Whistleblowing, Deutschland

Whistleblowing in Deutschland: Neue Klarheit bei Betriebsrats-Rechten

22.11.2025 - 05:59:11

Betriebsräte haben mehr Mitspracherecht als gedacht: Diese Woche brachten neue Urteile und Rechtsgutachten wichtige Klärungen für Unternehmen, die ihre internen Meldesysteme nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) betreiben. Die Botschaft ist eindeutig – Compliance-Verantwortliche müssen umdenken.

Die rechtliche Grauzone um Whistleblower-Systeme lichtet sich. Nach neuen Analysen vom 20. und 21. November wird deutlich: Arbeitgeber können nicht mehr im Alleingang bestimmen, wie ihre Meldekanäle funktionieren. Doch was bedeutet das konkret für die rund 60.000 deutschen Unternehmen, die solche Systeme betreiben müssen?

Die zentrale Erkenntnis einer neuen Rechtsleitlinie, die Haufe am Donnerstag veröffentlichte, trifft viele Personalabteilungen unerwartet: Zwar bleibt die Pflicht zur Einrichtung eines Meldekanals gesetzlich vorgegeben. Die konkrete Ausgestaltung jedoch – vom technischen System bis zum Verfahrensablauf – unterliegt der zwingenden Mitbestimmung durch den Betriebsrat.

Diese Unterscheidung hat weitreichende Folgen. Betriebsräte können bei folgenden Punkten mitreden:

  • Technische Plattform: Welcher Softwareanbieter wird gewählt? Kommt ein externer Ombudsmann zum Einsatz?
  • Berechtigte Personen: Wer darf auf die eingegangenen Meldungen zugreifen?
  • Ermittlungsverfahren: Wie werden Hinweise intern weiterverfolgt?

“Die Einrichtung einer funktionsfähigen Meldestelle unterliegt in ihrer Ausgestaltung der Mitbestimmung des Betriebsrats”, stellte die Analyse klar. Für Compliance-Abteilungen bedeutet das: Ohne konstruktive Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmervertretung läuft nichts mehr.

Machtmissbrauch vor Gericht – und die Konsequenzen

Warum diese Systeme überhaupt so wichtig sind, zeigte sich einen Tag später. Am 21. November analysierte die Kanzlei Esche Schümann Commichau ein aktuelles Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln: Ein Arbeitsverhältnis wurde aufgelöst, weil “unzumutbare Bedingungen” durch Machtmissbrauch eines Geschäftsführers entstanden waren.

Der konkrete Fall drehte sich um private Nachrichten und Machtspiele in der Führungsetage. Doch die rechtliche Lehre geht weiter: Genau solche Missstände soll das HinSchG verhindern helfen. Unternehmen, die Machtmissbrauch nicht frühzeitig erkennen und stoppen, riskieren erhebliche rechtliche und finanzielle Folgen.

Besonders brisant wird es bei sogenannten “Ein-Mann-Geschäftsführungen”. Die Juristen warnen: “Bei solchen Konstellationen braucht es alternative Ansprechpartner – etwa einen Gesellschafter, Aufsichtsgremien oder externe Ombudspersonen.” Sonst drohen systematische Blockaden und Haftungsrisiken. Kann eine Führungskraft gleichzeitig Beschuldigter und Ermittler sein? Das Urteil sagt: Auf keinen Fall.

DSGVO-Reform wirft Schatten voraus

Parallel zu den arbeitsrechtlichen Entwicklungen rumort es auch beim technischen Datenschutz. Am 21. November berichteten Experten von activeMind.legal über EU-Kommissionspläne zur Reform der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) – mit direkten Auswirkungen auf Whistleblower-Daten.

Die Herausforderung: Wie schützt man die Identität eines Hinweisgebers und erfüllt gleichzeitig Auskunftsrechte Betroffener? Sichere Cloud-Lösungen für Meldesysteme gelten zunehmend als Standard, um diese Balance zu halten. Die geplanten Änderungen sollen 2026 vor allem kleine und mittelständische Unternehmen entlasten – etwa durch vereinfachte Dokumentationspflichten.

Könnte das auch Whistleblower-Systeme betreffen? Rechtsgutachter halten das für wahrscheinlich, zumal der administrative Aufwand für KMU ein wiederkehrendes Streitthema ist.

Anonyme Meldungen: Kein “Nice to have” mehr

Diese November-Entwicklungen fallen in eine Phase verschärfter Anforderungen. Während bei der HinSchG-Einführung 2023 anonyme Meldungen vielfach noch optional waren, endete die Übergangsregelung am 1. Januar 2025. Seitdem müssen Unternehmen technisch sicherstellen, dass Hinweise auch ohne Angabe persönlicher Daten eingehen und bearbeitet werden können.

Parallel erhöhte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 21. November ihre Warnungen vor Identitätsbetrug und unerlaubten Finanzdienstleistungen. Zwar richteten sich diese Warnungen nach außen – doch sie erinnern daran, wie aktiv Aufsichtsbehörden mittlerweile prüfen. Whistleblower fungieren oft als erste Verteidigungslinie gegen interne Unregelmäßigkeiten. Die BaFin betreibt deshalb weiterhin einen externen Meldekanal für Fälle, in denen interne Systeme versagen oder bewusst umgangen werden.

Was 2026 auf Unternehmen zukommt

Mit dem Jahreswechsel dürfte sich der Fokus verschieben: von der bloßen Systemeinrichtung hin zu Wirksamkeit und Unternehmenskultur. Worauf sollten Compliance-Verantwortliche sich einstellen?

Verschärfte Kontrollen: Das Bundesamt für Justiz (BfJ) wird voraussichtlich verstärkt Stichproben durchführen. Die Frage lautet dann nicht mehr “Haben Sie ein System?”, sondern “Funktioniert Ihr System wirklich – und ist es vertraulich genug?”

Integration mit Lieferkettengesetzen: Experten rechnen damit, dass Meldekanäle nach HinSchG enger mit Beschwerdeverfahren nach dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verzahnt werden. Einheitliche Compliance-Dashboards könnten 2026 Standard werden.

Unternehmen sollten daher ihre Betriebsvereinbarungen im Licht der neuen Rechtsleitlinien überprüfen – und sicherstellen, dass ihre technischen Systeme auf die kommenden DSGVO-Reformen vorbereitet sind. Denn eines ist klar: Die rechtlichen Anforderungen werden nicht lockerer, sondern nur präziser.

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Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich Informationszwecken und stellt keine Rechtsberatung dar. Unternehmen sollten sich bezüglich ihrer spezifischen Compliance-Pflichten an Rechtsanwälte wenden.

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