SPS, Cybersecurity

SPS 2025: Wie Cybersecurity die Elektrosicherheit revolutioniert

26.11.2025 - 06:41:12

Die Elektrobranche steht vor tiefgreifenden Veränderungen durch das neue NIS-2-Umsetzungsgesetz und digitale Sicherheitsstandards. Integration von funktionaler Sicherheit mit Cyberschutz wird zur zentralen Herausforderung für Unternehmen.

Die deutsche Elektrotechnik erlebt ihren größten Umbruch seit einem Jahrzehnt. Während auf der SPS in Nürnberg die nächste Generation von Sicherheitstechnik präsentiert wird, zwingt das kürzlich verabschiedete NIS-2-Umsetzungsgesetz die Branche zum radikalen Umdenken. Die Grenzen zwischen funktionaler Sicherheit und Cyberschutz verschwimmen – mit weitreichenden Folgen für Unternehmen.

Nürnberg, 26. November – Heute läuft der zweite Messetag der SPS – Smart Production Solutions 2025. In den Hallen drängen sich über 1.000 Aussteller, doch ein Thema dominiert die Fachgespräche: Wie lassen sich Sicherheitsprotokolle in digitale Workflows integrieren? Die Antwort darauf könnte die Arbeitsweise von Elektrofachkräften grundlegend verändern.

Digitale Zwillinge ersetzen Testaufbauten

Rockwell Automation und Eplan haben am Montag eine strategische Integration ihrer Engineering-Tools verkündet, die das Planen elektrischer Sicherheit revolutionieren könnte. Die neue Lösung verbindet Eplans Schaltplan-Software mit Rockwells Emulate3D-Technologie für digitale Zwillinge.

Das Ergebnis? Ingenieure können Sicherheitslogik und elektrische Designs virtuell simulieren und validieren – bevor auch nur ein einziges Kabel verlegt wird. “Diese Integration überbrückt die Lücke zwischen Planung und Betrieb”, erklärte Gunther Saelzer von Rockwell Automation. Die Sicherheitsvalidierung rückt damit um Monate im Projektverlauf nach vorne.

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Viele Elektrobetriebe unterschätzen, wie stark Cyberrisiken heute auch physische Sicherheitssysteme bedrohen. Das neue NIS‑2-Mandat verlangt Nachweise zur Netzwerksegmentierung, Firmware-Integrität und schnelle Meldung von Vorfällen – Anforderungen, die viele OT‑Umgebungen heute nicht erfüllen. Ein kostenloses E‑Book erklärt praxisnah, wie Sie Maschinensteuerungen und Sicherheitskomponenten gegen digitale Angriffe härten und gleichzeitig Compliance-Anforderungen erfüllen. Jetzt kostenloses Cyber-Security-E-Book herunterladen

Wieland Electric demonstriert in Halle 9 die praktische Anwendung der neuen Maschinenverordnung. Ihr Messeschwerpunkt “Safety meets Connection” zeigt, wie funktionale Sicherheitsdaten heute untrennbar mit sicheren Kommunikationsprotokollen verknüpft sind. Live vorgeführt werden Sicherheitssteuerungen, die gleichzeitig Maschinenschutz und Cyber-Resilienz managen – eine kritische Anforderung, da Betriebstechnik zunehmend ins Visier von Cyberangriffen gerät.

Auch Elmo Motion Control sorgte diese Woche für Aufsehen. Die neue “Titanium”-Servoregler-Linie verfügt über eine aktualisierte Sicherheitsarchitektur für kompakte, hochverdichtete Automatisierungsumgebungen. Die Industrie strebt offenbar nach kleineren, sichereren und intelligenteren Antriebssystemen.

NIS-2-Gesetz: Der Paradigmenwechsel ist da

Doch während in Nürnberg Technik zur Schau gestellt wird, hat sich der regulatorische Rahmen gerade verschoben. Der Bundestag verabschiedete am 13. November 2025 das NIS-2-Umsetzungsgesetz – ein Thema, das die Diskussionsrunden auf der Messe dominiert.

