Slowakei: Regierung schafft Whistleblower-Schutzamt ab
25.11.2025 - 02:49:12Die slowakische Regierung kassiert den unabhängigen Schutz für Hinweisgeber – und provoziert damit Brüssel. Premierminister Robert Fico ließ am Wochenende im Eilverfahren ein Gesetz beschließen, das die bisherige Whistleblower-Schutzbehörde auflöst. Die EU-Kommission fordert nun Erklärungen, die Opposition spricht von „politischer Rache”.
Was nach bürokratischer Umstrukturierung klingt, könnte weitreichende Folgen haben: Das bisherige Úrad na ochranu oznamovateľov (ÚOO) verschwindet und geht in einer neuen Mega-Behörde auf. Diese soll künftig sowohl Hinweisgeber als auch Kriminalitätsopfer betreuen – eine Kombination, die Kritiker als gezielten Angriff auf die Unabhängigkeit werten.
An diesem Samstag nickte das Kabinett von Ministerpräsident Fico den Gesetzentwurf von Innenminister Matúš Šutaj Eštok ab. Die bisherige Schutzbehörde wird ersatzlos aufgelöst. Ihre Aufgaben übernimmt ein neu geschaffenes „Amt für den Schutz von Verbrechensopfern und Hinweisgebern auf antisoziale Aktivitäten” – eine sperrige Konstruktion, die bisher getrennte Zuständigkeiten vereint.
Die Regierung begründet den Schritt mit angeblicher Ineffizienz. Das neue Amt solle Whistleblower-Schutz und Opferentschädigung bündeln, letztere liegt derzeit noch beim Justizministerium. „Das Ziel ist es, auf die eklatantesten Probleme zu reagieren, insbesondere die unzureichenden Rechte der Arbeitgeber”, heißt es im Erklärungsbericht des Innenministeriums. Minister Šutaj Eštok betont, die Reform beseitige die „ungleiche und unverhältnismäßige Position” von Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern.
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Brisant: Die Regierung will das Gesetz im beschleunigten Verfahren durch das Parlament peitschen. Begründung? Angeblich drohende Gefahren für Opferrechte. Doch dieser Zeitdruck nährt den Verdacht politischer Motive.
Opposition mobilisiert: „Dreiste Abrechnung”
Die Reaktion der Opposition kam prompt und heftig. Die außerparlamentarische Partei Demokrati hat gemeinsam mit der führenden Oppositionspartei Progresívne Slovensko für heute, Dienstag, 17 Uhr, zu einer Demonstration vor dem slowakischen Parlament aufgerufen.
Worum geht es wirklich? Oppositionsführer werfen der Regierung vor, gezielt die Leitung der Behörde auszutauschen und kritische Whistleblower schutzlos zu stellen. Im Fokus stehen vor allem Polizeiermittler, die in hochkarätigen Korruptionsfällen gegen Regierungskreise recherchieren.
„Sie haben viel angestellt, aber diese dreiste Nummer ist zu viel. Es ist pure politische Rache und Teil der systematischen Zerstörung unabhängiger Institutionen”, wetterte Juraj Šeliga, stellvertretender Vorsitzender der Demokrati, am Sonntag auf einer Pressekonferenz. Er wirft der Regierung vor, das Eilverfahren zu missbrauchen, um normale parlamentarische Debatten zu umgehen.
Gerichtsniederlage als Auslöser?
Das Timing wirft Fragen auf. Erst vergangene Woche erlitt Innenminister Šutaj Eštok eine juristische Schlappe: Das Verwaltungsgericht Bratislava gab dem Polizeiermittler Pavol Ďurka recht und hob dessen Suspendierung auf. Das Ministerium hatte rechtswidrig gehandelt, indem es Ďurka ohne vorherige Zustimmung der Whistleblower-Schutzbehörde vom Dienst suspendierte – Ďurka genießt Schutzstatus.
Kein Wunder also, dass die Opposition einen direkten Zusammenhang vermutet. Die Auflösung der Behörde würde das Problem elegant lösen – indem man die störende Institution einfach abschafft.
Brüssel schaltet sich ein
Die Vorgänge in Bratislava sind auch in Brüssel angekommen. Bereits am Montag kündigte die EU-Kommission an, von der slowakischen Regierung eine Stellungnahme zu verlangen.
„Wir sind uns bewusst, dass die slowakische Regierung einen Gesetzentwurf im beschleunigten Verfahren eingereicht hat. Natürlich werden wir das Gesetz analysieren, sobald es verabschiedet ist”, erklärte ein Kommissionssprecher gegenüber der Nachrichtenagentur TASR.
Die Kommission betonte, dass die EU-Whistleblower-Richtlinie Mitgliedstaaten verpflichtet, funktional unabhängige und autonome Behörden einzurichten. „Die Kommission wird daher die slowakischen Behörden kontaktieren, um eine Erklärung zu erhalten und die Situation richtig zu verstehen.”
Sollte die Slowakei keine zufriedenstellenden Antworten liefern, droht ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Nicht-Einhaltung von EU-Recht – ein weiterer Konflikt in den ohnehin angespannten Beziehungen zur EU bezüglich Rechtsstaatlichkeit.
Schwelender Konflikt eskaliert
Die Auseinandersetzung um das Whistleblower-Schutzamt schwelt bereits seit Monaten. Im Zentrum steht die Behördenleiterin Zuzana Dlugošová und ihr Schutz für die sogenannten „Čurillovci” – eine Gruppe von NAKA-Ermittlern (Nationale Kriminalpolizei), die Korruptionsvorwürfe gegen Kreise der Regierungsparteien untersuchen.
Der Konflikt erreichte 2024 einen Höhepunkt, als die Schutzbehörde dem Innenministerium eine Strafe von 90.000 Euro auferlegte. Das Ministerium hatte geschützte Ermittler ohne die obligatorische Zustimmung der Behörde suspendiert – eine Absicherung, die gerade Vergeltungsmaßnahmen von Arbeitgebern verhindern soll.
Das Ministerium zahlte die Strafe zwar, focht die Autorität der Behörde aber weiter gerichtlich an. Mit der Gesetzesänderung scheint die Regierung nun den gordischen Knoten durchschlagen zu wollen: Wenn die Behörde nicht mehr existiert, kann sie auch nicht mehr stören.
Was kommt jetzt?
Mit ihrer Parlamentsmehrheit dürfte die Koalition das Gesetz problemlos durchbringen. Doch der Preis könnte hoch sein: Ein langwieriger Konflikt mit Brüssel erscheint unvermeidlich, die gesellschaftliche Polarisierung in der Slowakei dürfte sich weiter vertiefen.
Während sich heute Abend die Demonstranten vor dem Parlament versammeln, richten sich alle Blicke auf zwei Orte: auf Bratislava, wo die Debatte über das umstrittene Eilgesetz beginnt – und auf Brüssel, wo EU-Beamte ihre Reaktion auf das abwägen, was viele als weitere Erosion demokratischer Kontrollmechanismen in der Slowakei betrachten.
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