X zahlt 120 Millionen Euro Strafe – EU schlägt erstmals zu
07.12.2025 - 20:03:12Die EU-Kommission verhängt eine Rekordstrafe von 120 Millionen Euro gegen X wegen irreführender Verifizierung und setzt mit TikTok einen Kooperationskurs durch, während Temu und Shein unter Beobachtung stehen.
Blaue Häkchen als Verbraucherfalle? Die EU-Kommission macht ernst und verhängt die erste Millionenstrafe nach dem Digital Services Act. Elon Musks Plattform X muss zahlen – während TikTok mit einem Deal davonkommt.
Nach fast zwei Jahren des Warnens greift Brüssel endlich durch: Am Freitag brummte die EU-Kommission der Social-Media-Plattform X eine Rekordstrafe von 120 Millionen Euro auf. Der Vorwurf: Systematische Irreführung der Nutzer, undurchsichtige Werbepraktiken und Blockade von Wissenschaftlern. Erstmals zeigt das neue Digitalgesetz DSA damit seine Zähne – und könnte auch für deutsche Nutzer spürbare Veränderungen bringen.
Blaue Häkchen verlieren ihre Bedeutung
Was macht einen verifizierten Account aus? Früher bestätigte das blaue Häkchen die Echtheit prominenter Profile. Heute kann es jeder kaufen. Genau das kritisiert die Kommission als „Dark Pattern” – eine bewusste Designentscheidung, die Verbraucher in die Irre führt.
„Wer zahlt, bekommt den blauen Haken. Das untergräbt das Vertrauen in die Plattform grundlegend”, erklärte EU-Vizepräsidentin Henna Virkkunen. Die Regulierer sehen darin einen klaren Verstoß gegen Verbraucherschutzregeln. Nutzer können nicht mehr unterscheiden, ob ein Account tatsächlich verifiziert oder nur bezahlt wurde.
Passend zum Thema Regulierung digitaler Plattformen: Die EU hat längst nicht nur den DSA verabschiedet – seit 1. August 2024 gilt auch die KI-Verordnung mit neuen Pflichten für algorithmische Systeme. Wer Empfehlungen, Targeting oder automatische Moderation einsetzt, muss Kennzeichnungs-, Dokumentations- und Risikobewertungspflichten erfüllen. Unser kostenloser Umsetzungsleitfaden erklärt die wichtigsten Schritte, Fristen und Anforderungen für Unternehmen. Jetzt KI-Verordnung-Leitfaden herunterladen
Die Konsequenz: X hat nun 60 Tage Zeit, ein neues Verifizierungssystem vorzulegen. Andernfalls drohen weitere Strafzahlungen – täglich bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes.
TikTok wählt den Kooperationskurs
Während X die konfrontative Linie fährt, setzte TikTok auf Dialog. Die Video-Plattform einigte sich am selben Tag mit Brüssel auf verbindliche Zusagen – und umging so eine Geldstrafe.
Was hat TikTok versprochen? Die Plattform richtet eine durchsuchbare Werbe-Datenbank ein, die Forschern und der Zivilgesellschaft tiefe Einblicke gewährt. Binnen 24 Stunden nach Veröffentlichung müssen dort Werbeinhalte samt Targeting-Kriterien und demografischen Daten auftauchen.
Besonders brisant: Über Schnittstellen können Wissenschaftler künftig Werbeströme analysieren – etwa um Wahlmanipulation oder Betrugsmaschen aufzudecken. Die technische Umsetzung läuft gestaffelt über die kommenden zwölf Monate.
Der Unterschied in der Behandlung beider Plattformen sendet ein klares Signal: Wer kooperiert, kommt glimpflich davon. Wer blockiert, zahlt.
Droht Temu und Shein das gleiche Schicksal?
Die chinesischen E-Commerce-Riesen dürften die Entwicklungen nervös verfolgen. Beide Plattformen stehen unter DSA-Beobachtung – mit potenziell explosiven Vorwürfen.
Bei Temu geht es um illegale Produkte und suchterzeugende Belohnungssysteme. Im Juli stellte die Kommission vorläufig fest, dass die Plattform zu wenig gegen gefährliche Waren unternimmt. Wie viele nicht sichere Spielzeuge, Elektrogeräte oder Kosmetika landen über die Schnäppchen-App in deutschen Haushalten?
Shein kämpft mit ähnlichen Problemen: Das Unternehmen soll nicht ausreichend verhindern, dass bereits gesperrte Händler unter neuen Namen wieder auftauchen. Die Empfehlungsalgorithmen stehen ebenfalls auf dem Prüfstand.
„Nach der X-Strafe läuft die Uhr für E-Commerce-Plattformen besonders laut”, sagt Digitalexperte Marcus Weber. Mit dem Präzedenzfall im Rücken könnte Brüssel hier sogar noch härter durchgreifen – schließlich geht es um Produktsicherheit.
Was bedeutet das für deutsche Nutzer?
Die Entscheidungen der vergangenen Woche markieren eine Zeitenwende. Fast zwei Jahre lang existierte der Digital Services Act hauptsächlich auf dem Papier. Nun zeigt sich: Die EU meint es ernst mit der Regulierung digitaler Plattformen.
Für Verbraucher könnte das spürbare Verbesserungen bringen. Klarere Kennzeichnungen bei verifizierten Accounts, transparente Werbung und besserer Schutz vor gefährlichen Produkten – all das steht auf der Agenda. Doch wie schnell die Änderungen greifen, hängt vom Willen der Plattformen ab.
X muss bis Anfang Februar 2026 einen Sanierungsplan vorlegen. Bei TikTok laufen die technischen Anpassungen bereits. Und die Entscheidungen zu Temu und Shein werden für die erste Jahreshälfte 2026 erwartet.
Die Botschaft aus Brüssel ist eindeutig: Die Zeit der unverbindlichen Appelle ist vorbei. Wer in Europa Geschäfte machen will, muss sich an europäische Regeln halten – oder zahlen.
PS: Plattformbetreiber und Compliance-Verantwortliche aufgepasst – wer Algorithmen einsetzt, riskiert hohe Strafen ohne korrekte Dokumentation. Der Gratis-Leitfaden zur EU-KI-Verordnung bietet praktische Checklisten zur Risikoklassifizierung, Kennzeichnungspflichten und Umsetzungsmaßnahmen, damit Sie Fristen sicher einhalten. Gerade jetzt, wo DSA und KI-Regeln zusammenwirken, ist schnelle Orientierung wichtig. Kostenlosen Umsetzungsleitfaden zur KI-Verordnung anfordern


