Schweiz forciert E-Accessibility: Digitaler Neustart für alle Bürger
15.11.2025 - 15:10:12Der European Accessibility Act zwingt Deutschland, Österreich und die Schweiz zur barrierefreien Digitalisierung. Während Österreich vorne liegt, zeigt Deutschland massive Defizite bei Behördendiensten.
Bern verstärkt den Druck auf digitale Inklusion: Am 21. November findet ein hochrangiges E-Accessibility-Symposium statt, das die Weichen für barrierefreie digitale Behördendienste neu stellen soll. Der Zeitpunkt ist kein Zufall – seit Juni 2025 gilt das wegweisende European Accessibility Act (EAA) der EU, das neue Maßstäbe für digitale Services setzt. Auch für Deutschland, Österreich und die Schweiz steigt damit der Handlungsdruck erheblich.
Das Online-Symposium ist ein zentraler Baustein der Strategie “Digital Public Services Switzerland (DPSS)” – eine gemeinsame Roadmap von Bund, Kantonen und Gemeinden für die Jahre 2024 bis 2027. Ziel: Ein integriertes System für effektive, transparente und sichere digitale Interaktionen mit Behörden. Dass das operative Management-Komitee bereits am 17. November zusammentritt und der Implementierungsplan für 2026 Ende Oktober verabschiedet wurde, zeigt: Die Schweiz beschleunigt ihre digitalen Accessibility-Bemühungen massiv.
DPSS-Strategie: Das digitale Rückgrat der Schweiz
Die Digital Public Services Switzerland bildet das Fundament für die Modernisierung der E-Government-Angebote des Landes. Die Vision ist klar: Durchgängige digitale Dienste, die sich an persönliche Lebensumstände anpassen und Einwohnern wie Auslandschweizern das Leben erleichtern. Services sollen leicht auffindbar und intuitiv nutzbar sein – orientiert an den Bedürfnissen der Nutzer, nicht an Verwaltungsstrukturen.
Seit dem 1. Januar 2024 in Kraft, tritt die Strategie jetzt in eine kritische Umsetzungsphase. Zu den Meilensteinen gehören die Einführung einer nationalen E-ID für sicheren Zugang zu Behördenportalen und die Gewährleistung der Interoperabilität zwischen verschiedenen Regierungsplattformen. Der frisch verabschiedete Implementierungsplan für 2026 konkretisiert die Projekte und Prioritäten zur Erreichung dieser strategischen Ziele.
Schweizer Behörden und Unternehmen stehen jetzt vor der Herausforderung, das revidierte Schweizer Datenschutzgesetz (revDSG) parallel zu den neuen EU-Anforderungen umzusetzen. Viele Organisationen unterschätzen Aufwand und Fristen – das kann zu teuren Bußgeldern und operativen Problemen führen. Der kostenlose RevDSG-Leitfaden liefert praxisnahe Checklisten, sofort einsetzbare Vorlagen für Verzeichnisse und Betroffenenanfragen sowie Tipps zur EU-Kompatibilität. Ideal für Verwaltungen, Datenschutzbeauftragte und Projektverantwortliche. RevDSG-Leitfaden jetzt kostenlos herunterladen
European Accessibility Act: Der neue digitale Standard
Was treibt die plötzliche Dynamik im DACH-Raum? Hauptverantwortlich ist der European Accessibility Act, der am 28. Juni 2025 in Kraft trat. Die Richtlinie harmonisiert Barrierefreiheits-Anforderungen für digitale Konsumprodukte und Dienstleistungen – von E-Commerce und Banking bis zu Computern und Smartphones. Neu: Die Pflichten, die bisher hauptsächlich öffentliche Stellen betrafen, gelten nun auch für private Wirtschaftsakteure.
Für die Schweiz, obwohl kein EU-Mitglied, hat das Gesetz erhebliche Auswirkungen. Schweizer Unternehmen und Organisationen, die Dienstleistungen für Kunden innerhalb der EU anbieten, müssen diese neuen Standards erfüllen – oder riskieren Bußgelder und Reputationsschäden. Die Vorgabe: Digitale Angebote müssen für alle Nutzer zugänglich sein, einschließlich Menschen mit Seh-, Hör-, motorischen oder kognitiven Einschränkungen. Als Referenz dienen dabei die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG).
