Teilzeit-Mitarbeiter erobern sich Überstundenzuschläge
01.12.2025 - 00:19:12Das Bundesarbeitsgericht hat Arbeitgebern eine klare Grenze gesetzt: Teilzeitkräfte haben ab der ersten Überstunde Anspruch auf Zuschläge – unabhängig von Vollzeit-Schwellenwerten. Die wegweisende Entscheidung vom 26. November könnte tausende Arbeitsverträge und Tarifvereinbarungen auf den Prüfstand stellen. Gleichzeitig sorgen aktuelle Urteile zu Kündigungsschutz und Online-Krankmeldungen für Klarheit in der Personalpolitik.
Wer nur 20 Stunden arbeitet, soll künftig nicht länger als Flexibilitätspuffer zweiter Klasse behandelt werden. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erklärte am 26. November 2025 eine gängige Praxis für rechtswidrig: Viele Tarifverträge und Arbeitsverträge sahen vor, dass Mehrarbeitszuschläge erst dann greifen, wenn die Vollzeit-Grenze von 38 oder 40 Wochenstunden überschritten wird (Az. 5 AZR 118/23).
Diese Regelung verstößt gegen das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG), so die Karlsruher Richter. Die Begründung: Arbeitet eine Teilzeitkraft mit 20 vereinbarten Stunden nun 22 Stunden, muss sie dieselben prozentualen Zuschläge erhalten wie ein Vollzeitmitarbeiter, der statt 40 nun 42 Stunden leistet.
Was bedeutet das konkret? Für Arbeitgeber wird die Gehaltsabrechnung komplexer – und teurer. Bestehende Klauseln dürften in vielen Fällen unwirksam sein. Zudem könnten rückwirkende Forderungen für die vergangenen drei Jahre drohen. Arbeitsrechtler sprechen von einem “Paradigmenwechsel in der Lohnbuchhaltung”.
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Derbe Sprache im Lager: Kündigung oder Abmahnung?
Während das BAG die finanziellen Rechte stärkt, zeigen Regionalgerichte Fingerspitzengefühl bei der Frage: Wann rechtfertigt raues Verhalten eine fristlose Kündigung?
Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hob am 18. November die Entlassung eines Lagerarbeiters auf, der seinen Vorgesetzten mit einem türkischen Ausdruck konfrontiert hatte (Az. 3 SLa 699/24). Der Arbeitgeber hatte die Äußerung als schwere Beleidigung (“Du hast die Mutter der Schicht gef***t”) gewertet. Der Beschäftigte verteidigte sich: Er habe lediglich den Führungsstil kritisiert (“Du hast die Schichtmutter zum Weinen gebracht”).
Die Richter gaben ihm recht. In der “rauen Atmosphäre” der Logistikbranche seien solche Entgleisungen – bei aller Unprofessionalität – kein Grund für eine sofortige Kündigung, solange keine eindeutige persönliche Diffamierung vorliege. Ohne vorherige Abmahnung sei die Entlassung unverhältnismäßig.
Online-Krankschreibung ohne Arztkontakt: Riskantes Spiel
Einen harten Kurs fährt dagegen das LAG Hamm bei digitalen Krankschreibungen. In einem Urteil vom 5. September 2025 bestätigte das Gericht die fristlose Kündigung eines Mitarbeiters, der eine “Online-AU” per Fragebogen ohne jeglichen Video- oder Telefonkontakt zu einem Arzt eingereicht hatte (Az. 14 SLa 145/25).
Solche Bescheinigungen besitzen nach Ansicht der Richter nur geringen Beweiswert. Entscheidend war: Der Arbeitnehmer täuschte den Arbeitgeber über die Art der ärztlichen Untersuchung – und genau diese Täuschung rechtfertigte die außerordentliche Kündigung.
Achtung bei Erkältungswelle: Obwohl das Urteil bereits im September erging, gewinnt es jetzt in der Grippesaison neue Brisanz. Personalabteilungen sollten explizit medizinisch validierte Krankschreibungen (etwa per Videosprechstunde) verlangen.
Probezeit bleibt Probezeit – auch für Schwerbehinderte
Rechtssicherheit kehrt auch bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen während der Probezeit ein. Das LAG Köln hatte im September 2024 noch Verwirrung gestiftet und angedeutet, dass Arbeitgeber bereits in den ersten sechs Monaten ein förmliches Präventionsverfahren nach § 167 SGB IX durchführen müssten (Az. 6 SLa 76/24).
Das BAG schob dieser “Kölner Linie” am 3. April 2025 einen Riegel vor (Az. 2 AZR 178/24): Während der sechsmonatigen Wartezeit nach § 1 KSchG ist das besondere Präventionsverfahren nicht verpflichtend. Arbeitgeber dürfen die Eignung eines Mitarbeiters testen, ohne sofort die volle Verfahrenslast des Schwerbehindertenrechts schultern zu müssen.
Diskriminierung bleibt natürlich verboten. Doch die prozessualen Hürden für eine Kündigung steigen erst nach Ablauf der Probezeit.
Was Personalabteilungen jetzt tun sollten
Die Gemengelage aus stärkeren Teilzeitrechten, differenziertem Kündigungsschutz und digitalen Stolperfallen fordert HR-Verantwortliche heraus. Drei Prioritäten für Dezember 2025:
Erstens: Gehaltsabrechnungen überprüfen. Alle Teilzeitverträge und Tarifvereinbarungen müssen auf die neue Überstundenzuschlag-Regelung angepasst werden – am besten sofort, um Rückforderungen zu vermeiden.
Zweitens: AU-Richtlinien aktualisieren. Explizit medizinisch validierte Krankmeldungen verlangen, um das “Hamm-Szenario” zu umgehen.
Drittens: Führungskräfte schulen. Schichtleiter sollten verstehen: Derbe Sprache erfordert Deeskalation und Dokumentation (Abmahnung), nicht die sofortige Kündigung.
Die Gewerkschaften dürften 2026 auf eine rückwirkende Durchsetzung der neuen Überstundenregeln drängen. Spannend bleibt, wie viele Unternehmen tatsächlich nachzahlen müssen – und ob die Politik mit klarstellenden Gesetzen eingreift.
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