Tarifrunde öffentlicher Dienst: Ver.di und dbb starten mit 7-Prozent-Forderung
06.12.2025 - 07:20:12Die erste Dezemberwoche 2025 markiert eine Zeitenwende für Deutschlands Arbeitsbeziehungen. Während sich im öffentlichen Dienst ein harter Tarifkonflikt anbahnt, besiegelt Thyssenkrupp Steel den größten Stellenabbau seiner Geschichte – freiwillig und mit Zustimmung der IG Metall.
Zwei gegensätzliche Welten prallen aufeinander: Auf der einen Seite fordert Ver.di 7 Prozent mehr Lohn für Landesbeschäftigte und droht mit Warnstreiks. Auf der anderen Seite akzeptiert die IG Metall bei Thyssenkrupp den Abbau von 11.000 Jobs bis 2030 – im Tausch gegen Kündigungsschutz. Dazwischen liegt die Frage: Wie viel Macht haben Gewerkschaften noch in Zeiten des Strukturwandels?
Am 3. Dezember 2025 starteten in Berlin die Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Länder. Das Ergebnis der ersten Runde? Ver.di-Chef Frank Werneke sprach von „unüberbrückbaren Differenzen”. Die Gewerkschaften fordern 7 Prozent mehr Gehalt oder mindestens 300 Euro monatlich – eine direkte Antwort auf die kumulierte Inflation der vergangenen Jahre.
Die Arbeitgeber, vertreten durch die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), wiesen die Forderungen als finanziell nicht darstellbar zurück. Bereits am 5. Dezember folgten die ersten Warnstreiks – unter anderem an der Universität Passau. Besonders bemerkenswert: Auch studentische Hilfskräfte beteiligten sich an den sogenannten Partizipationsstreiks, obwohl viele formal nicht streikberechtigt sind.
Was bedeutet das konkret? Ver.di bereitet sich auf einen „echten Reallohnkampf” vor, so Werneke vor Verhandlungsbeginn. Die nächste Verhandlungsrunde Anfang 2026 dürfte von massiven Arbeitsniederlegungen begleitet werden. Schulen, Universitäten und Behörden müssen sich auf erhebliche Einschränkungen einstellen.
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Thyssenkrupp: 11.000 Jobs weg – dafür Kündigungsschutz bis 2030
Während im öffentlichen Dienst die Konfrontation eskaliert, haben Thyssenkrupp Steel Europe und die IG Metall am 1. Dezember einen historischen Sanierungstarifvertrag unterzeichnet. Die Zahlen sind drastisch: Von aktuell 27.000 Beschäftigten bleiben 2030 nur noch 16.000 übrig.
Der Clou des Deals: Im Gegenzug für den massiven Personalabbau garantiert das Unternehmen betriebsbedingte Kündigungsfreiheit bis zum 30. September 2030. Die verbleibenden Jobs sollen durch Abfindungsprogramme, Ausgliederungen und Aufhebungsverträge reduziert werden – aber niemand wird gegen seinen Willen entlassen.
Ist das ein Erfolg oder eine Kapitulation? Die IG Metall spricht von einem „pragmatischen Kompromiss in schwierigen Zeiten”. Kritiker sehen darin den Offenbarungseid einer Gewerkschaft, die keine Alternative mehr hat. Fakt ist: Die grüne Transformation der Stahlindustrie fordert ihren Tribut – und die Beschäftigten zahlen ihn mit ihren Arbeitsplätzen.
Seefahrt ohne Drama: Ver.di und Reeder einigen sich in Rekordzeit
Einen erfrischenden Kontrast zur verhärteten Lage im öffentlichen Dienst bot die Seeschifffahrt. Bereits in der zweiten Verhandlungsrunde einigten sich Ver.di und die deutschen Reeder am 4. Dezember auf einen neuen Tarifvertrag.
Die Laufzeit beträgt 30 Monate, die Lohnsteigerungen fallen moderat aus:
* 3,0 Prozent ab 2026
* 2,8 Prozent ab 2027
Die Einigung verhindert Streiks auf deutschen Handelsschiffen und zeigt: Wenn beide Seiten Planungssicherheit priorisieren, sind schnelle Lösungen möglich. Die Frage bleibt, ob dieser kooperative Ansatz auf andere Branchen übertragbar ist.
Bundesarbeitsgericht: Kündigung bleibt Hochrisiko-Manöver
Parallel zur Tarifpolitik schärft die Rechtsprechung weiter die Hürden für Arbeitgeber. Am 4. Dezember verhandelte das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt den Fall 2 AZR 13/25 – eine verhaltensbedingte Kündigung, die letztlich scheiterte.
Das BAG hob die Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts auf und verwies den Fall zurück. Die Botschaft an Personalabteilungen: Deutsche Kündigungsschutzgesetze setzen extrem hohe Standards. Selbst bei Restrukturierungen wie bei Thyssenkrupp müssen alle Verfahrensschritte – insbesondere die Betriebsratsanhörung – penibel eingehalten werden.
Für Unternehmen bedeutet das: Der mühsam ausgehandelte Sanierungstarifvertrag ist oft der sicherere Weg als der Gang vor Gericht.
Zwei Welten, ein Arbeitsmarkt
Die erste Dezemberwoche 2025 offenbart eine fundamentale Spaltung der deutschen Arbeitswelt:
Offensive Tarifpolitik in Dienstleistung und öffentlichem Dienst, wo Fachkräftemangel den Gewerkschaften Verhandlungsmacht verleiht. Hier geht es um reale Lohnzuwächse – notfalls mit harten Arbeitskämpfen.
Defensive Tarifpolitik in Industrie und Fertigung, wo Gewerkschaften den Erhalt von Kernjobs priorisieren. Der Sanierungstarifvertrag wird zum Standardinstrument, um den industriellen Niedergang sozialverträglich zu gestalten.
Welches Modell ist zukunftsfähiger? Die Antwort wird 2026 bei den anstehenden Betriebsratswahlen gegeben – wenn Beschäftigte entscheiden, wer sie in unsicheren Zeiten vertreten soll.
Ausblick: Volkswagen als nächster Dominostein?
Nach Thyssenkrupp richtet sich die Aufmerksamkeit auf Volkswagen. Dort laufen ähnliche Restrukturierungsgespräche, die Mitte Dezember in eine entscheidende Phase eintreten sollen. Wird die IG Metall auch beim größten Arbeitgeber Deutschlands einen Sanierungstarifvertrag akzeptieren?
Im öffentlichen Dienst dürfte die Eskalation weitergehen. Ver.di hat für Januar 2026 bereits flächendeckende Warnstreiks angekündigt. Eltern, Studierende und Bürger sollten sich auf Einschränkungen einstellen.
Die Betriebsratswahlen im Frühjahr 2026 werden zeigen, ob die Beschäftigten den pragmatischen Kurs ihrer Gewerkschaften mittragen – oder ob sie radikalere Vertretungen fordern.
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