Tarifrunde, Personalräte

Tarifrunde stockt: Personalräte zwischen Gesetz und Konflikt

10.12.2025 - 12:30:12

Der öffentliche Dienst steht vor einem heißen Winter. Nach dem erfolglosen Auftakt der Tarifverhandlungen für die Länder Anfang Dezember wächst der Druck auf Personalräte und kirchliche Mitarbeitervertretungen. Gleichzeitig warnen Gewerkschaften vor sinkenden Pflegestandards – die gesetzlich verankerte „vertrauensvolle Zusammenarbeit” steht auf dem Prüfstand.

Die Ereignisse der vergangenen Tage zeigen: Während das Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) und kirchliche Arbeitsrechtsordnungen auf Partnerschaft setzen, testen wirtschaftliche Zwänge und operative Realitäten diese Grundprinzipien massiv.

In den Personalratsbüros bundesweit dominiert derzeit ein Thema: die gescheiterte erste Runde der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder. Die Verhandlungen vom 3. bis 5. Dezember endeten ohne Ergebnis – und ohne Angebot der Arbeitgeberseite.

Ver.di kritisierte die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) scharf für diese Verweigerungshaltung. Für Personalräte ist die Situation heikel: Sie dürfen selbst nicht zum Streik aufrufen – das bleibt den Gewerkschaften vorbehalten. Ihre Aufgabe liegt vielmehr darin, als Informationsdrehscheibe zu fungieren und strikte Neutralität zu wahren.

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Diese „Brandmauer” zwischen der Friedenspflicht des Personalrats und dem Streikrecht der Gewerkschaft ist ein Grundpfeiler des deutschen Personalvertretungsrechts. Doch die Spannung ist spürbar. „Die Weigerung der Arbeitgeber, überhaupt ein Angebot vorzulegen, belastet den Betriebsfrieden enorm”, kommentierten Branchenexperten diese Woche. Personalräte müssen nun den Frust frustrierter Beschäftigter managen – während sie gleichzeitig ihre tägliche Mitbestimmungsarbeit mit genau jenen Dienststellenleitern fortsetzen, die am Verhandlungstisch auf der Gegenseite sitzen.

Bundesagentur schlägt Alarm

Die Belastung zeigt sich konkret: Am 8. Dezember warnte der Hauptpersonalrat der Bundesagentur für Arbeit (BA) eindringlich vor der Arbeitsbelastung 2026. Der „Jahresendspurt” werde von Sorgen um die kommenden Projekte überschattet.

Der Hauptpersonalrat steht nach eigenen Angaben in „intensivem Kontakt” mit den Personalentwicklungsabteilungen. Die Botschaft ist unmissverständlich: Ohne konkrete Verbesserungen droht die gesetzlich vorgeschriebene „vertrauensvolle Zusammenarbeit” zur Einbahnstraße zu werden. Ein Paradebeispiel für die Doppelrolle des Personalrats: strikt rechtstreu agieren und gleichzeitig die Belastungsgrenzen der Belegschaft klar artikulieren.

Kirchliches Arbeitsrecht: Kampf um Personalschlüssel

Parallel zum öffentlichen Dienst brodelt es im kirchlichen Sektor. Am 4. Dezember übte ver.di scharfe Kritik an Plänen, Personalschlüssel in Pflegeeinrichtungen zu verschlechtern. Für Mitarbeitervertretungen (MAV) bei Diakonie und Caritas ist das eine rote Linie.

Anders als Personalräte arbeiten MAVs nach dem „Dritten Weg” – einem konsensbasierten Modell ohne Streikrecht, dafür mit Schlichtungskommissionen. Dieses Modell basiert auf der Prämisse gemeinsamer Dienstgemeinschaft. Doch Vorschläge zur Ausdünnung von Personalstandards treffen den Kern dieser Mission. MAVs müssen nun alle Mitbestimmungsrechte ausschöpfen, um sowohl Beschäftigte als auch Pflegebedürftige zu schützen.

Gewaltschutz als neues Mitbestimmungsfeld

Über Personalstreitigkeiten hinaus beschäftigen sich MAVs intensiv mit der Implementierung von Gewaltschutzkonzepten. Seminare und Schulungen – zuletzt am 4. Dezember – fokussieren auf die Mitbestimmungsrolle der MAV bei diesen Konzepten.

