Slowakei, EU-Konflikt

Slowakei droht EU-Konflikt wegen Whistleblower-Schutz

25.11.2025 - 22:00:12

Die EU-Kommission fordert Aufklärung von Bratislava: Die Regierung von Premier Robert Fico will die unabhängige Whistleblower-Schutzbehörde des Landes auflösen und durch eine staatlich kontrollierte Einrichtung ersetzen. Brüssel sieht darin einen möglichen Verstoß gegen EU-Recht – und der Konflikt eskaliert.

Am Dienstag bestätigte die Kommission offiziell, was Beobachter schon befürchteten: Die geplante Abwicklung des slowakischen Whistleblower-Schutzamts (ÚOO) könnte gegen die EU-Whistleblower-Richtlinie verstoßen. Die Richtlinie verlangt ausdrücklich „autonome und unabhängige” Schutzbehörden. Genau diese Unabhängigkeit steht nun auf dem Spiel.

Besonders brisant: Die Regierung nutzt ein beschleunigtes Gesetzgebungsverfahren, das normale parlamentarische Debatten und öffentliche Anhörungen umgeht. „Wir werden die slowakischen Behörden kontaktieren, um Klarstellungen zu erhalten”, erklärte ein Kommissionssprecher. Die Botschaft ist unmissverständlich – Brüssel beobachtet sehr genau.

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Was treibt Premier Fico zu diesem Schritt? Offiziell begründet Innenminister Matúš Šutaj Eštok die Auflösung mit „Ineffizienz” und „politischer Voreingenommenheit”. Das derzeitige Amt sei zur „lauten politischen Trompete der Opposition” verkommen, so der Minister.

Doch hinter der Fassade verbirgt sich ein handfester Konflikt: Im Oktober 2024 verhängte das ÚOO eine Geldstrafe von 90.000 Euro gegen das Innenministerium. Der Vorwurf? Illegale Suspendierung von Polizeiermittlern, die unter Whistleblower-Schutz standen. Die Behördenleitung hatte ihre Zustimmung zur Suspendierung verweigert – die Regierung handelte trotzdem.

„Das ist ein eklatanter politischer Eingriff”, warnt Zuzana Dlugošová, die Vorsitzende des ÚOO. Ihre Amtszeit sollte eigentlich bis 2028 laufen. Mit dem neuen Gesetz würde sie sofort ihren Posten verlieren. Die Opposition spricht offen von einem Rachefeldzug gegen unbequeme Kontrollinstanzen.

Fast-Track ins Staatsamt

Der Plan der Regierung ist radikal: Das unabhängige Whistleblower-Amt soll in einer neuen Behörde für „Schutz von Verbrechensopfern und Whistleblowern” aufgehen. Klingt harmlos – ist aber ein fundamentaler Systemwechsel. Statt einer unabhängigen Kontrollinstanz würde eine staatlich geführte Einrichtung über den Schutz von Hinweisgebern entscheiden.

Kann das funktionieren? Rechtexperten zweifeln massiv. Die EU-Richtlinie verlangt nicht ohne Grund Unabhängigkeit. Wer soll Missstände in Ministerien aufdecken, wenn die Schutzbehörde selbst dem Staat unterstellt ist?

Die Regierung argumentiert mit Kosteneinsparungen und Effizienzgewinnen. Kritiker sehen darin einen Vorwand: Es geht nicht um Verwaltungsreform, sondern um die Beseitigung lästiger Kontrolle.

Doppelter Druck aus Brüssel

Der Timing könnte kaum brisanter sein. Nur einen Tag bevor Ficos Kabinett den Gesetzentwurf absegnete, leitete Brüssel bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Slowakei ein – wegen umstrittener Verfassungsänderungen.

Diese neuen Verfassungsartikel stellen die „nationale Identität” der Slowakei über EU-Recht. Für die Kommission ein klarer Verstoß gegen fundamentale Unionsprinzipien. Nun kommt die Whistleblower-Affäre hinzu. Driftet die Slowakei systematisch von europäischen Rechtsstaatsstandards ab?

Die Sorge in Brüssel wächst: Wenn ein Mitgliedstaat gezielt unabhängige Kontrollmechanismen schleift, steht die Integrität des gesamten Systems auf dem Spiel. Die Kommission hat noch keine konkreten Fristen genannt, aber eines ist klar: Bei einem festgestellten Verstoß drohen Strafzahlungen oder die Aussetzung von EU-Mitteln.

Was kommt jetzt?

Das Parlament in Bratislava könnte bereits diese Woche abstimmen. Die Regierungskoalition verfügt über eine sichere Mehrheit. Wird das Gesetz im Schnellverfahren durchgewinkt, tritt es unmittelbar nach Veröffentlichung in Kraft – und das ÚOO ist Geschichte.

Für Whistleblower in der Slowakei würde das konkret bedeuten: weniger Schutz, mehr Unsicherheit. Für die EU: ein weiterer Testfall, wie ernst es ihr mit der Durchsetzung ihrer eigenen Standards ist. Die Kommission hat klargemacht, dass sie die Entwicklung „sehr genau verfolgt”.

Bleibt die Frage: Wird Brüssel diesmal wirklich hart durchgreifen? Oder bleibt es bei mahnenden Worten? Die nächsten Wochen werden zeigen, ob europäisches Recht auch dann gilt, wenn es unbequem wird.

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Chronologie der Ereignisse:

  • 21. November 2025: EU-Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren wegen Verfassungsänderungen ein
  • 22. November 2025: Slowakische Regierung beschließt Auflösung des Whistleblower-Schutzamts im Fast-Track-Verfahren
  • 25. November 2025: Brüssel fordert offiziell Erklärungen von Bratislava
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