Streiks, Personalnot

Streiks und Personalnot: Wer zahlt, wenn der Zug nicht kommt?

10.12.2025 - 12:10:12

Während das befürchtete Winterchaos ausbleibt, sorgen europäische Generalstreiks und chronischer Personalmangel im Nahverkehr für Pendler-Chaos. Doch wer trägt das Risiko – Arbeitgeber oder Arbeitnehmer? Die rechtliche Lage ist eindeutiger, als viele denken.

Heute, am 10. Dezember 2025, erleben deutsche Pendler eine paradoxe Situation: Bei frühlingshaften 10-15 Grad bleibt der Schnee aus, doch pünktlich ankommen? Fehlanzeige. Zwei Entwicklungen bringen die Mobilitätsfrage zurück auf die Tagesordnung – und damit die uralte Rechtsfrage: Wer zahlt, wenn ich zu spät komme?

Die Woche hat es in sich. Morgen legt ein Generalstreik in Portugal den Verkehr lahm, am Freitag folgt Italien mit einem 24-stündigen Ausstand der Gewerkschaft CGIL. Flughäfen, Züge, öffentlicher Nahverkehr – nichts geht mehr. Deutsche Geschäftsreisende sitzen fest, Lieferketten stocken.

Gleichzeitig schlägt ver.di Alarm: Die am Dienstag veröffentlichte Studie zeichnet ein düsteres Bild. Bis 2030 geht ein Drittel aller Fahrer in Rente. Was heute schon zu täglichen Ausfällen führt, wird zum strukturellen Problem. „Ausfall wegen Personalmangel” ist längst keine Ausnahme mehr – sondern bittere Normalität.

Doch was bedeutet das für den Arbeitsvertrag? Kann ich zu Hause bleiben, wenn kein Bus kommt? Muss mein Chef zahlen, wenn ich in Rom festsitze?

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Das Wegerisiko: Die eiserne Regel

So unterschiedlich die Gründe auch sein mögen – ob Streik in Lissabon oder fehlender Busfahrer im Ruhrgebiet – das deutsche Arbeitsrecht kennt eine klare Antwort: Das Wegerisiko trägt der Arbeitnehmer.

Die Rechtsprechung ist eindeutig: Wer zu spät kommt, hat keinen Anspruch auf Lohn für die versäumte Zeit. Das gilt für Staus, Zugausfälle und eben auch Streiks. Das Prinzip dahinter? Ohne Arbeit kein Lohn.

Zwar regelt § 616 BGB bezahlte Freistellung bei „persönlichen Verhinderungsgründen” – etwa bei plötzlicher Erkrankung oder einer Hochzeit. Doch genau hier liegt der Haken: Der Paragraf greift explizit nicht bei allgemeinen Störungen, die viele Menschen betreffen. Ein Generalstreik oder flächendeckendes Verkehrschaos? Privatsache.

Klartext: Wer im Stau steht, kann die Zeit nicht einfach dem Arbeitgeber in Rechnung stellen. Entweder nacharbeiten – falls der Chef zustimmt – oder Lohnabzug akzeptieren.

Dienstreisende: Wenn der Chef in der Pflicht ist

Ganz anders sieht es bei Dienstreisen aus. Wer gerade im Auftrag des Arbeitgebers in Portugal oder Italien unterwegs ist, wird vom Streik am 11. oder 12. Dezember nicht zum Privatvergnügen ausgebremst.

Hier gilt: Die Wartezeit am Flughafen oder die Suche nach Alternativen kann Arbeitszeit sein – je nach Arbeitsvertrag und Reiserichtlinie. Entscheidend ist: Der Arbeitnehmer steht unter der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers.

Fürsorgepflicht: Fällt der Rückflug aus Rom wegen des Streiks aus, muss der Arbeitgeber in der Regel die zusätzlichen Kosten (Hotel, Verpflegung) tragen und das Gehalt weiterzahlen. Die TAP Air Portugal hat bereits massiv Flüge gestrichen – Personalabteilungen sollten jetzt aktiv werden und betroffene Mitarbeiter kontaktieren.

Proaktives Umbuchen ist nicht nur rechtlich geboten, sondern auch operativ klug. Denn wer am Montag seine Key-Player zurück im Büro haben will, muss heute handeln.

Chronische Verspätungen: Abmahnung oder Mitgefühl?

Die ver.di-Studie vom 9. Dezember wirft eine heikle Frage auf: Wenn Ausfälle „wegen Personalmangel” zum Dauerzustand werden – bleibt es dann beim strikten Wegerisiko?

Rechtlich ja. Während Streiks als „höhere Gewalt” (plötzlich, von außen) gelten, bleibt der Fahrermangel für den Pendler ein klassisches Wegerisiko. Auch wenn die Infrastruktur nachweislich wackelt, ändert das am Grundprinzip nichts.

Praktisch aber: Arbeitgeber sollten genau abwägen. Wer bei chronisch verspäteten Mitarbeitern sofort zur Abmahnung greift, steht vor Gericht möglicherweise auf wackeligem Boden. Das Stichwort heißt Verhältnismäßigkeit. Wenn die öffentliche Infrastruktur messbar versagt – wie die ver.di-Zahlen belegen – wirkt eine rigide Disziplinarmaßnahme schnell unverhältnismäßig. Und schadet dem Betriebsklima.

Konstruktive Lösungen sind gefragt: Flexiblere Arbeitszeiten, Gleitzeit-Korridore oder – wo möglich – Homeoffice.

Sonntag kommt der Fahrplanwechsel: Jetzt informieren!

Als wäre die Woche nicht turbulent genug, steht am Sonntag, 14. Dezember, der jährliche Fahrplanwechsel an. Europaweit gelten neue Taktungen, Linien werden angepasst, Abfahrtszeiten verschoben.

Rechtlich relevant: Arbeitnehmer sind verpflichtet, sich rechtzeitig über Änderungen zu informieren. „Ich wusste nicht, dass der Fahrplan geändert wurde” zählt am Montagmorgen nicht als Entschuldigung für Verspätung.

Die Empfehlung für die kommende Woche liegt auf der Hand: Wer kann, sollte ins Homeoffice ausweichen. Das eliminiert das Wegerisiko komplett – und sichert Produktivität trotz Verkehrschaos.

Checkliste für Arbeitgeber und Arbeitnehmer

  • Pendler: Verspätungen gehen zu Lasten von Arbeitszeit oder Gehalt
  • Dienstreisen: Bei Streik-Blockaden trägt der Arbeitgeber Kosten und Risiko
  • Sofort handeln: Mitarbeiter in Italien/Portugal umgehend kontaktieren und umbuchen
  • Fahrplanwechsel: Neue Verbindungen bis Montag, 15. Dezember prüfen
  • Homeoffice-Option: Jetzt nutzen, um die Streikwoche zu entschärfen

Die Woche wird zum Stresstest für Mobilität und Arbeitsrecht. Wer die Regeln kennt und flexibel reagiert, kommt besser durch – auch wenn der Zug mal nicht kommt.


Hinweis: Dieser Artikel bietet allgemeine Informationen und ersetzt keine Rechtsberatung. In konkreten Fällen konsultieren Sie bitte einen Fachanwalt für Arbeitsrecht.

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