Regierung, Abbau

Regierung plant drastischen Abbau betrieblicher Sicherheitsbeauftragter

23.11.2025 - 10:50:12

Konflikt zwischen Bürokratieabbau und Arbeitsschutz: Die Pläne könnten 123.000 Sicherheitsbeauftragte aus deutschen Betrieben entfernen.

Das Bundesarbeitsministerium (BMAS) hat diese Woche Pläne vorgelegt, die die Landschaft des betrieblichen Arbeitsschutzes grundlegend verändern könnten. Die am vergangenen Freitag im DGUV-Newsletter bestätigte Initiative sieht vor, die Pflicht zur Bestellung von Sicherheitsbeauftragten in Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten komplett zu streichen. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) reagierte umgehend mit scharfer Kritik.

Besonders brisant: Gerade im Bereich der Elektrosicherheit, wo ständige Überwachung vor Ort Unfälle mit Spannung und Maschinen verhindert, könnte der Wegfall dieser „Augen im Betrieb” kritische Folgen haben. Experten warnen, dass dies die Einhaltung wichtiger Vorschriften wie der DGUV Vorschrift 3 gefährdet – ausgerechnet jetzt, wo neue Elektrotechnologien den Markt überschwemmen.

Das Vorhaben ist Teil eines umfassenden „Bürokratieabbau-Pakets” zur Entlastung kleiner und mittlerer Unternehmen. Nach geltendem Recht müssen Betriebe ab 20 Beschäftigten mindestens einen Sicherheitsbeauftragten bestellen. Diese Schwelle soll nun deutlich angehoben werden.

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Für Unternehmen bis 250 Mitarbeiter würden die Anforderungen zusätzlich gelockert – vermutlich auf einen einzigen Beauftragten, unabhängig vom spezifischen Gefährdungsprofil des Betriebs.

Dr. Stephan Fasshauer, erst kürzlich zum Hauptgeschäftsführer der DGUV berufen, äußerte am Freitag deutliche Bedenken: „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit sind gerade in Zeiten von Personal- und Fachkräftemangel ein kostbares Gut.” Zwar erkenne er die Notwendigkeit zum Bürokratieabbau an, doch müsse „sorgfältig abgewogen werden, wo das Ziel der Bürokratieentlastung wirksam umgesetzt werden kann.”

Sein Hauptvorwurf: Die „projizierten Einsparungen dürfen nicht auf Kosten wachsender Unfallrisiken gehen.” Sicherheitsbeauftragte seien keine bloßen Bürokratiefiguren, sondern unverzichtbare Elemente einer funktionierenden Sicherheitskultur, die Unternehmen durch Gewährleistung der täglichen Compliance von rechtlichen Haftungsrisiken entlasten.

Elektrosicherheit in Gefahr

Der Zeitpunkt dieser Deregulierung beunruhigt besonders die Branche der Elektrosicherheit. Sicherheitsbeauftragte spielen eine zentrale Rolle bei der praktischen Durchsetzung der DGUV Vorschrift 3, die die Sicherheit elektrischer Anlagen und Betriebsmittel regelt.

Im Gegensatz zu externen Prüfern, die nur periodisch vorbeischauen, arbeiten Sicherheitsbeauftragte täglich Seite an Seite mit ihren Kollegen. Sie bemerken als Erste ein ausgefranstes Verlängerungskabel, einen überbrückten Not-Aus-Schalter oder ein überfälliges Prüfgerät.

„Wenn Sie den Sicherheitsbeauftragten aus einem kleinen Fertigungsbetrieb oder Tech-Startup entfernen, verlieren Sie die erste Verteidigungslinie gegen Elektrounfälle”, betont ein Branchenanalyst. „Wer stellt dann sicher, dass ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel alle sechs Monate geprüft werden, wenn niemand dafür zuständig ist? Der Geschäftsinhaber ist oft zu weit von der Produktionshalle entfernt, um solche Details zu bemerken – bis ein Unfall passiert.”

Die Kürzung kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Mit der raschen Integration von E-Ladesäulen, Batteriespeichersystemen und Hochleistungsservern in normale Büroumgebungen wächst die Komplexität elektrischer Gefährdungen. Eine Reduzierung des Aufsichtspersonals widerspricht den wachsenden technischen Anforderungen an die Arbeitssicherheitsinfrastruktur.

