Bauern protestieren gegen die Ampel-Pläne zu Agrarsubventionen.
05.01.2024 - 00:26:59Wütende Bauern hindern Habeck am Verlassen einer Fähre. Habeck bekommt den Unmut ganz persönlich zu spüren - und zeigt sich beunruhigt. Die Stimmung im Land heizt sich auf, sagt er.
Wütende Bauern haben Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) an der Nordseeküste am Verlassen einer Fähre gehindert. Sie hätten am Donnerstag den Anleger in Schlüttsiel blockiert, sagte ein Polizeisprecher.
Habeck habe deshalb wieder auf die Hallig Hooge zurückkehren müssen. Erst in der Nacht erreichte der Wirtschaftsminister das Festland mit einer weiteren Fähre, wie die Flensburger Polizei und ein Ministeriumssprecher am Morgen bestätigen. Der Minister war laut Ministerium privat unterwegs.
Nach ersten Angaben der Polizei handelte es sich um mehr als hundert Demonstranten. Rund 30 Beamte seien im Einsatz gewesen. Sie hätten auch Pfefferspray eingesetzt, sagte ein Polizeisprecher. Von Verletzten ist nichts bekannt. Bundesregierung und Politiker von Grünen, FDP und CDU kritisierten die Protestaktion. Die Bauern sind empört wegen des von der Ampel-Koalition geplanten Abbaus von Subventionen.
Polizei: Aufrufe in sozialen Medien zu Blockadeaktion
Nach der Blockadeaktion gab die Flensburger Polizei neue Details zu ihrem Einsatz bekannt. «In den sozialen Medien wurden Aufrufe zur Demonstration am Fähranleger Schlüttsiel verbreitet, an welchem Herr Dr. Habeck am Nachmittag eintreffen sollte», teilte die Polizei am Freitag in Flensburg mit. Etwa 80 landwirtschaftliche Fahrzeuge hätten sich am Donnerstag auf den Weg zum Fähranleger gemacht. Bis zu 300 Menschen hätten sich dort eingefunden, um gegen Kürzungspläne der Bundesregierung zu demonstrieren.
Als die Fähre gegen 17.00 Schlüttssiel erreichte, sei die Lage angespannt gewesen, ein Dialog zwischen Habeck und den Versammlungsleitern habe nicht ermöglicht werden können, berichtete die Polizei. Aus der Versammlung heraus hätten 25 bis 30 Menschen versucht, auf die Fähre zu gelangen. Einsatzkräfte hätten diese teilweise unter Einsatz von Pfefferspray zurückgehalten. «Nach Ablegen der Fähre beruhigte sich die Lage und die Versammlung löste sich gegen 19.00 Uhr auf.»
Habeck: Stimmung im Land heizt sich auf
Habeck zeigte sich beunruhigt über die Stimmung in Deutschland. Der Grünen-Politiker erklärte am Freitag: «Was mir Gedanken, ja Sorgen macht, ist, dass sich die Stimmung im Land so sehr aufheizt. Als Minister habe ich qua Amt Schutz der Polizei. Viele, viele andere müssen Angriffe allein abwehren, können ihre Verunsicherung nicht teilen. Sie sind die Helden und Heldinnen der Demokratie.» Zuvor hatten darüber die «Lübecker Nachrichten» berichtet.
«Protestieren in Deutschland ist ein hohes Gut», so der Vizekanzler weiter. «Nötigung und Gewalt zerstören dieses Gut. In Worten wie Taten sollten wir dem entgegentreten.»
Die Bundesregierung bezeichnete die Blockade der Ankunft von Habeck auf dem Anleger als beschämend. «Bei allem Verständnis für eine lebendige Protestkultur: Eine solche Verrohung der politischen Sitten sollte keinem egal sein», schrieb Regierungssprecher Steffen Hebestreit auf der Plattform X, vormals Twitter. Die Blockade von Habecks Ankunft im Fährhafen Schüttsiel «ist beschämend und verstößt gegen die Regeln des demokratischen Miteinanders», hieß es.
Reaktionen aus der Politik
Die Vorsitzende der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, zeigte sich entsetzt: «Es ist erschreckend, was dort passiert ist und empört mich zutiefst. Es ist eine völlige Grenzüberschreitung und ein Angriff auf die Privatsphäre von Robert Habeck», teilte sie mit. Dies habe nichts mit friedlichem Protest in einer lebendigen Demokratie zu tun.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) schrieb auf der Plattform X (ehemals Twitter): «Dass man auch mal wütend ist: geschenkt. Aber klar ist: Gewalt gegen Menschen oder Sachen hat in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren! Das diskreditiert das Anliegen vieler Landwirte, die friedlich demonstrieren.»
«Feuchte Träume von Umstürzen»
Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte am Freitag im ARD-«Morgenmagazin»: «Das sind Leute, denen geht es nicht um die deutsche Landwirtschaft, die haben feuchte Träume von Umstürzen, und das wird es nicht geben.» Er bezeichnete den Vorgang als inakzeptabel.
Umweltministerin Steffi Lemke schrieb auf X: «Das ist das Gegenteil von dem, was ich heute in der durch Hochwasser gebeutelten Region Mansfeld-Südharz erlebte - Solidarität, Zusammenhalt, Respekt, Zusammenarbeit unterschiedlichster Gruppen für den Schutz der Bevölkerung. Ich erwarte eine Klare Distanz durch @Bauern_Verband.»
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) verurteilte die Blockadeaktion ebenfalls scharf. «Jeder Protest hat Grenzen», sagte Günther in Kiel. Diese hätten der Bauernverband und dessen schleswig-holsteinische Präsident Klaus-Peter Lucht klar formuliert: «Keine Blockadeaktionen und eine eindeutige Distanzierung von extremen Randgruppen, Rechtsbruch oder Aufrufen hierzu.» «Diese Grenzen sind bei der gestrigen Aktion gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck weit überschritten worden», so Günther.
Der frühere CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak erklärte auf X, es werde hier eine Grenze überschritten. «Wer die Ampel inhaltlich laut kritisiert, darf jetzt nicht schweigen. Das geht so nicht!»
Bauernverband distanziert sich von Blockade
Der Deutsche Bauernverband verurteilte die Blockade der Fähre und distanzierte sich von dem Vorgang. «Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht», sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied laut Mitteilung. «Blockaden dieser Art sind ein No-Go.»
«Wir sind ein Verband, der die demokratischen Gepflogenheiten wahrt», sagte Rukwied. Bei allem Unmut über die Steuerpläne des Bundes respektiere sein Verband selbstverständlich die Privatsphäre von Politikern.
Seit Wochen demonstrieren Landwirte bundesweit gegen das geplante Aus von Steuervergünstigungen bei Agrardiesel und der Kfz-Steuer. Am Donnerstag hatte die Bundesregierung Teile ihrer Pläne zurückgenommen. Der Bauernverband bezeichnete das Einlenken allerdings als unzureichend und hält an der geplanten Aktionswoche ab kommendem Montag fest.