Dies markiert eine signifikante Ausweitung der MAV-Arbeit: weg von traditionellen Themen wie Dienstplänen, hin zu Organisationskultur und Sicherheit. Die Rechtslage ist klar: Kirchliche Arbeitgeber können Schutzkonzepte nicht ohne MAV-Beteiligung durchsetzen. Hier funktioniert „vertrauensvolle Zusammenarbeit” derzeit konstruktiv – beide Seiten haben ein gemeinsames Interesse an der Verhinderung von Gewalt und Missbrauch am Arbeitsplatz.

Rechtsgrundlagen vs. Realität: Das Kooperationsparadoxon

Die Ereignisse der vergangenen Tage offenbaren ein wachsendes Paradoxon. Sowohl BPersVG (für staatliche Stellen) als auch MAVO/MVG (für kirchliche Einrichtungen) bauen auf dem Prinzip vertrauensvoller Zusammenarbeit zum Wohl von Dienst und Beschäftigten auf.

Zentrale rechtliche Unterschiede im aktuellen Kontext:

  • Neutralität vs. Interessenvertretung: Im öffentlichen Dienst muss der Personalrat im aktuellen Tarifkonflikt neutral bleiben. Er darf die für Anfang 2026 wahrscheinlichen Streiks nicht organisieren, muss aber sicherstellen, dass streikende Beschäftigte nicht benachteiligt werden.

  • Belastungsprobe für den Dritten Weg: Für MAVs bedeutet der Verzicht auf das Streikrecht: Ihr Einfluss hängt vollständig von juristischen Argumenten und der Stärke der Schlichtungsgremien ab. Die aktuelle Auseinandersetzung um Personalschlüssel testet, ob dieses System mit dem gewerkschaftlichen „Streik-Modell” mithalten kann.

Trotz struktureller Unterschiede zeigt sich eine Konvergenz. Die Zusammenarbeit zwischen gesetzlichen Gremien (Personalrat/MAV) und Gewerkschaften war vermutlich nie wichtiger. Während rechtlich getrennt, intensiviert sich die praktische Kooperation: Gewerkschaften liefern rechtliches Gewicht und politischen Druck, interne Gremien übersetzen diesen Druck in konkrete Maßnahmen – etwa durch Verweigerung der Zustimmung zu Überstunden oder Forderungen nach Gefährdungsbeurteilungen.

Lichtblick: Rentenpaket sichert Perspektive

Inmitten der sektoralen Konflikte gab es am 5. Dezember eine verbindende positive Nachricht: Der Bundestag beschloss das Rentenpaket, das Rentenniveaus bis 2031 sichert. Ver.di begrüßte die Entscheidung – für Personalräte und MAVs bietet sie einen wichtigen Stabilitätsanker für verunsicherte Belegschaften.

Diese Entwicklung zeigt: Während die „Mikro-Ebene” der Zusammenarbeit vor Ort angespannt ist, liefert die „Makro-Ebene” zum Schutz fundamentaler Arbeitnehmerrechte weiterhin Ergebnisse. Ein Beleg dafür, dass das komplexe deutsche System aus Gewerkschaften, Gesetzgebern und internen Gremien auch unter Stress funktionsfähig bleibt.

Ausblick: Turbulenter Jahresbeginn erwartet

Ab Januar 2026 dürfte sich die Lage verschärfen, bevor sie sich entspannt. Bleibt die zweite Verhandlungsrunde erfolglos, werden die Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes den Druck erhöhen. Für Personalräte bedeutet das: Vorbereitung auf einen turbulenten Jahresstart mit penibel eingehaltenen Rechtsverfahren, um Arbeitgebern keine Handhabe für Disziplinarmaßnahmen zu bieten.

Im kirchlichen Sektor wird die Einführung geschlechtsneutraler Sprache im MVG-EKD (gültig seit 1. Januar 2025) eine symbolische Verwaltungsaufgabe bleiben – die eigentliche Schlacht dreht sich um Personalschlüssel. Experten rechnen damit, dass MAVs zunehmend einrichtungsübergreifend koordinieren werden, um geschlossen gegen jede Verwässerung von Pflegestandards aufzutreten.

Zum Ende des „Jahresendsprints” ist die Botschaft klar: Die rechtlichen Grundlagen der Personalvertretung sind statisch – doch die Zusammenarbeit ist dynamisch, fragil und derzeit intensiv umkämpft.

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