Urlaubsanspruch nach Elternzeit: Gericht stärkt Rechte berufstätiger Mütter
01.12.2025 - 14:39:12Das Landesarbeitsgericht Hamm hat eine wegweisende Entscheidung getroffen, die den Umgang mit Urlaubsansprüchen nach Mutterschutz und Elternzeit grundlegend verändert. Die Analyse des Urteils durch die IHK Schleswig-Holstein sorgt deutschlandweit für Aufmerksamkeit in Personalabteilungen – denn tarifliche Mehrurlaubstage dürfen nun nicht mehr verfallen, selbst wenn der Tarifvertrag eigentlich Verfallsfristen vorsieht. Diese Klarstellung kommt genau ein halbes Jahr nach der historischen Reform des Mutterschutzgesetzes bei Fehlgeburten.
Was bedeutet das konkret für Unternehmen? Eine Verkäuferin kehrte im Dezember 2024 nach vierjähriger Abwesenheit an ihren Arbeitsplatz zurück. Beschäftigungsverbote, Mutterschutz und Elternzeit hatten sich seit 2021 nahtlos aneinandergereiht. Bei ihrer Rückkehr forderte sie 13 tarifliche Urlaubstage aus den Jahren 2021 und 2022 ein.
Der Arbeitgeber lehnte ab und berief sich auf den Manteltarifvertrag: Demnach verfallen nicht genommene Urlaubstage spätestens am 30. April des Folgejahres. Eine Regelung, auf die sich viele Unternehmen bisher stützten.
Das LAG Hamm machte dieser Praxis am 11. September 2025 einen Strich durch die Rechnung (Az. 13 SLa 316/25). Die Richter stellten klar: Die Schutzbestimmungen des Mutterschutzgesetzes (§ 24 MuSchG) und des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (§ 17 BEEG) hebeln restriktive Tarifklauseln aus. Diese Gesetze sollen jegliche Benachteiligung durch Schwangerschaft oder Mutterschaft verhindern.
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Gestaffelter Mutterschutz bei Fehlgeburten: Halbjahresbilanz
Während die Gerichte Urlaubsrechte präzisieren, hat sich parallel eine weitere Reform etabliert: Seit dem 1. Juni 2025 gilt der „gestaffelte Mutterschutz” bei Fehlgeburten zwischen der 13. und 24. Schwangerschaftswoche. Der Bundesrat hatte die Änderung des Mutterschutzgesetzes im Februar beschlossen.
Bis zu dieser Reform erhielten Frauen bei einer Fehlgeburt vor der 24. Woche grundsätzlich keinen gesetzlichen Schutz – es sei denn, der Fötus wog über 500 Gramm. Jetzt greift folgende Staffelung:
- 13. bis 16. Woche: 2 Wochen Schutz
- 17. bis 20. Woche: 6 Wochen Schutz
- 21. bis 24. Woche: 8 Wochen Schutz
Ein entscheidender Unterschied zum Beschäftigungsverbot nach einer Geburt: Diese Schutzzeiten sind freiwillig. Betroffene Frauen können früher zurückkehren, wenn sie sich medizinisch und psychisch dazu in der Lage fühlen. Eine Flexibilität, die individuelle Bewältigungsstrategien in einer Trauerphase ermöglichen soll.
„Die Rückmeldungen aus dem ersten Halbjahr 2025 zeigen, dass die Freiwilligkeit entscheidend ist”, erklärte eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums bei einer Zwischenbilanz. „Sie gibt Frauen Autonomie in einer Phase, die zuvor rechtlich unsichtbar blieb.”
Was bedeutet das für die Lohnabrechnung?
Für Personalabteilungen bleibt die Integration dieser Regeln in das U2-Umlageverfahren ein Schwerpunkt. Die gute Nachricht: Die Kosten dieser gestaffelten Schutzzeiten sind vollständig erstattungsfähig.
Arbeitgeber zahlen während dieser Phasen den vollen Nettolohn als Mutterschutzlohn. Diese Kosten werden zu 100 Prozent über die Krankenkassen im U2-System erstattet. Voraussetzung ist ein ärztliches Zeugnis, das Datum der Fehlgeburt und Schwangerschaftswoche dokumentiert – es ersetzt in diesen Fällen die übliche Bescheinigung über den voraussichtlichen Geburtstermin.
Die bürokratische Umstellung hat sich stabilisiert. Große Lohnabrechnungs-Anbieter haben ihre Systeme bis zum dritten Quartal 2025 angepasst und die neuen „gestaffelten” Codierungsanforderungen implementiert. Kein Wunder also, dass die Verunsicherung vom Sommer weitgehend verflogen ist.
Ausblick: Was kommt 2026?
Diese Entwicklungen spannen das Sicherheitsnetz für berufstätige Mütter deutlich straffer. Das Hamm-Urteil fügt sich nahtlos in die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein, das bereits im August 2024 signalisierte: Beschäftigungsverbote zählen als aktive Beschäftigungszeiten für den Urlaubsanspruch (Az. 9 AZR 226/23).
Rechtsexperten erwarten für 2026 weitere Auseinandersetzungen – etwa zur Berechnung des Urlaubsentgelts bei Beschäftigten mit schwankendem Einkommen nach längeren Auszeiten. Doch das Grundprinzip steht felsenfest: Ansprüche verfallen während Mutterschutz und Elternzeit nicht.
Die Botschaft aus 2025 ist unmissverständlich: Compliance-Systeme müssen sämtliche Urlaubsansprüche – gesetzliche wie tarifliche – während Mutterschutz und Elternzeit automatisch bewahren. Und Personalabteilungen sollten den sensiblen Umgang mit den gestaffelten Schutzzeiten bei frühem Schwangerschaftsverlust beherrschen. Können Unternehmen diese Standards nicht erfüllen, drohen kostspielige Rechtsstreitigkeiten mit klarem Ausgang.
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