Umsatzsteuer, Online-Events

Umsatzsteuer auf Online-Events: Schonfrist endet zum Jahreswechsel

22.11.2025 - 00:30:12

Berlin – Die Uhr tickt für Veranstalter, Bildungsträger und Content-Creator: Ab dem 1. Januar 2026 gelten verschärfte Regeln zur Umsatzsteuer auf digitale Events. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat diese Woche noch einmal eindringlich daran erinnert, dass die Übergangsfrist für die im August veröffentlichte Neuregelung am Jahresende ausläuft. Wer jetzt nicht handelt, riskiert empfindliche Steuernachzahlungen.

Der Finanznachrichtendienst NTG24 berichtete am Freitag über die weitreichenden Konsequenzen des BMF-Schreibens vom 8. August 2025. Im Kern geht es um eine klare Abgrenzung: Wann ist ein Online-Event steuerlich gesehen eine „Live-Veranstaltung” – und wann bloß eine „elektronische Dienstleistung”? Die Antwort entscheidet darüber, ob Steuerbefreiungen greifen oder der volle Regelsteuersatz fällig wird.

Das BMF macht die Unterscheidung an einem technischen Kriterium fest: Simultaneität. Nur wenn Anbieter und Teilnehmer zeitgleich interagieren können, gilt ein Online-Format als „Veranstaltung mit Ereignischarakter”.

Ein Live-Stream, der parallel zu einem physischen Event läuft oder dieses ersetzt, behält den Charakter einer „sonstigen Leistung” – mit allen steuerlichen Privilegien, die etwa für Bildungs- oder Kulturveranstaltungen gelten können. Vorab produzierte Inhalte hingegen – etwa On-Demand-Videokurse, herunterladbare Webinar-Aufzeichnungen oder automatisierte Tutorials – stuft das Ministerium eindeutig als „elektronisch erbrachte Dienstleistung” ein.

Anzeige

Passend zum Thema Umsatzsteuer und digitale Angebote: Der Stichtag 1. Januar 2026 rückt näher und viele Anbieter riskieren jetzt Nachzahlungen wegen falscher Klassifizierung von Live‑ und On‑Demand‑Events. Unser kostenloses E‑Book erklärt praxisnah, wie Sie digitale Tickets, Voranmeldungen und den Leistungsort richtig einordnen – inkl. Checklisten zur Abgrenzung von Live‑Events und elektronischen Dienstleistungen sowie einer Steuerrisiko‑Bewertung. Schützen Sie Ihr Geschäft vor teuren Fehlern. Jetzt kostenlosen Umsatzsteuer-Ratgeber herunterladen

Diese binäre Logik lässt keinen Spielraum. Die Steuerberatungsgesellschaft HLB Stückmann stellte in ihrer Analyse diese Woche klar: „Vorproduzierte Inhalte wie aufgezeichnete Kurse oder Konzerte gelten weiterhin als elektronische Dienstleistungen und sind nicht steuerbefreit.”

Steuerbefreiung oder 19 Prozent?

Die Klassifizierung hat unmittelbare finanzielle Folgen:

Live-Streaming und Hybrid-Events: Gilt ein Event als „live” und interaktiv, können Steuerbefreiungen nach § 4 UStG greifen – insbesondere im Bildungs-, Kultur- und Gesundheitsbereich. Ein interaktives Online-Seminar einer anerkannten Bildungseinrichtung bleibt beispielsweise steuerfrei.

Aufgezeichnete Inhalte: Diese Angebote fallen nicht unter die Befreiungen für Veranstaltungen. Sie werden als elektronische Dienstleistungen mit dem Regelsteuersatz von 19 Prozent belegt. Der Leistungsort richtet sich nach dem Wohnsitz des Kunden.

NTG24 betont: Für vorproduzierte Inhalte greife „weder die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 UStG noch der ermäßigte Steuersatz”. Damit schließt das BMF eine Lücke, durch die Anbieter On-Demand-Videos bisher mitunter als „Bildungsveranstaltungen” deklarieren konnten.

