Tracking oder Bezahlen: Europäische Gerichte ziehen Schlussstrich
14.11.2025 - 20:54:11Österreichisches Gericht und EuGH stärken Datenschutzrechte und erklären reine Bezahl-oder-Tracking-Alternativen für rechtswidrig. Unternehmen müssen Geschäftsmodelle anpassen.
Eine Woche der Entscheidungen erschüttert die digitale Geschäftswelt: Neue Urteile aus Österreich und Luxemburg setzen strikte Grenzen für sogenannte “Pay or Okay”-Modelle. Was für Verlage und Plattformen jahrelang als clevere Monetarisierungsstrategie galt, steht nun massiv unter Beschuss. Die Botschaft der Justiz ist unmissverständlich – das Grundrecht auf Datenschutz ist nicht käuflich.
Österreich macht Ernst: 100 Prozent Zustimmung sind kein Zufall
Das österreichische Bundesverwaltungsgericht hat am 13. August 2025 ein Urteil gefällt, das es in sich hat. Im Visier: die Tageszeitung derStandard.at und ihr Geschäftsmodell. Nutzer standen vor der Wahl – entweder zahlen oder dem umfassenden Tracking zustimmen. Eine echte Alternative? Fehlanzeige, befanden die Richter.
Besonders brisant: Die Einwilligungsrate lag bei nahezu 100 Prozent. Das kann doch kein Zufall sein, oder? Genau das dachte sich auch das Gericht. Eine solche Quote deutet nicht auf freiwillige Zustimmung hin, sondern auf faktischen Zwang. Wer nicht zahlen kann oder will, hat eben keine Wahl. Die DSGVO verlangt jedoch genau das Gegenteil: eine freie, unbelastete Entscheidung.
Die Richter stellten unmissverständlich klar: Datenschutz darf kein Luxusgut werden, das man sich erst leisten muss. Wenn die einzige Alternative zur Datenfreigabe eine Bezahlschranke ist, fehlt es an der notwendigen Freiwilligkeit. Damit setzt das Gericht ein klares Signal an alle Unternehmen, die ähnliche Modelle betreiben.
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EuGH verschärft die Gangart
Zeitgleich legte der Europäische Gerichtshof nach. Am 13. November 2025 präzisierte das höchste europäische Gericht in einem Fall zu Direktmarketing (Rs C-654/23, Inteligo Media) die Anforderungen an eine gültige Einwilligung. Die Kernbotschaft: Zustimmung muss frei, spezifisch, informiert und unmissverständlich erfolgen.
Auch wenn sich das Urteil nicht direkt auf “Pay or Okay” bezog – die Implikationen sind enorm. Jede Form von Druck, die die Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt, macht die Einwilligung ungültig. Kombiniert mit dem österreichischen Urteil entsteht ein rechtliches Umfeld, das für viele digitale Geschäftsmodelle zum Stolperstein werden dürfte.
Was bedeutet das konkret? Datenschutzbehörden und Aktivisten sehen sich bestätigt. Die rechtliche Grundlage, um Modelle anzufechten, die Nutzer durch hohe Preise zur Zustimmung drängen, wurde massiv gestärkt.
Europäischer Datenschutzausschuss sieht sich bestätigt
Der Europäische Datenschutzausschuss hatte bereits im April 2024 Alarm geschlagen. Seine Position: Große Online-Plattformen können die Anforderungen an eine gültige Einwilligung meist nicht erfüllen, wenn sie Nutzern nur die Wahl zwischen Tracking und Bezahlung lassen. Die Forderung lautete: Eine gleichwertige, trackingfreie Alternative muss her.
Die aktuellen Urteile dürften den EDSA darin bestärken, seine geplanten Leitlinien zu “Pay or Okay” mit noch schärferen Vorgaben auszustatten. Organisationen wie noyb, die seit Jahren gegen solche Praktiken kämpfen und unter anderem Meta ins Visier genommen haben, fühlen sich bestätigt. Der Wind dreht sich – und zwar kräftig.
Das Ende der simplen Entweder-Oder-Logik
Jahrelang argumentierten Medienhäuser und Technologiekonzerne, “Pay or Okay” sei ein faires Modell zur Finanzierung hochwertiger Inhalte. Die Justiz sieht das zunehmend anders. Das Grundrecht auf Datenschutz darf nicht kommerzialisiert werden – so lautet die unmissverständliche Botschaft.
Die Kritik konzentriert sich auf zwei zentrale Punkte: erstens die mangelnde Freiwilligkeit bei abschreckend hohen Preisen, zweitens das Fehlen einer granularen Auswahl. Das österreichische Gericht betonte, dass Nutzer einzelnen Verarbeitungszwecken spezifisch zustimmen oder diese ablehnen können müssen. Ein pauschales “Alles-oder-Nichts”-Paket reicht nicht aus.
Diese Anforderung an Granularität stellt für viele bestehenden Consent-Banner eine gewaltige technische und rechtliche Herausforderung dar. Dürfte spannend werden, wie Unternehmen darauf reagieren.
Was Unternehmen jetzt tun müssen
Für Betreiber von “Pay or Okay”-Modellen ist die Botschaft glasklar: Anpassung ist keine Option, sondern Pflicht. Die bloße Alternative zwischen Zahlung und pauschaler Tracking-Zustimmung wird zunehmend als rechtswidrig eingestuft. Zukünftige Modelle müssen wahrscheinlich eine dritte, datenschutzfreundlichere Option bieten – etwa eine kostenlose Nutzung mit nicht-personalisierter, kontextbezogener Werbung.
Auch die Höhe der Gebühr rückt stärker in den Fokus. Sie muss als “angemessen” gelten und darf nicht abschreckend wirken, um die Wahlfreiheit nicht zu untergraben. Es ist zu erwarten, dass die Datenschutzbehörden in der EU ihre Durchsetzungsmaßnahmen intensivieren werden.
Die Debatte verschiebt sich: Nicht mehr ob “Pay or Okay” zulässig ist, sondern unter welchen extrem engen Bedingungen es überhaupt noch eine Zukunft haben kann. Eines steht fest – die gemütlichen Zeiten für digitale Geschäftsmodelle, die auf einfache Tracking-Consent-Mechanismen setzen, sind vorbei.
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