Deutschland kämpft mit massiven Defiziten
Wie sieht es bei den Nachbarn aus? In Deutschland orientiert sich die Digitalisierung am Onlinezugangsgesetz (OZG), das kürzlich reformiert wurde. Doch der Fortschritt ist uneinheitlich – und ernüchternd. Ein aktueller Monitoring-Bericht der Bundesfachstelle Barrierefreiheit (BFIT-Bund) offenbart: Keine einzige digitale Anwendung oder Website im deutschen öffentlichen Sektor ist vollständig barrierefrei.
Der Bericht, der Tausende Websites untersuchte, stellte fest: Viele sind zwar verständlich gestaltet, aber oft nicht vollständig per Tastatur bedienbar – ein kritisches Feature für viele Menschen mit Behinderungen. Kann Deutschland den Rückstand aufholen, bevor weitere EU-Vorgaben Druck aufbauen?
Österreich: Vorreiter mit Verbesserungspotenzial
Österreich gilt im Vergleich als E-Government-Champion der Region. Plattformen wie “oesterreich.gv.at” und die “Digitales Amt”-App werden intensiv genutzt: 70 Prozent der Österreicher greifen regelmäßig auf digitale Behördendienste zu. Das System ID Austria bietet zentralen Zugang zu Hunderten von Services.
Trotz dieses Erfolgs planen die Behörden einen Relaunch des E-ID-Systems, um ein nutzerfreundlicheres und einfacheres Angebot zu schaffen. Die Botschaft dahinter: Selbst fortschrittliche Systeme erfordern kontinuierliche Verbesserungen, um Nutzererwartungen und Barrierefreiheits-Standards gerecht zu werden.
Die gesellschaftliche Dimension: Mehr als nur Compliance
Digitale Barrierefreiheit ist im 21. Jahrhundert ein grundlegendes Menschenrecht – sie garantiert, dass Bürger mit Behinderungen vollständig am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Laut dem aktuellen Capgemini eGovernment Benchmark erfüllen 65 Prozent aller untersuchten öffentlichen Websites zentrale Web Content Accessibility Guidelines nicht. Eine alarmierende Lücke zwischen politischem Anspruch und praktischer Umsetzung.
In der Schweiz sind rund 20 Prozent der Bevölkerung von funktionalen Einschränkungen betroffen – eine Zahl, die mit der alternden Gesellschaft weiter steigen wird. Die Herausforderung besteht darin, von isolierten digitalen Lösungen zu einer vernetzten, nutzerzentrierten Infrastruktur zu gelangen, die Barrierefreiheit von Anfang an mitdenkt. Das Prinzip lautet: “Accessibility first, design second”.
Ausblick: Der lange Weg zur vollständigen Inklusion
Die Monate nach der Implementierung des European Accessibility Act im Juni 2025 werden entscheidend sein – für öffentliche Verwaltungen wie private Unternehmen im gesamten DACH-Raum. Mit funktionierenden Durchsetzungsmechanismen und potenziellen Strafen steigt der Druck auf Organisationen, Barrierefreiheits-Audits durchzuführen und ihre digitalen Plattformen nachzubessern.
Für die Schweiz werden das kommende E-Accessibility-Symposium und die Umsetzung des DPSS-Plans wichtige Indikatoren sein. Deutschland muss die systemischen Mängel aus den Monitoring-Berichten angehen und das aktualisierte OZG effektiv implementieren. Österreich dürfte seine bereits starken digitalen Angebote weiter verfeinern, mit Fokus auf die Nutzerfreundlichkeit seiner E-ID-Plattform.
Das Ziel vollständig inklusiver digitaler Behördendienste bleibt work in progress. Doch die jüngste Aktivitätswelle und strategische Planung signalisieren: Der DACH-Raum nimmt die Herausforderung ernst und arbeitet an einer zugänglicheren digitalen Zukunft für alle Bürger.
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