Komplexe Regeln für grenzüberschreitende Geschäfte

Die Neuregelung harmonisiert auch die Leistungsortbestimmung mit EU-Vorgaben:

B2C-Geschäfte: Bei elektronischen Dienstleistungen und digitalen Event-Angeboten ist der Leistungsort dort, wo der Kunde ansässig ist. Ein deutscher Anbieter muss bei einem Ticket-Verkauf nach Österreich den österreichischen Steuersatz anwenden.

B2B-Geschäfte: Hier gilt das Reverse-Charge-Verfahren – die Steuerschuldnerschaft geht auf den Geschäftskunden über.

Warum gerade jetzt die Aufregung?

Das BMF-Schreiben liegt seit August vor. Doch erst in dieser Woche (18. bis 21. November) schlagen Branchenexperten Alarm – aus gutem Grund: Die Übergangsfrist läuft ab.

Bis zum 31. Dezember 2025 dürfen Unternehmen noch nach den alten Regeln (BMF-Schreiben vom April 2024) abrechnen. Ab Neujahr gilt die neue, deutlich strengere Auslegung verbindlich.

Branchenbeobachter stellen fest, dass viele Unternehmen die Anpassung ihrer ERP-Systeme aufgeschoben haben. Die neue Logik verlangt präzise Unterscheidungen: Ist ein Ticket für die „Live-Teilnahme” (möglicherweise befreit) oder für den „Aufzeichnungszugriff” (steuerpflichtig) verkauft worden? Solche Differenzierungen müssen künftig auch bei gemischten Angeboten innerhalb einer Transaktion möglich sein.

Digitale Wirtschaft im Steuervisier

Die Verschärfung ist Teil eines europaweiten Trends zur Modernisierung der Mehrwertsteuer für die digitale Ökonomie. Während der Corona-Pandemie verschwammen die Grenzen zwischen „Seminar” und „Videodatei” – mit entsprechend inkonsistenter Besteuerung.

Die Events-Branche in Deutschland, die massiv auf Hybrid-Formate gesetzt hat, trifft die Neuregelung besonders: Die „Wiederholung” einer Konferenz zu verkaufen ist steuerlich nicht mehr neutral, selbst wenn das Live-Event befreit war.

Alexander Enns und Cedric Nielbock von HLB Stückmann betonten am 18. November: Während die „Grundsätze für vorproduzierte Inhalte unverändert bleiben”, schaffe die neue Klarheit bei Live-Streams endlich Rechtssicherheit für Anbieter interaktiver Formate.

Was jetzt zu tun ist

Unternehmen, die digitale Inhalte anbieten, müssen die verbleibenden Wochen des Jahres 2025 nutzen. Die wichtigsten Schritte:

  1. Produktkatalog überprüfen: Inhalte eindeutig als „Live” oder „On-Demand” kennzeichnen.
  2. Steuerbefreiungen prüfen: Erfüllen „Live”-Angebote im Bildungs- oder Kulturbereich noch die verschärften Befreiungskriterien?
  3. Checkout-Systeme aktualisieren: E-Commerce-Plattformen müssen die Mehrwertsteuer künftig standortbasiert für alle digitalen Produkte berechnen können.

Mit dem Stichtag 1. Januar 2026 endet die Schonfrist endgültig. Die Warnungen dieser Woche sind damit ein letzter Weckruf für die digitale Wirtschaft.

Hinweis: Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Unternehmen sollten ihre spezifische Situation mit einem qualifizierten Steuerberater klären.

Anzeige

PS: Unsicher bei Reverse‑Charge, Leistungsort oder der korrekten Besteuerung von Aufzeichnungen? Holen Sie sich den kostenlosen PDF‑Ratgeber zur Umsatzsteuer: Verständliche Erklärungen zu Voranmeldung, Reverse‑Charge und Grenzfall‑Beispielen – ideal für Veranstalter, Bildungsträger und Selbstständige, die ihre ERP‑ und Checkout‑Systeme vor 2026 anpassen müssen. Inklusive konkreter Vorlagen für Rechnungen, Formulierungstipps und einem Fehlercheck für Ticketmodelle. Jetzt kostenlosen Umsatzsteuer-Guide sichern

@ boerse-global.de