie der Amnesty-Jahresbericht zeigt, wurden zehntausende Menschen 2024 und auch in den ersten Monaten dieses Jahres Opfer von Kriegsverbrechen und anderen schwerwiegenden Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht. Amnesty International dokumentierte in einem wegweisenden Bericht den Genozid Israels an den Palästinenser*innen im Gazastreifen. Russland hat 2024 mehr ukrainische Zivilist*innen getötet als noch im Jahr zuvor und weiterhin die zivile Infrastruktur angegriffen. Gefangene wurden häufig gefoltert oder fielen dem Verschwindenlassen zum Opfer.

Im Sudan spielt sich die größte humanitäre Krise vor den Augen der Welt ab. Mitglieder der paramilitärischen Rapid Support Forces(RSF) begingen in großem Umfang sexualisierte Gewalttaten an Frauen und Mädchen und verübten damit Kriegsverbrechen und möglicherweise Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Gleichzeitig stieg die Zahl der Binnenvertriebenen im Sudan wegen des bereits seit zwei Jahren anhaltenden Bürgerkriegs auf 12,5 Millionen an - die höchste Vertreibungsquote weltweit.

Die internationale Gemeinschaft reagierte auf diese Krisen mit Untätigkeit und Doppelstandards. So missbrauchten die USA ihr Veto-Recht im UN-Sicherheitsrat, um monatelang die Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand im Gazastreifen zu blockieren. Jüngst verhängten die USA sogar Sanktionen gegen den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofes (IStGH).

Dennoch arbeiteten internationale Gerichte und andere multilaterale Organe 2024 daran, Verantwortliche in die Pflicht zu nehmen: Der IStGH erließ Haftbefehle gegen hochrangige Staatsbedienstete und die Anführer bewaffneter Gruppen in Israel, Gaza, Libyen, Myanmar und Russland. Die UN erzielte einen historischen Durchbruch bei der Wegbereitung zur Aushandlung eines überfälligen Vertrags über Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Im März 2025 wurde auf den Philippinen der ehemalige Präsident Rodrigo Duterte aufgrund eines Haftbefehls des IStGH festgenommen.

Einschränkungen bei Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie Kriminalisierung von Protest

Viele Regierungen beschnitten 2024 die Rechte auf Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. Sie verboten Medienkanäle, belegten NGOs und politische Parteien mit einem Betätigungsverbot oder lösten sie ganz auf. Kritiker*innen wurden wegen haltloser "Extremismus"- oder "Terrorismus"-Vorwürfe inhaftiert.

Instrumente dabei waren neue Gesetze oder die repressive Auslegung bestehender Vorschriften, der Einsatz von Spionagesoftware, pauschale Demonstrationsverbote, Polizeigewalt, Massenverhaftungen und Folter.

In Russland verhängten Militärgerichte hinter verschlossenen Türen lange Haftstrafen, etwa wegen eines Online-Kommentars oder einer Spende an eine oppositionelle Gruppe. Im Februar 2024 kam der gewaltlose politische Gefangene Alexej Nawalny in einem russischen Straflager unter weiterhin ungeklärten Umständen zu Tode. In Bangladesch verhängten die Behörden Schießbefehle gegen Studierendenproteste, wodurch fast 1.000 Menschen getötet wurden.

Auch in Deutschland gingen Behörden und Polizei mit unverhältnismäßiger Härte gegen friedliche Proteste vor. Betroffen waren insbesondere Klimaaktivist*innen und Teilnehmer*innen Palästina solidarischer Proteste. Pauschale Versammlungsverbote und Polizeigewalt schränkten zivilgesellschaftliche Handlungsräume massiv ein.

Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen, LGBTI+, Geflüchtete und von Rassismus betroffene Menschen

Regierungen in aller Welt haben repressive Maßnahmen ergriffen, um Schutzsuchende daran zu hindern, Asyl zu beantragen. In Deutschland fanden im Bereich Migration die massivsten Verschärfungen seit Jahren statt: von der Zustimmung zur europäischen Asylrechtsreform bis zum sogenannten Sicherheitspaket. Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag nun zum Ziel gesetzt, Menschen wieder nach Afghanistan und Syrien abzuschieben.

