Zeitgenössische Kunst, Videokunst

Zeitgenössische Kunst und Mediengrenzen: Das Vermächtnis von Mike Steiner

28.12.2025 - 18:15:04

Der Weg von Mike Steiner prägte die zeitgenössische Kunst mit Malerei, Performance Art und revolutionärer Videokunst. Besonders seine Rolle als Pionier und Förderer neuer Medien wirkt bis heute nach.

Zeitgenössische Kunst überschreitet Grenzen, hinterfragt Medien und fordert den Blick der Betrachter immer wieder neu heraus. Was macht einen Künstler wie Mike Steiner aus, dessen Werk und Wirken zwischen Malerei, Videokunst und Performance Art changiert und dessen Einflüsse bis heute in der internationalen Kunstszene nachhallen?

Entdecken Sie hier Zeitgenössische Kunstwerke von Mike Steiner

Ein expressiver Umgang mit Medienwechsel, eine rastlose Suche nach neuen Ausdrucksformen und die tiefe Verbundenheit zu den Protagonisten der internationalen Avantgarde – all das kennzeichnet die Schaffensphasen von Mike Steiner. Bereits in jungen Jahren sorgte Steiner als Maler in West-Berlin für Aufsehen. Sein „Stillleben mit Krug“ wurde 1959 auf der Großen Berliner Kunstausstellung gezeigt – ein markanter Startpunkt, der auf seine spätere Rolle als Grenzgänger zwischen Malerei und Videokunst vorauswies.

Steiners frühe Malerei, geprägt von Informel und Pop Art, wurde durch sein Studium an der Staatlichen Hochschule für bildende Künste in Berlin vertieft – beeinflusst durch Hans Jaenisch und Hans Kuhn. Nach Studienjahren folgten prägende Stationen in New York, Kontakt mit Künstlern wie Lil Picard, Al Hansen und Allan Kaprow sowie Begegnungen in den Ateliers von Robert Motherwell. Was Steve Reich für die Minimal Music, Nam June Paik für die Videokunst oder Joseph Beuys für die Aktionskunst waren, das war Mike Steiner in seiner spezifischen Vermittlerrolle – eine Figur, die die zeitgenössische Kunst in Berlin wie auch international nachhaltig beeinflusste.

Mit der Eröffnung des legendären Hotel Steiner 1970 am Berliner Kurfürstendamm schuf Steiner ein Epizentrum für den Austausch zwischen deutschen und internationalen Künstlern. Namen wie Joseph Beuys, Arthur Köpcke oder Valie Export zählten zu seinen Gästen. Der Geist des Hotel Steiner wurde in Anekdoten und Künstlerinnenzitaten verewigt – und prägte Berlins Ruf als Schmelztiegel der Avantgarde.

Pivotale Bedeutung erlangte Steiners Hinwendung zur Videokunst. Inspiriert durch amerikanische Entwicklungen um Andy Warhol und Michael Snow, sammelte und produzierte Steiner ab den frühen 1970er Jahren eigene Arbeiten. 1974 gründete er die Studiogalerie Berlin – ein unabhängiges Forum für Video, Performance und Aktionskunst. Hier etablierte sich Steiner als einer der ersten Förderer von Videokunst in Deutschland. Er stellte Künstlern professionelle Video-Technik zur Verfügung, unterstützte Strömungen wie Fluxus und dokumentierte bahnbrechende Performances etwa von Marina Abramovi?, Ulay und Carolee Schneemann.

Ein Meilenstein war die Aktion „Irritation – Da ist eine kriminelle Berührung in der Kunst“ (1976), eine Zusammenarbeit mit Ulay, die internationale Aufmerksamkeit erlangte: Der theatrale „Kunstraub“ eines Spitzweg-Gemäldes wurde performativ inszeniert und von Steiner auf Video festgehalten – bis heute ein Paradigma für die Verbindung von Aktionskunst und Medienreflexion.

