Unfallversicherung, Schutz

Unfallversicherung: Neuer Schutz für Pendler, strenge Regeln für Geschäftsreisen

29.12.2025 - 14:44:12

Gerichte erweitern den Versicherungsschutz für den Arbeitsweg, während sie bei Freizeitaktivitäten auf Geschäftsreisen strenge Maßstäbe anlegen. Personalabteilungen müssen Richtlinien anpassen.

Der Weg zur Arbeit wird besser abgesichert, der Spaß auf Dienstreisen dagegen kaum noch. Das ist das Fazit einer Reihe aktueller Gerichtsurteile, die den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung neu definieren. Die Entscheidungen des Bundessozialgerichts und mehrerer Landessozialgerichte schaffen Klarheit für Millionen Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber – und stellen Personalabteilungen vor neue Aufgaben.

Pendeln vom „dritten Ort“ jetzt besser abgesichert

Ein wichtiger Fortschritt betrifft den Weg zur Arbeit. Die Rechtsprechung hat die Regeln für Pendler liberalisiert, die nicht von ihrer Hauptwohnung, sondern von einem „dritten Ort“ starten. Das kann die Wohnung des Partners, das Haus der Eltern oder eine andere private Unterkunft sein.

Bislang wurde der Versicherungsschutz oft verwehrt, wenn dieser Weg länger oder anders verlief als die übliche Strecke. Jetzt hat das Bundessozialgericht klargestellt: Entscheidend ist nicht mehr der strikte Vergleich der Kilometer. Versichert ist, wer den direkten Weg zum Arbeitsplatz nimmt. Der private Grund für den Aufenthalt am dritten Ort – ob Partnerschaft oder Familienbesuch – spielt keine Rolle mehr.

Diese neue Auslegung, zuletzt von der Unfallkasse Hessen bestätigt, hebt restriktive Praktiken auf. Sie entspricht der modernen Lebenswirklichkeit mit flexiblen Wohnarrangements. Für Arbeitnehmer entfällt so eine erhebliche Versicherungslücke, etwa am Montagmorgen nach einem Wochenende beim Partner.

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Geschäftsreise: Skifahren gilt nicht als Networking

Während der Schutz auf dem Arbeitsweg ausgeweitet wird, ziehen die Gerichte bei vermischten Geschäftsreisen die Zügel straffer an. Ein Grundsatzurteil des Sozialgerichts Hannover vom November 2025 setzt hier strenge Maßstäbe.

Der Fall: Ein Geschäftsführer verletzte sich beim Skifahren auf einer als Dienstreise deklarierten Veranstaltung zum Netzwerken mit Partnern. Das Gericht wies den Unfallversicherungsanspruch zurück. Seine Begründung: Selbst wenn Geschäftsgespräche stattfanden oder geplant waren, blieb das Skifahren in erster Linie eine Freizeitbetätigung.

Das Urteil stellt hohe Hürden für den Nachweis des „betrieblichen Charakters“ solcher Events auf. Die Anwesenheit von Geschäftspartnern oder Visitenkarten in der Jackentasche reichen nicht aus. Der Berufsbezug muss den privaten Freizeitaspekt klar überwiegen. Bei einer allgemein zugänglichen Sportart wie Skifahren wird grundsätzlich von einem privaten Hintergrund ausgegangen – es sei denn, ein verbindliches Geschäftsprogramm schreibt die Aktivität vor.

Eine klare Warnung an alle Personalabteilungen: Bei Incentive-Reisen oder Firmen-Events ohne eng getaktetes, verpflichtendes Fachprogramm fallen Verletzungen in der Freizeit in den Bereich der privaten Krankenversicherung. Die Berufsgenossenschaft kommt hier nicht mehr auf.

Home Office: Der Weg in die Küche bleibt riskant

Die jüngsten Klarstellungen betreffen auch alltägliche Situationen. Ein BSG-Urteil vom September 2025 differenziert zwischen Arbeit und privater „Selbstversorgung“. Der Weg zum Kaffeeholen gilt grundsätzlich als eigenwirtschaftliche Tätigkeit und ist nicht versichert.

Eine Ausnahme gilt nur, wenn spezifische Gefahren des Arbeitsumfelds zum Unfall beitragen – etwa ein rutschiger Boden in der Betriebskantine. Im Home Office jedoch ist dieser Schutz brüchig. Zwar ist der „Weg zum Schreibtisch“ versichert. Der „Weg zur Küche“ für eine Tasse Kaffee hingegen meist nicht. Die Gerichte signalisieren: Die Ausdehnung des Versicherungsschutzes in die private Sphäre hat Grenzen. Remote-Beschäftigte tragen eine höhere Eigenverantwortung für ihr direktes Wohnumfeld.

Was die Urteile für die Praxis bedeuten

Die gegenläufigen Trends – mehr Schutz beim Pendeln, weniger auf Geschäftsreisen – schaffen eine komplexe Lage für Arbeitgeber. Die Personal- und Rechtsabteilungen sind gefordert.

Konkrete Handlungsempfehlungen:
* Pendlerrichtlinien: Mitarbeiter können beruhigt werden: Das Pendeln von anderen privaten Orten ist versichert, sofern der Weg direkt zur Arbeit führt.
* Reiserichtlinien: Firmen müssen ihre Reiserichtlinien überarbeiten. Eine klare Trennung zwischen „verpflichtenden Geschäftsterminen“ und „freiwilliger Freizeit“ ist essenziell. Über Versicherungslücken während Freizeitanteilen muss transparent informiert werden.
* Dokumentation: Bei Events mit Sport oder Freizeitaktivitäten ist ein detailliertes, verbindliches Geschäftsprogramm der einzige wirksame Schutz gegen die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen.

Die Rechtsprechung bewegt sich Ende 2025 hin zu einer pragmatischen, aber strengen Auslegung von „Arbeit“. Der Weg zur Arbeit wird großzügiger geschützt. Der Spaß bei der Arbeit dagegen wird schärfer denn je hinterfragt. Diese Urteile dürften die Rechtsstreite über Pendlerunfälle reduzieren – gleichzeitig aber neue Auseinandersetzungen über Verletzungen auf Firmenretreats und Teamevents nach sich ziehen.

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