Weltweit konstatiert Amnesty International zudem Rückschläge bei der Gleichstellung von Frauen und Mädchen sowie lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans und intergeschlechtlichen Menschen (LGBTI+) und eine Zunahme geschlechtsspezifischer Gewalt.

Die Taliban schlossen Frauen in Afghanistan immer stärker aus dem öffentlichen Leben aus, während die iranischen Behörden immer brutaler gegen Frauen und Mädchen, die sich dem Kopftuchzwang widersetzten, vorgingen. Frauen, die in Mexiko und Kolumbien nach vermissten Angehörigen suchten, wurden bedroht und angegriffen.

In Malawi, Mali und Uganda wurden einvernehmliche gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen unter Strafe gestellt bzw. waren weiterhin verboten. Georgien und Bulgarien folgten dem Beispiel Russlands und gingen hart gegen vermeintliche "LGBTI-Propaganda" vor. Die US-Regierung unter Donald Trump beendet Initiativen zur Bekämpfung von Diskriminierung, attackiert die Rechte von trans Menschen und stoppt die Mittel für weltweite Programme zugunsten von Frauen und Mädchen.

Menschen kämpfen für ihre Rechte und wissen Amnesty an ihrer Seite

Neben massiven Menschenrechtsverletzungen dokumentiert Amnesty International im neuen Jahresbericht auch, wie sich auch 2024 weltweit unzählige Menschen gegen Unrecht und Unterdrückung zur Wehr setzten. Millionen Menschen haben gegen die Verbrechen von Armeen und bewaffneten Gruppen protestiert. Vor allem der Genozid an der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen trieb Hunderttausende auf die Straße. In Georgien demonstrierten Zehntausende gegen ein repressives NGO-Gesetz. In Südkorea kam es zu Massenprotesten, als der südkoreanische Präsident Yoon im Dezember 2024 das Kriegsrecht verhängte.

Positive Entwicklungen gab es auch bei Einzelfällen, die Amnesty International über Jahre begleitet hat: Die Freilassung von WikiLeaks-Gründer Julian Assange war ein wichtiger Erfolg für die Meinungs- und Pressefreiheit weltweit. Nach vier Jahren Haft und Folter wurde die deutsche Staatsbürgerin Nahid Taghavi endlich aus iranischer Haft entlassen und konnte zu Jahresanfang nach Deutschland zurückkehren.

Julia Duchrow sagt: "Die Menschenrechte haben weiterhin große Strahlkraft - die Mehrheit der Menschen will keine Welt, in der Regierungen unkontrollierte Macht haben und allein das Recht des Stärkeren zählt. Amnesty steht an der Seite derer, die für die Würde und Menschenrechte aller einstehen. Und wir werden die kommende Bundesregierung dafür in die Pflicht nehmen."

Zur Vereinbarung von Interviews auch mit weiteren Expert*innen zu einzelnen Themen und Ländern wenden Sie sich bitte an die Pressestelle.

Bitte beachten Sie die GLOBALE Sperrfrist: DIENSTAG, 29. APRIL 2025, 02.01 Uhr MESZ (RADIO, TV, ONLINE). Nachrichtenagenturen: Keine Sendesperrfrist, mit Sperrfristvermerk veröffentlichen. Print: Frei für Dienstagsausgaben.

AMNESTY INTERNATIONAL ist eine von Regierungen, politischen Parteien, Ideologien, Wirtschaftsinteressen und Religionen unabhängige Menschenrechtsorganisation. Amnesty setzt sich seit 1961 mit Aktionen, Appellbriefen und Dokumentationen für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen auf der ganzen Welt ein. Die Organisation hat weltweit mehr als zehn Millionen Unterstützer*innen. 1977 erhielt Amnesty den Friedensnobelpreis.

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