Weiterbildung wird zur Überlebensfrage für deutsche Wirtschaft
24.11.2025 - 11:19:11Die Zahlen sind eindeutig: Nullwachstum, Fachkräftemangel, alternde Belegschaften. Während sich die deutsche Wirtschaft durch eine der schwierigsten Phasen seit Jahren kämpft, verkünden Branchenvertreter und Politik eine radikale Kehrtwende – weg vom Einkauf fertiger Talente, hin zur eigenen Qualifizierung. Doch kann das funktionieren, wenn die Finanzierung auf wackeligen Beinen steht?
Vergangenes Wochenende machten zwei Ereignisse deutlich, wie ernst die Lage ist: In Frankfurt forderten Bildungsexperten verlässliche Förderstrukturen, während die Bundesagentur für Arbeit eine bundesweite Offensive zur Inklusion von Menschen mit Behinderung ankündigte. Die Botschaft: Jede Arbeitskraft zählt – und ohne massive Weiterbildung droht der Absturz.
Rund 100 Fachleute aus Wirtschaft, Politik und Bildung trafen sich am Freitag zum “Jahrestag der Weiterbildung” in Frankfurt am Main. Die Veranstaltung geriet zur Abrechnung mit der aktuellen Förderpolitik. “Weiterbildung ist eines der wirksamsten Instrumente gegen den Fachkräftemangel”, betonte Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori in seiner Rede. Die Zeiten, in denen Unternehmen einfach fertig ausgebildete Kräfte vom Markt holen konnten, seien endgültig vorbei.
Doch die schöne Vision hat einen Haken. Andreas Haberl, Verbandsvorsitzender der Branche, legte den Finger in die Wunde: Die anhaltende Unklarheit bei der Mehrwertsteuerreform und fehlende Finanzierungsmodelle über 2025 hinaus würden die Branche lähmen. “Verlässliche und langfristige Finanzierungsmodelle geben Bildungsanbietern die nötige Planungssicherheit für nachhaltige Konzepte”, mahnte Haberl.
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Besonders brisant: Sollten Weiterbildungsangebote plötzlich mit 19 Prozent Mehrwertsteuer belastet werden, dürfte sich die Bereitschaft mittelständischer Betriebe zur Qualifizierung ihrer Mitarbeiter drastisch verringern. Ausgerechnet jetzt, wo sie am dringendsten gebraucht wird.
Die Frankfurter Versammlung formulierte einen klaren Appell an die Bundesregierung: Digitalisierungsförderung muss her. Nur mit staatlicher Unterstützung für digitale Lehrkonzepte könne die Lernumgebung für eine hybrid arbeitende Belegschaft modernisiert werden.
Bundesagentur setzt auf vergessene Talentreserve
Während in Frankfurt debattiert wurde, verkündete die Bundesagentur für Arbeit am Sonntag konkrete Taten. Ab dem 28. November startet eine digitale Aktionswoche unter dem Motto “Inklusion bringt weiter”. Das Ziel: Menschen mit Behinderung stärker in den Arbeitsmarkt integrieren – eine Zielgruppe, die bisher oft übersehen wurde.
Die Initiative setzt bewusst auf die Digitalisierung als Brücke. Physische oder kognitive Einschränkungen schließen in einer digitalisierten Arbeitswelt längst keine wertvollen Beiträge mehr aus. Regionale Agenturen wie in Eberswalde haben bereits begonnen, “Inklusive Arbeitgeberfrühstücke” und Jobmessen zu organisieren.
Die Strategie dahinter ist klar: Zuwanderung allein kann die Lücken, die der demografische Wandel reißt, nicht mehr schließen. Die “Babyboomer”-Generation verabschiedet sich aus dem Erwerbsleben – schneller, als Nachwuchs nachkommt. Jede inländische Arbeitskraftreserve muss mobilisiert werden.
Nullwachstum erhöht den Handlungsdruck
Der Hintergrund macht die Dringlichkeit nachvollziehbar. Die deutsche Wirtschaft stagniert mit 0,0 Prozent Wachstum, während die Inflation hartnäckig bei 2,3 Prozent verharrt. Kanzler Friedrich Merz steht unter Druck, Effizienzgewinne ohne massive Sozialausgaben zu erzielen.
Gleichzeitig zeigen aktuelle Umfragen: Nur ein Drittel der Unternehmen fühlt sich in der Lage, den eigenen Qualifizierungsbedarf ohne externe Hilfe zu stemmen. Besonders dramatisch ist die Situation in Gastgewerbe und Baubranche – dort verhindern hohe Arbeitslasten die Teilnahme an Weiterbildungen. Ein Teufelskreis: Personalmangel verhindert genau die Qualifizierung, die ihn beheben soll.
Paradigmenwechsel in der Personalpolitik
Was sich hier vollzieht, ist nichts weniger als ein Systemwechsel. Jahrzehntelang dominierte in Deutschland das Modell “Einkaufen statt Ausbilden” – fertig qualifizierte Fachkräfte wurden vom Markt geholt. Die Ereignisse des vergangenen Wochenendes zeigen: Dieses Modell ist Geschichte.
Die Forderung nach Mehrwertsteuerklarheit durch Haberl könnte zur Nagelprobe werden. Bleibt die rechtliche Unsicherheit bis Jahresende bestehen, droht 2026 ausgerechnet dann eine Marktkontraktion im Weiterbildungssektor, wenn er am dringendsten gebraucht wird.
Die Inklusionswoche der Bundesagentur (28. November bis 5. Dezember) wird zum Lackmustest: Sind deutsche Arbeitgeber tatsächlich bereit, ihre Einstellungspraxis zu ändern? Die Teilnehmerzahlen an den digitalen Veranstaltungen werden zeigen, ob der wirtschaftliche Druck die Barrieren gesenkt hat.
Was jetzt kommt
Die kommenden Wochen werden entscheidend. Bis Dezember erwarten Branchenvertreter eine Klarstellung der Bundesregierung zur Mehrwertsteuerbehandlung von Bildungsdienstleistungen. Parallel läuft die BA-Aktionswoche – ihre Resonanz wird zeigen, ob Inklusion vom Schlagwort zur gelebten Praxis wird.
Ab Januar 2026 sollen neue BA-Haushaltsmittel für berufliche Förderung fließen. Ob die Merz-Regierung Weiterbildungsförderung als “konsumtive Sozialausgabe” oder als “produktive Investition” begreift, wird über den Erfolg der Strategie entscheiden.
Die Botschaft aus Frankfurt und Nürnberg ist jedenfalls angekommen: Deutschland muss seine Talente selbst entwickeln – oder dem Abstieg zusehen.
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