Digitalisierung als Lösung?

Am 17. November veröffentlichten DGUV, Deutsche Rentenversicherung (DRV) und GKV-Spitzenverband ein gemeinsames Positionspapier zur Digitalisierung. Das Dokument fordert klare politische und rechtliche Rahmenbedingungen, damit die digitale Transformation den Interessen der Sozialversicherung und Prävention dient.

Diese Digitalisierungsoffensive könnte teilweise den Rückgang menschlicher Überwachung kompensieren – doch Experten bleiben skeptisch. Während „Digitalisierung gelebte Prävention ist”, wie Fasshauer formulierte, können automatisierte Systeme menschliche Intuition und Beobachtung nicht vollständig ersetzen.

Digitale Protokolle können zwar erfassen, wann eine Maschine zuletzt inspiziert wurde. Sie erkennen aber nicht, ob ein Mitarbeiter unsachgemäß eine Leiter nahe einer Freileitung benutzt oder ob sich ein Wasserleck neben einem Verteilerkasten entwickelt hat. Das DGUV-Positionspapier betont, dass KI und digitale Tools zwar bei der Risikoanalyse helfen können, der „Mensch in der Schleife” aber unverzichtbar für die Dateninterpretation und Intervention in Gefahrensituationen bleibt.

Die Gefahr: eine Übergangslücke von mehreren Jahren, in der menschliche Beauftragte per Gesetz entfernt werden, bevor zuverlässige digitale Sicherheitsüberwachungssysteme in KMU vollständig ausgereift und implementiert sind.

Neue VDE-Normen erhöhen Druck

Die Dringlichkeit strikter Sicherheitsprotokolle unterstreichen anstehende Regeländerungen. Im Dezember 2025 tritt die neue VDE-Norm V 0126-95 in Kraft, die speziell „Balkonkraftwerke” (Mini-PV-Anlagen) reguliert.

Da diese Systeme sowohl in Wohn- als auch Büroumgebungen allgegenwärtig werden, steigt der Bedarf an Compliance-Kontrollen. Die neue Norm erlaubt zwar vereinfachte Anmeldung und Nutzung, verlangt aber technische Einhaltung zur Gewährleistung von Netzsicherheit und Brandschutz.

Ohne ausreichend Sicherheitsbeauftragte, die unautorisierte oder unsachgemäße Installation solcher Geräte in Bürogebäuden überwachen – etwa Mitarbeiter, die Solarpaneele in nicht konforme Mehrfachsteckdosen einstecken – könnte das Brandrisiko steigen. Die Kombination aus deregulierter Aufsicht und der Verbreitung dezentraler Energieerzeugung schafft ein prekäres Szenario für Facility Management.

Entscheidung über „Vision Zero”

Die kommenden Monate werden entscheidend für die Zukunft des deutschen Arbeitsschutzes. Die Entlastungsgesetze mit der Reduzierung der Sicherheitsbeauftragten sollen Anfang 2026 den Gesetzgebungsprozess durchlaufen.

DGUV und Gewerkschaften werden voraussichtlich massiven Widerstand leisten. Ihr Argument: Die geschätzten Kosteneinsparungen für Unternehmen seien vernachlässigbar im Vergleich zu den potenziellen Kosten durch mehr Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Das DGUV-Engagement für „Vision Zero” – eine Welt ohne tödliche oder schwere Arbeitsunfälle – steht in direktem Gegensatz zu einer Politik, die die Zahl der Sicherheitsadvokaten vor Ort reduziert.

Für Betriebsinhaber und Facility Manager bleibt die Empfehlung eindeutig: Unabhängig von gesetzlichen Mindestanforderungen verbleibt die Haftung für Unfälle beim Arbeitgeber. Der Rückbau von Sicherheitspersonal mag einer neuen bürokratischen Regel genügen – die rechtliche Verantwortung für ein sicheres Arbeitsumfeld beseitigt er nicht. Wie der Newsletter vom 21. November klarstellte, betrachtet die DGUV die Beibehaltung qualifizierter Sicherheitsbeauftragter nicht als Last, sondern als Investition in Produktivität und Rechtssicherheit.

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