Schröder 2.0? Merz will Kündigungsschutz lockern
25.11.2025 - 22:21:12Die Bundesregierung will es Unternehmen erleichtern, sich von Spitzenverdienern zu trennen. Beim Deutschen Arbeitgebertag in Berlin forderten Wirtschaftsminister Katherina Reiche (CDU) und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann eine Reform des Kündigungsschutzes für Gutverdiener – und lösten damit einen politischen Flächenbrand aus.
“Das heutige Kündigungsrecht hemmt Veränderungsprozesse”, erklärte Reiche vor rund 1.000 Unternehmensvertretern im Berliner Kongresszentrum. Ihre Forderung: eine Zwei-Klassen-Regelung beim Jobschutz. Menschen mit niedrigen Einkommen bräuchten anderen Schutz als Beschäftigte in gut bezahlten Positionen. Länder mit häufigen Jobwechseln seien nachweislich wachstumsoffener.
Die Aussage dürfte kein Zufall sein. Mit koordinierten Auftritten signalisiert die Merz-Regierung, dass sie bereit ist, politisch heikle Arbeitsmarktreformen anzugehen. Linnemann rahmt den Vorstoß als Teil einer “Agenda für die Fleißigen” – eine Formulierung, die bewusst an Schröders Reformen erinnert.
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Der Zeitpunkt der Offensive ist strategisch gewählt. Erst vor zwei Wochen legte der Sachverständigenrat seinen Jahresbericht vor – mit ernüchternden Zahlen: 0,2 Prozent Wachstum für 2025, für 2026 magere 0,9 Prozent. Ratsvorsitzende Monika Schnitzer warnte vor einem “instabilen Bundeshaushalt” und mangelnden Investitionen.
Reiche nutzte diese Diagnose geschickt für ihre Argumentation. Die Wirtschaftslage sei “schlimmer als allgemein bekannt”, fehlende Inlandsinvestitionen würden zum Stresstest für den Standort. Ohne Strukturreformen – einschließlich des geänderten Kündigungsschutzes – werde auch das Wachstumsziel von 0,9 Prozent für 2026 unerreichbar bleiben.
Doch welche Gehaltsschwelle definiert einen “Spitzenverdiener”? Weder Reiche noch Linnemann nannten konkrete Zahlen. Frühere Debatten orientierten sich an der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung – derzeit rund 8.000 Euro monatlich. Jeder Gesetzentwurf wird hier auf massive Widerstände stoßen.
Arbeitgeber wollen mehr, Gewerkschaften sehen rot
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger begrüßte die Reformbereitschaft, forderte aber noch mehr Tempo. “Wir sehen die Ansätze, aber noch keine Trendwende und keinen Reformturbo”, mahnte er. Das neue BDA-Arbeitgeber-Barometer zeigt: 82 Prozent der Unternehmer sehen Bürokratie und Regulierung als Hauptbelastung.
Ganz anders der Deutsche Gewerkschaftsbund. DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel konterte scharf: “Der Arbeitgebertag ist kein Wunschzettel für alles, was man am Sozialstaat schon immer abschaffen wollte.” Ein Abbau des Kündigungsschutzes stehe nicht im Koalitionsvertrag und schade der Motivation der Beschäftigten.
“Deutschland kann mehr – das muss aber für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer gelten”, so Piel. Statt Schutzrechte zu schleifen, fordert der DGB Initiativen zur Tarifbindung und Weiterbildung.
Kalkuliertes Risiko für Merz
Die CDU-Regierung, seit Mai 2025 im Amt, wählt einen schmalen Grat. Mit dem Fokus auf “Spitzenverdiener” hofft sie, eine breite Mobilisierung der Arbeitnehmerschaft zu vermeiden – während sie gleichzeitig Investoren und Mittelstand ein Signal sendet.
Der Vorstoß markiert eine Kehrtwende: Weg von nachfrageorientierten Konjunkturprogrammen, hin zu angebotsseitigen Strukturreformen wie einst unter Schröder. Mit schwacher Kapazitätsauslastung und lahmenden Investitionen setzt die Regierung darauf, dass regulatorische Entlastung die Wirtschaft ankurbelt – ohne den klammen Bundeshaushalt weiter zu belasten.
Heißer Winter voraus?
Beobachter erwarten in den kommenden Wochen ein Eckpunktepapier aus dem Wirtschaftsministerium. Im Bundesrat drohen Widerstände aus Ländern mit starken Gewerkschaftsverbindungen. Die Gewerkschaften haben bereits angekündigt, eine “Salamitaktik” bei Arbeitnehmerrechten nicht hinzunehmen.
Gelingt die Reform, wäre es die bedeutendste Änderung im deutschen Arbeitsrecht seit zwei Jahrzehnten. Scheitert sie, könnte das die Wirtschaftspolitik der Merz-Regierung nachhaltig beschädigen. Die Debatte wird die politische Agenda bis weit ins Jahr 2026 dominieren – und könnte den Winter zur Nagelprobe für die Sozialpartnerschaft machen.
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