TVöD, TV-L

TVöD und TV-L: Arbeitszeitrevolution im öffentlichen Dienst

03.12.2025 - 21:59:12

Während die Tarifverhandlungen für Landesbeschäftigte heute in Berlin starteten, bereitet sich der öffentliche Dienst auf tiefgreifende Flexibilisierungen ab 2026 vor. Im Zentrum: Die umstrittene Frage nach der gerechten Arbeitszeit.

Zwei parallele Entwicklungen prägen derzeit die Arbeitswelt der 3,6 Millionen Beschäftigten im deutschen öffentlichen Dienst. Auf der einen Seite fordern die Gewerkschaften für die 1,1 Millionen Landesbeschäftigten eine drastische Arbeitszeitverkürzung. Auf der anderen Seite treten zum 1. Januar 2026 im Bund und den Kommunen revolutionäre Flexibilisierungsregelungen in Kraft – inklusive der freiwilligen 42-Stunden-Woche.

Die erste Verhandlungsrunde für den TV-L startete heute in Berlin mit klaren Forderungen: 7 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 300 Euro. Doch das eigentliche Streitthema kristallisiert sich bereits heraus – die Arbeitszeit.

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Volker Geyer, Chefverhandler des dbb beamtenbund und tarifunion, machte unmissverständlich klar: “Die 41-Stunden-Woche war vor zwei Jahrzehnten als Notmaßnahme gedacht. Der Arbeitgeber Staat muss endlich attraktiv werden – und archaische Arbeitszeiten sind ein massiver Wettbewerbsnachteil.”

Die Gewerkschaften zielen auf eine Angleichung der Beamtenarbeitszeit an die der Tarifbeschäftigten ab. Während Letztere typischerweise 39 Wochenstunden oder weniger arbeiten, müssen Beamte in vielen Bundesländern noch immer 41 Stunden leisten. Zusätzlich fordern die Gewerkschaften einen Mindeststundenlohn von 17 Euro für studentische Hilfskräfte.

TVöD-Revolution ab Januar: Was sich konkret ändert

Während die Länder erst am Verhandlungstisch sitzen, stehen Bund und Kommunen bereits kurz vor der Umsetzung ihrer im April 2025 vereinbarten Arbeitszeitreformen. Die Personalabteilungen haben nur noch wenige Wochen Zeit, die nötigen Dienstvereinbarungen abzuschließen.

Zeit statt Geld – das Kernstück der Reform erlaubt es Kommunalbeschäftigten ab 2026, Teile ihrer Jahressonderzahlung in bis zu drei zusätzliche freie Tage umzuwandeln. Ein Modell, das besonders jüngere Beschäftigte ansprechen dürfte, die Work-Life-Balance zunehmend über marginale Gehaltssteigerungen stellen.

Die freiwillige Aufstockung auf 42 Wochenstunden hingegen zielt auf das Gegenteil: Wer mehr arbeiten will, erhält nicht nur proportional mehr Gehalt, sondern auch einen Zuschlag. Bei den Entgeltgruppen E 1 bis E 9b beträgt dieser 25 Prozent, bei E 9c bis E 15 immerhin noch 10 Prozent.

Doppelte Freiwilligkeit – so nennt sich das Sicherheitsnetz. Beide Seiten müssen zustimmen, und Beschäftigte können mit vierwöchiger Frist zum Monatsende zurückrudern.

Dienstvereinbarungen: Das unterschätzte Nadelöhr

Die schönsten Tarifverträge bleiben Theorie ohne funktionierende Dienstvereinbarungen auf lokaler Ebene. Und genau hier droht vielerorts das Chaos. Rechtsexperten warnen, dass zahlreiche Verwaltungen hinter dem Zeitplan zurückliegen.

“Ohne gültige Dienstvereinbarung bleiben die neuen Flexibilitätsinstrumente stumpfe Werkzeuge”, mahnte die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) diese Woche. Besonders kompliziert: Die Einrichtung von Langzeitkonten für Sabbaticals oder Frühverrentung erfordert detaillierte Regelungen zu Obergrenzen, Insolvenzschutz und Nutzungsbedingungen.

Die Behördenleitungen stehen unter Druck, die Verhandlungen mit ihren Personalräten umgehend abzuschließen. Sonst droht ein holpriger Start in die neue Arbeitszeitära.

Strategiewechsel: Wenn Arbeitszeit zur Währung wird

Die zeitliche Überschneidung von TV-L-Verhandlungen und TVöD-Umsetzung offenbart einen fundamentalen Wandel in der Tarifpolitik des öffentlichen Dienstes. Ging es früher fast ausschließlich um lineare Gehaltssteigerungen, ist die Gestaltung der Arbeitszeit heute eine gleichwertige Verhandlungsmasse geworden.

Dass Gewerkschaften überhaupt eine freiwillige Verlängerung auf 42 Stunden akzeptieren, wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Die pragmatische Kehrtwende entspringt der demografischen Realität: Bis 2030 scheiden Hunderttausende Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst aus. Ohne flexible Lösungen, die die vorhandene Belegschaft maximal nutzen, lässt sich der Betrieb nicht aufrechterhalten.

Gleichzeitig sollen Entlastungsoptionen wie “Zeit statt Geld” Burnout verhindern und den Beruf attraktiver machen.

Ausblick: Wer setzt den Standard?

Die TV-L-Verhandlungen ziehen sich voraussichtlich bis ins Frühjahr 2026. Die zweite Runde ist für den 15./16. Januar in Potsdam angesetzt, die dritte für den 11.-13. Februar.

Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) hat bereits signalisiert, dass die angespannte Haushaltslage wenig Spielraum für die 7-Prozent-Forderung lässt – geschweige denn für Arbeitszeitverkürzungen, die zusätzliches Personal erfordern würden.

Derweil werden Bundes- und Kommunalbeschäftigte im Januar 2026 erstmals die konkreten Auswirkungen der Reformen auf ihren Gehaltsabrechnungen sehen. Wird das “freiwillige 42-Stunden-Modell” massenhaft genutzt, könnte es zur Blaupause für andere Branchen werden, die mit Fachkräftemangel kämpfen. Bleibt die Akzeptanz gering, müssen Arbeitgeber zurück ans Reißbrett.

Der Ball liegt jetzt in Berlin. Was hier ausgehandelt wird, könnte bis 2027 eine bundesweite Harmonisierung der Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst anstoßen – oder das Flickwerk zementieren.

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