X kassiert 120-Millionen-Strafe: EU verschärft Marktüberwachung drastisch
07.12.2025 - 20:20:12Die EU meint es ernst mit der Kontrolle. Während sich die General Product Safety Regulation (GPSR) am 13. Dezember dem ersten Jahrestag nähert, verhängte die Europäische Kommission am Freitag eine Rekordstrafe von 120 Millionen Euro gegen die Social-Media-Plattform X. Der Grund: Verstöße gegen den Digital Services Act (DSA). Was auf den ersten Blick nach reiner Digitalregulierung aussieht, ist in Wahrheit Teil einer umfassenden Strategie – die Marktüberwachung erfasst jetzt lückenlos Produktsicherheit und Online-Handel.
Die Botschaft aus Brüssel könnte nicht klarer sein: Wer auf dem europäischen Markt agieren will, muss den Regelrahmen akzeptieren. Keine Ausreden, keine Aufschübe. Ausgerechnet in der Woche, in der die EU bei der Entwaldungsverordnung EUDR eine einjährige Gnadenfrist gewährt, zeigt sie bei Produktsicherheit und Verbraucherschutz eiserne Härte.
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Die Strafe gegen X markiert einen Wendepunkt. Zum ersten Mal setzt die Kommission ihre DSA-Durchsetzungsmacht vollständig ein. Executive Vice-President Henna Virkkunen sprach von “irreführenden Design-Mustern” beim blauen Verifizierungshaken und mangelnder Transparenz in der Werbedatenbank. Doch was bedeutet das für Hersteller und Importeure?
Online-Plattformen gelten seit der GPSR als zentrale Wirtschaftsakteure – mit konkreter Verantwortung. Sie müssen sich im Safety Gate-Portal registrieren, gefährliche Produkte binnen zwei Werktagen entfernen und behördliche Anordnungen umsetzen. Die X-Strafe zeigt: Die EU-Kommission nutzt ihre erweiterten Überwachungsbefugnisse konsequent. Wer glaubte, digitale Marktplätze würden lockerer kontrolliert als physische Waren, wurde diese Woche eines Besseren belehrt.
“Nutzer zu täuschen und Forscher auszusperren hat in der EU online keinen Platz”, stellte Virkkunen unmissverständlich klar. Für Amazon, eBay und Co. bedeutet das: Die Anforderungen an “Responsible Persons” und Rückverfolgbarkeit sind keine Theorie mehr, sondern werden mit millionenschweren Sanktionen durchgesetzt.
Safety Gate meldet Rekordwerte – Kosmetik im Fokus
Parallel zur digitalen Offensive verschärfen die Behörden die Kontrolle physischer Produkte. Das Safety Gate-System verzeichnet 2025 Höchstwerte. Nach 4.137 Warnmeldungen im Jahr 2024 – ein historischer Rekord – setzte sich der Trend fort. Die aktuellen Daten dieser Woche zeigen: Chemische Risiken dominieren, vor allem bei Kosmetika.
36 Prozent aller Warnungen entfielen 2024 auf Kosmetikprodukte, hauptsächlich wegen des verbotenen Duftstoffs BMHCA (Lilial). Die Überwachungsbehörden setzen verstärkt auf “Mystery Shopping” – eine Befugnis, die die GPSR explizit einräumt. Inspektoren kaufen anonym Produkte, lassen sie prüfen und veranlassen bei Verstößen sofortige Marktentnahmen.
Was bedeutet das konkret? Hersteller können sich nicht mehr auf sporadische Kontrollen verlassen. Die GPSR verlangt umfassende interne Risikobewertungen – und das aus gutem Grund. Wer diese Pflicht als bürokratische Formalität abtut, riskiert teure Rückrufaktionen. Die Geschwindigkeit, mit der 2025 Produkte vom Markt genommen wurden, ist beispiellos.