Die Gesetzgebung erweitert die Definition “kritischer Infrastruktur” erheblich und erfasst nun auch zentrale Bereiche der Fertigungs- und Elektrotechnik-Lieferkette. Erstmals gelten viele mittelständische Elektrounternehmen als “wichtige Einrichtungen” mit strikten Risikomanagement-Pflichten.

“Die Ära, in der Elektrosicherheit und IT-Sicherheit getrennte Welten waren, ist vorbei”, betonen Compliance-Experten auf der Messe. Unternehmen müssen bedeutende Vorfälle künftig binnen 24 Stunden melden. Das Gesetz schreibt faktisch vor, dass elektrische Sicherheitssysteme in kritischen Anlagen gegen digitale Sabotage gehärtet werden müssen. Für die Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) bedeutet das eine völlig neue Komplexitätsebene.

Solar und Wasserstoff: VDE schafft neue Standards

Auch außerhalb der Fabrikhallen tut sich einiges. Der VDE hat entscheidende Aktualisierungen für Wohn- und Gewerbeinstallationen veröffentlicht.

Am 14. November 2025 kündigte die VDE DKE die weltweit erste dedizierte Produktnorm für Steckersolargeräte (Balkonkraftwerke) an: DIN VDE V 0126-95. Die im Dezember 2025 formal erscheinende Norm liefert ein definiertes Sicherheitsgerüst für “Steckersolargeräte”, die in Deutschland explosionsartig gewachsen sind. Die neue Norm vereinfacht Prüfanforderungen und adressiert endlich Brandschutz- und Netzinteraktions-Bedenken.

Zusätzlich veröffentlichte der VDE Anfang November die “Normungsroadmap Wasserstofftechnologien 2025”. Das strategische Dokument definiert Sicherheitsparameter für Elektrolyseure und Brennstoffzellen – essenziell für Deutschlands Wasserstoff-Transition, in die 2026 massive Investitionen fließen sollen.

Compliance wird algorithmisch

Die Entwicklungen Ende November 2025 illustrieren einen klaren Trend: Compliance wird datengetrieben. Der traditionelle Ansatz bei DGUV-Vorschrift-3-Prüfungen – manuelle Checks, Papierprotokolle – wird rasant von digitaler Dokumentation und kontinuierlichen Überwachungssystemen abgelöst.

Die Diskussionen auf der SPS zeigen: Die DGUV V3, deren aktualisierte Ausführungsrichtlinien Anfang des Jahres in Kraft traten, wird nun durch die Linse von Industrie 4.0 interpretiert. Moderne Sicherheitskomponenten sind keine passiven Elemente mehr – sie sind aktive Datenpunkte in Predictive-Maintenance-Algorithmen. Dieser Wandel ermöglicht den Wechsel von starren, kalenderbasierten Prüfintervallen zu dynamischem, zustandsbasiertem Sicherheitsmanagement. Vorausgesetzt, Unternehmen können Prüfern gleichwertige Sicherheitsniveaus nachweisen.

Der Preis der Vernetzung

Doch das NIS-2-Gesetz bringt einen Konfliktpunkt: Je vernetzter Sicherheitssysteme werden, desto verwundbarer sind sie. Das neue “Cyber-Safety”-Mandat bedeutet, dass ein Elektrosicherheitsaudit 2026 vermutlich Nachweise über Netzwerksegmentierung und Firmware-Integrität erfordert – zusätzlich zu klassischen Isolationswiderstandstests.

Kann die Branche diesen Spagat schaffen? Die Antwort wird sich im ersten Quartal 2026 zeigen, wenn Tausende neu regulierte Unternehmen in einen “Compliance-Sprint” eintreten müssen, um ihre OT-Sicherheitslage zu auditieren.

Die neue VDE-Norm für Balkonkraftwerke dürfte im Frühjahr 2026 eine Welle zertifizierter Produkte auslösen und Installateuren sowie Vermietern endlich eine klare Rechtsgrundlage liefern. Für die Fachleute, die derzeit durch die Nürnberger Messehallen laufen, ist die Botschaft eindeutig: Die Zukunft der Elektrosicherheit ist vernetzt, berechenbar – und cyber-sicher.

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