Umsatzsteuer-Reform, Bildungsträger

Umsatzsteuer-Reform für Bildungsträger tritt in Kraft

30.12.2025 - 11:01:12

Die umsatzsteuerliche Behandlung von Bildungsleistungen wurde reformiert. Ein Zwei-Säulen-Modell mit staatlicher Bescheinigung gilt nun, flankiert von einer großzügigen Übergangsregelung bis Ende 2027.

Die umfassende Reform der umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Bildungsleistungen ist zum Jahreswechsel 2025/26 vollständig wirksam. Nachdem das Jahressteuergesetz 2024 die gesetzliche Grundlage schuf, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) mit einem Anwendungserlass vom Oktober 2025 die praktischen Regeln endgültig festgezurrt. Für Bildungseinrichtungen bedeutet dies nun Planungssicherheit – und eine großzügige Übergangsfrist bis Ende 2027.

Doppelter Prüfstein: Lehre und behördliche Bescheinigung

Der Kern der Neuregelung in § 4 Nr. 21 UStG ist ein Zwei-Säulen-Modell. Damit eine Leistung umsatzsteuerfrei ist, muss sie erstens schulischen oder hochschulischen Unterricht oder eine Berufsbildung darstellen. Zweitens ist in vielen Fällen weiterhin eine staatliche Bescheinigung erforderlich. Der BMF-Erlass vom 24. Oktober 2025 bestätigte, dass das etablierte Bescheinigungsverfahren für private Schulen und Berufsbildungsträger zentral bleibt.

Die Finanzverwaltung hat dabei aktuelle Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs eingearbeitet. Jetzt ist klarer definiert, was unter „schulischer Lehre“ und was unter „beruflicher Bildung“ zu verstehen ist. Diese Abgrenzung hatte zuvor für private Akademien und freie Dozenten erhebliche Rechtsunsicherheit bedeutet.

Anzeige

Viele Bildungsträger unterschätzen die steuerlichen Folgen der Neuregelung – vor allem die Entscheidung zwischen Umsatzsteuerfreiheit und Vorsteuerabzug. Unser kostenloser Umsatzsteuer‑Guide erklärt praxisnah, welche Umsätze künftig steuerfrei sein können, worauf Sie bei Bescheinigungen achten müssen und wie Sie Fallstricke beim Vorsteuerabzug vermeiden. Ideal für private Schulen, Nachhilfeanbieter und EdTech‑Anbieter. Jetzt kostenlosen Umsatzsteuer‑Guide herunterladen

Atempause: Übergangsregelung bis Ende 2027

Eine entscheidende Erleichterung für die Branche ist die großzügige Nichtbeanstandungsregelung. Sie gilt bis zum 31. Dezember 2027 und soll Brüche im Bildungsmarkt verhindern. Bildungsträger können für Umsätze, die vor dem 1. Januar 2028 entstehen, wahlweise die alte Rechtslage anwenden – vorausgesetzt, sie tun dies einheitlich.

Diese Übergangsfrist ist ein wichtiger Puffer. Viele Landesbehörden, die für die Ausstellung der Bescheinigungen zuständig sind, kämpfen mit Bearbeitungsrückständen. Die Regelung schützt daher Einrichtungen, die unter den strengeren neuen Definitionen ihren steuerfreien Status verlieren könnten oder auf behördliche Genehmigungen warten.

Klarheit für digitale Bildung und Privatlehrer

Der finale Erlass bringt auch Rechtssicherheit für den wachsenden EdTech- und Nachhilfesektor. So kann Fernunterricht umsatzsteuerfrei sein, wenn er die Interaktionskriterien des Europäischen Gerichtshofs erfüllt. Allerdings wird scharf unterschieden:

  • Live-Online-Unterricht wird bei qualifizierendem Inhalt meist als steuerfreie Bildungsleistung eingestuft.
  • Automatisierte, vorab aufgezeichnete Inhalte gelten oft als „elektronisch erbrachte Dienstleistung“ und unterliegen dem Regelsteuersatz – es sei denn, eine spezielle Akkreditierung wie die der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) liegt vor.

Für Privatlehrer hat die Reform Erleichterung gebracht: Sie sind für schul- oder hochschulischen Unterricht direkt steuerbefreit. Die frühere Abhängigkeit vom Status der Institution, an der sie unterrichteten, entfällt. Das reduziert den bürokratischen Aufwand für freie Lehrkräfte erheblich.

Hintergrund: EU-Vorgaben erzwingen Anpassung

Der Reformdruck kam aus Brüssel. Die Europäische Kommission hatte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die bisherige Auslegung der Umsatzsteuerbefreiungen für Bildungsleistungen als zu restriktiv und nicht EU-konform angesehen wurde.

Das Ergebnis ist ein hybrides System. Obwohl das Gesetz Entbürokratisierung zum Ziel hatte, blieb die staatliche Zertifizierung als Qualitätssicherung erhalten. Der Oktober-Erlass war nötig, um die Lücke zwischen Gesetzestext und der Praxis der Bildungsträger zu schließen.

Die Branche reagiert gespalten. Größere Einrichtungen begrüßen die nun erreichte Rechtssicherheit. Kleinere Anbieter sorgen sich hingegen vor dem administrativen Aufwand des dualen Systems und den möglichen Nachteilen beim Vorsteuerabzug, wenn sie sich für die Steuerfreiheit entscheiden.

Ausblick: Fokus verschiebt sich auf die Umsetzung

Ab 2026 wird es weniger um die Einführung der Regeln gehen, sondern um ihre Anwendung. Die Finanzämter werden voraussichtlich verstärkt prüfen, ob die neuen Definitionen für „berufliche Bildung“ eingehalten werden. Besonders betroffen sind Anbieter von „Soft Skills“ oder Freizeitkursen, die ausdrücklich von der Steuerbefreiung ausgenommen sind.

Bildungsträger sollten die letzten Tage des Jahres nutzen, um ihre bestehenden Bescheinigungen zu überprüfen. Zertifikate nach altem Recht bleiben grundsätzlich gültig. Änderungen im Lehrplan oder Geschäftsmodell können jedoch eine Neubeantragung erforderlich machen. Die Übergangsfrist bis 2027 bietet zwar Spielraum für steuerliche Optimierungen, Experten raten jedoch, notwendige Anpassungen nicht auf die lange Bank zu schieben.

Anzeige

PS: Unsicher, ob die neue Reform Ihren Vorsteueranspruch gefährdet? Das kostenlose E‑Book zum Thema Umsatzsteuer liefert konkrete Praxisbeispiele, Checklisten zur Prüfung alter Bescheinigungen und Tipps zur optimalen steuerlichen Entscheidung – von Kleinunternehmerfragen bis Vorsteuerabzug. Kostenloses Umsatzsteuer‑E‑Book jetzt sichern

@ boerse-global.de