EUDR-Aufschub: Atempause mit Tücken
Ausgerechnet jetzt gewährt die EU bei der Entwaldungsverordnung eine Schonfrist. Am 3. Dezember bestätigten Parlament und Rat eine einjährige Verschiebung der EUDR. Großunternehmen haben nun bis zum 30. Dezember 2026 Zeit, kleine und mittlere Betriebe bis zum 30. Juni 2027.
Offiziell soll die Verlängerung Firmen mehr Vorbereitungszeit für ihre Sorgfaltspflichten geben. Die EU-Kommission betonte, man wolle das IT-System weiter optimieren. Doch für Compliance-Verantwortliche bedeutet der Aufschub vor allem eines: Die Ressourcen, die für EUDR eingeplant waren, müssen jetzt zurück zur GPSR-Konformität umgeschichtet werden.
Technische Dokumentation prüfen, EU-basierte Bevollmächtigte ernennen, Unfallmeldungen über das Safety Business Gateway organisieren – die Liste ist lang. Der Kontrast könnte nicht größer sein: Bei der Produktsicherheit duldet Brüssel keine Verzögerungen, bei Nachhaltigkeitsregeln schon.
Ein Jahr GPSR: Das Ende der Übergangsfrist
Am 13. Dezember jährt sich die vollständige Anwendbarkeit der General Product Safety Regulation (EU) 2023/988. Was hat sich verändert? Nahezu alles. Die Verordnung löste die 20 Jahre alte Richtlinie ab und katapultierte den Verbraucherschutz ins digitale Zeitalter.
Die wichtigsten Neuerungen nach zwölf Monaten:
Unfallmeldepflicht: Hersteller berichten routinemäßig über Produktunfälle via Safety Business Gateway. Die Datenbasis für Behörden wächst exponentiell.
Online-Marktplätze: Plattformen müssen sich registrieren, auf Behördenanordnungen reagieren und gefährliche Angebote binnen Stunden entfernen.
Rückverfolgbarkeit: Produkte benötigen Herstellerangaben und Kontaktdaten der EU-Kontaktperson – sowohl auf der Verpackung als auch online. Zoll und Marktaufsicht prüfen rigoros.
Rechtsexperten sind sich einig: Die Phase der “Eingewöhnung” ist vorbei. “Wer in die EU verkauft, muss die GPSR als Minimalstandard akzeptieren”, analysiert die Branche. Besonders brisant: Wer Waren “in Verkehr bringt”, haftet sofort – Importeure und Fulfillment-Dienstleister eingeschlossen, wenn der Hersteller außerhalb der EU sitzt.
2026: KI-gestützte Kontrollen und Nachhaltigkeitspflichten
Wie geht es weiter? Die Marktüberwachung wird datengetriebener. Die Kommission plant, KI-Tools ins Safety Gate-System zu integrieren. Algorithmen sollen Risiken vorhersagen und nicht konforme Produktangebote automatisch identifizieren. Was klingt wie Science-Fiction, ist bereits in Vorbereitung.
Hinzu kommt der “Clean Industrial Deal”, dessen konkrete Vorschläge noch im Dezember erwartet werden. Neue Ökodesign- und Nachhaltigkeitsanforderungen werden die Compliance-Landschaft weiter komplizieren. “Sicher” bedeutet künftig auch “nachhaltig” und “reparierbar”.
Zwei Maßnahmen sollten Unternehmen jetzt prioritär angehen: Erstens, die Daten der “Responsible Person” auf allen Verpackungen und Webseiten aktualisieren. Zweitens, die digitale Präsenz auf Herz und Nieren prüfen. Die 120-Millionen-Strafe gegen X ist ein deutliches Signal: Die Kosten für Verstöße haben eine neue Dimension erreicht.
Wer dachte, die EU würde nach den ersten zwölf Monaten GPSR einen Gang zurückschalten, wurde diese Woche eines Besseren belehrt. Die Richtung ist klar – und es gibt kein Zurück.
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