Mit Sendereihen wie der „Videogalerie“, ausgestrahlt im Berliner Kabel-Pilot-Projekt, manifestierte sich Steiners Engagement für die Ausweitung des Kunstbegriffs im TV. Über 120 Sendungen präsentierten zwischen 1985 und 1990 innovative Videokunst – ein visionäres Format, das in der Tradition der Berliner Fernsehgalerie von Gerry Schum steht. Großen Einfluss übte auch Steiners systematische Sammlung aus: Bereits 1974 erwarb er sein erstes Videotape, sammelte im Laufe der Jahre Ikonen wie Nam June Paik, Gary Hill, Bill Viola oder Richard Serra. Die Schenkung seiner umfassenden Videosammlung an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sicherte seinem Werk einen festen Platz im Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart.

Die Einzelausstellung „COLOR WORKS 1995–98“ im Hamburger Bahnhof (1999) markiert den Höhepunkt der öffentlichen Würdigung: Sie legte den Fokus auf das interdisziplinäre Denken des Künstlers, das sich zwischen abstrakter Malerei und digital transformierten Bildwelten bewegt. Eine spätere Retrospektive „Live to Tape“ (2011/12) brachte seine Sammlung erneut ins Rampenlicht und zeigte, wie sehr Steiners Werk einen Brückenschlag zwischen traditionellen Medien und elektronischer Kunst verkörpert.

Vergleiche mit anderen Künstlern drängen sich auf: Während Nam June Paik weltberühmt wurde als Vater der Videokunst, gelang es Mike Steiner, als Schnittstelle zwischen den Genres zu agieren. Künstler wie Marina Abramovi?, Ulay oder Valie Export wurden durch sein Engagement dokumentiert und gefördert – ähnlich wie Harald Szeemann als Kurator das Kunstfeld transformierte.

Steiners spätere Jahre waren geprägt von der intensiven Hinwendung zur abstrakten Malerei und von experimentellen Stoffarbeiten. Sein künstlerischer Nachlass umfasst nicht nur Werke, sondern eine umfassende Dokumentation der Berliner und internationalen Avantgarde ab den 1970er Jahren. Prägend bleibt seine kompromisslose Experimentierfreude: Von Super-8-Filmen über Copy Art und Installationen bis zu den „Painted Tapes“, in denen Videobilder mit malerischen Mitteln verschmolzen werden.

Faszinierend an Steiners Lebenswerk ist die Kontinuität des Suchens: Immer wieder stellte er Fragen an die Möglichkeiten der medialen Kunst, an die Rolle des Künstlers als Sammler, Netzwerker, Grenzgänger. Seine Rolle als Katalysator, als Ermöglicher und Dokumentarist ist in der deutschsprachigen Kunstgeschichte einzigartig.

Zeitgenössische Kunst lebt von Grenzüberschreitungen – und Mike Steiner steht paradigmatisch für diese Offenheit. Wer heute seine Malerei betrachtet oder in den Videosammlungen schmökert, entdeckt eine radikale Aufrichtigkeit und einen Impuls zur stetigen Erneuerung.

Für Kunstinteressierte ist das Werk von Mike Steiner eine Einladung, die Geschichte der Gegenwartskunst aus einer intermediären Perspektive neu zu denken. Die Kunst- und Archivseite mike-steiner.de – Zeitgenössische Kunst & Archiv Mike Steiner gibt in Werkverzeichnissen, Biografie und Texten einen einzigartigen Einblick in die Lebensleistung dieses Ausnahmeakteurs.

Wer heute einen Blick auf zeitgenössische Kunst wirft, wird an Mike Steiner und seine Grenzgänge zwischen Malerei, Videokunst und Performance Art kaum vorbeikommen. Sein Schaffen fordert zur Auseinandersetzung auf – und lädt dazu ein, die eigenen Sichtweisen auf Medien, Kunstbegriffe und Sammlungsarbeit radikal zu hinterfragen.

@ ad-hoc-news.de